Forschungszentrum Jülich liefert Wärmedämmschichten für Rolls-Royce
Jülich (universität) - Eine dünne Keramikschicht mit widersprüchlichen Eigenschaften:
Forscher des Forschungszentrums Jülich entwickeln gemeinsam mit dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce einen
Wärmedämmschutz, der Gluthitze widersteht und zugleich empfänglich ist für „Streicheleinheiten“
und Abreibung. Der Triebwerkshersteller hat gute Gründe, auf die Jülicher Forscher zu setzen: Weltweit
gibt es kaum ein zweites Labor, das die Technologie für solche Hochleistungsdämmschichten beherrscht.
In diesen Tagen treffen die ersten Rolls-Royce Bauteile zur Beschichtung in Jülich ein.
Auch wenn die Öffentlichkeit den Namen vor allem mit „Edelkarossen“ in Verbindung bringt: Rolls-Royce ist
einer der weltweit führenden Hersteller von Flugzeugtriebwerken. Auto- und Flugzeugsparte gehen schon seit
Jahren getrennte Wege; der Name mit den zwei „R“ steht aber auch im Triebwerksbereich für erstklassige Qualität.
Boeing setzte einst bei seinem Jumbo 747 auf das Know-how der Briten ebenso wie Airbus bei seinem neuen Flaggschiff
A-380. Für kommende Versionen der Flugtriebwerke setzt der internationale Konzern auf die Kompetenz des Wissenschaftler-Teams
um Dr. Robert Vaßen vom Jülicher Institut für Energieforschung.
Die Innenwand des Gehäuses eines Düsentriebwerks hat einiges auszuhalten: Gewaltige Temperaturunterschiede
und -spitzenwerte bis weit über 1200 Grad beanspruchen die Werkstoffe des Gehäuses bis auf das Äußerste.
Je widerstandsfähiger die Wärmeschutzschicht im Inneren ist, desto länger halten Material und Antrieb.
„Jedes Grad weniger am Gehäusematerial, das man durch den Schutz erreicht, bedeutet einen Fortschritt“, sagt
der Materialwissenschaftler Dan Roth-Fagaraseanu aus der Werkstoff- und Prozessabteilung von Rolls-Royce Deutschland.
Bei Wärmedämmschichten in Triebwerken setzt Rolls-Royce seit Jahren auf die Zusammenarbeit mit dem Team
aus dem Forschungszentrum Jülich. Nicht ohne Grund: „Das Forschungszentrum Jülich ist weltweit eines
der Kompetenzzentren für solche Schichten“, erklärt Dan Roth-Fagaraseanu. Vor allem in einem Bereich
kann die Jülicher Gruppe am Institut für Energieforschung so leicht keiner das Wasser reichen: im atmosphärischen
Plasmaspritzen, dem Verfahren, mit dem die Keramikschicht aufgetragen wird.
Das keramische Pulver wird in einer bis zu 20 000 Grad heißen Flamme geschmolzen, auf einige hundert Meter
pro Sekunde beschleunigt und auf das zu beschichtende Bauteil geblasen. Die auftreffenden Partikel erreichen Temperaturen
über 3000 Grad. Plasmaspritzen bedeutet arbeiten im Grenzbereich: „Das ist ein Prozess, der so viele verschiedene
Stellgrößen hat, das er nicht so leicht reproduzierbare Ergebnisse liefert“, sagt Vaßen.
Das Verfahren muss für jedes neue Material verändert werden. „Wir passen zum Beispiel die Leistung des
Plasmabrenners, den Abstand zwischen Brenner und Substrat oder die Pulvermenge an“, sagt Dr. Vaßen. Mit optischen
Verfahren kontrollieren sie die Geschwindigkeit und Temperaturen in der Plasmaflamme. „Was das Plasmaspritzen angeht
ist das Forschungszentrum Jülich eine der besten Adressen“, sagt Materialwissenschaftler Roth-Fagaraseanu
anerkennend.
Für das „Hitzeschild“ in der Hochdruckturbine – den Gehäuse-Deckband-Segmenten, die im Bereich des Rotors
eingesetzt werden – musste das Team mehrere Eigenschaften in der Keramik miteinander vereinen. Die weniger als
ein Millimeter dicken Schichten müssen enorme Hitze und Spannungen aushalten, dürfen sich aber mechanischen
„Streicheleinheiten“ durch die Laufschaufeln nicht zu sehr widersetzen. Denn die Triebwerksschaufeln sollen die
Schicht beim Anfahren ganz leicht abreiben, Fachleute sprechen vom „Einlaufen“.
Das Einlaufen ist ein Trick der Ingenieure, um einen möglichst kleinen Spalt zwischen Laufschaufel und Gehäuse
zu erreichen. „Die Laufschaufeln schleifen beim Anfahren der Turbine durch ihre thermische Dehnung einen Teil der
Schicht ab, dürfen aber selbst nicht beschädigt werden“, sagt Dr. Vaßen. Je kleiner der Spalt zwischen
Schaufel und Gehäuse, desto größer ist der Wirkungsgrad der Turbine.
Das Einlaufverfahren wird seit vielen Jahren in kühleren Bereichen der Triebwerke eingesetzt. Für die
Hochtemperaturzonen der Turbine konnten nun die Jülicher Labore die passende Hochleistungsdämmschicht
entwickeln. Die ersten der etwa fünfzig Turbinenkomponenten einer Demonstrationsanlage für Rolls-Royce
treffen im Laufe dieses Monats für die Beschichtung im Forschungszentrum ein.
Die Jülicher Forscher unter der Leitung von Prof. Detlev Stöver greifen bei der Entwicklung neuer Schichten
auf die Erfahrung von mehr als 15 Jahren thermischer Spritztechnik zurück. In zahlreichen Industriekooperationen
entstanden bisher vor allem Wärmedämmschichten für Gasturbinen in Kraftwerken. Dank Jülicher
Forschung lassen sich Turbinen mit hohen Temperaturen und damit mit hohem Wirkungsgrad betreiben. Das spart Energie
und senkt den CO2-Ausstoß.
Mit ihrem Know-How bringen die Jülicher Forscher jetzt auch die Triebwerksbauer von Rolls-Royce ihrem Ziel
näher, noch langlebigere und damit noch kostengünstigere Antriebe zu bauen. |