Bundesrat möchte früher bei Gesetzen mitreden
Wien (pk) - Die Jahresvorschau des Gesundheitsministeriums auf der Grundlage des Arbeitsprogramms
der EU-Kommission, ein Entschließungsantrag betreffend den jährlichen Bericht des Infrastrukturministeriums
über geplante Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur sowie ein Entschließungsantrag betreffend
die Berücksichtigung von Anregungen im Begutachtungsverfahren waren die restlichen Punkte der Tagesordnung
der 745. Sitzung des Bundesrats.
Bundesrat FLORIANSCHÜTZ (S) knüpfte in seinen Ausführungen an europäische Absichtserklärungen
für eine familienfreundliche Politik an und unterstrich die Notwendigkeit, Kindern und Jugendlichen Schutz
und Hilfe zu geben. Mädchen sollen gestärkt und Burschen gefördert werden, die Integrationsbemühungen
seien voranzutreiben und die Kindergärten als erste Bildungseinrichtung zu begreifen. Florianschütz appellierte
an die Ministerin, sich gegen die Jugendarbeitslosigkeit einzusetzen und bat sie um Unterstützung bei seinen
Bemühungen um Übernahme der Lehrlinge des öffentlichen Dienstes nach dem Ende ihrer Ausbildung.
Nicht hinnehmen wolle er, dass 45 % der 15 bis 35-jährigen türkischen Mädchen und Frauen in Österreich
keine Arbeitsplätze haben. Florianschütz möchte diese Frauen aus ihren "Gefängnissen der
Abhängigkeit" herausführen. Humanitäres Asyl wiederum brauchen jene chinesischen Flüchtlingskinder
- oft zweite oder dritte Kinder chinesischer Familien - die kein Asyl und keine Staatsbürgerschaft erhalten
können, aber auch nicht zurückgeschickt werden können, weil China sie nicht anerkenne. Vollinhaltliche
Unterstützung sagt Florianschütz der Bundesministerin bei ihren Initiativen gegen den Alkoholmissbrauch
von Kindern zu.
Bundesrat AGER (V) bekannte sich nachdrücklich zu den Zielsetzungen der deutschen, portugiesischen und slowenischen
Ratspräsidentschaften auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik und zeigte sich vom Auftreten der neuen Familien-,
Gesundheits- und Jugendministerin angetan. Andrea Kdolsky sei "ein wohltuender Farbklecks in der Politik",
sagte Ager, der die Ministerin herzlich im Bundesrat willkommen hieß und sich überzeugt zeigte, dass
die Jugend bei ihr gut aufgehoben sei.
Bundesrat BREINER (G) wies auf oberösterreichische Familien mit Migrationshintergrund hin, die von Abschiebung
bedroht sind, und hielt eine derartige Vorgangsweise für unvereinbar mit Aussagen über mehr Familienfreundlichkeit
in der Politik. Die Absicht der Gesundheitsministerin, die Frauen besser über neue Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs
zu informieren, begrüßte der Redner ausdrücklich.
Eine familienfreundliche Politik dürfe auf die oft schwierige Situation von Eltern nicht vergessen, die ihre
Erziehungsgewalt verlieren und den Problemen ihrer Kinder hilflos gegenüberstehen. Breiner warb um Unterstützung
für Eltern und für eine kinderfreundliche Gesellschaft. "Der Sinn unserer Arbeit könne nicht
nur sein, alt zu werden, sondern den Kindern eine Zukunft zu geben", schloss Bundesrat Breiner.
Bundesrat KAMPL (A) nannte das vorliegende EU-Programm ein gutes Papier, wobei er sich schwerpunktmäßig
mit den Vorhaben auf den Gebieten Energiepolitik und Justizpolitik befasste und es ausdrücklich begrüßte,
dass die europäische Union die Geltung der Menschen- und Heimatrechte als wichtig für das gemeinsame
Europa betrachtet. In diesem Zusammenhang appellierte Kampl an Slowenien, die Avnoj-Beschlüsse außer
Kraft zu setzen, wie dies beim EU-Beitritt versprochen wurde.
Bundesministerin Dr. KDOLSKY unterstrich die Bedeutung einer hochwertigen gesundheitlichen Versorgung und betonte
dabei die Bedeutung einheitlicher Normen für Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und Lebensmitteln
in der EU. Eine Neufassung der Medizinproduktegesetzgebung durch das Europäische Parlament stehe unmittelbar
bevor. Vom portugiesischem Vorsitz sei eine Verordnung über Arzneimittel für neuartige Therapien zu erwarten.
Eine Erhöhung der Patientenmobilität, die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen über die Grenzen
hinweg, biete nicht nur Chancen, sondern habe auch Risken, sagte die Ministerin und verlangte klare Vorgaben für
die Rückerstattung von Kosten, etwa für die Behandlung italienischer Patienten in Tirol.
Nachdrücklich bekannte sich die Ministerin zur Umsetzung von Tierschutzinitiativen, etwa für ein Verbot
des Handel mit Hunde- und Katzenfellen sowie eine Richtlinie zum Schutz von Masthühnern. Der Schutz aller
Lebewesen sollte auch den Kindern im Schulunterricht als ein Wert nahe gebracht werden.
Beim Thema Familien- und Jugendpolitik will sich die Ministerin nicht nur auf zusätzliche Kinderbetreuungsstätten
beschränken, auch wenn diese zweifellos notwendig seien. Es geht ihr auch darum, Väter zu unterstützen,
die Karriereprobleme bekommen, wenn sie in Karenz gehen wollen. Ganz besonders wichtig ist der Ministerin der Kampf
gegen den Alkoholmissbrauch von Kindern. Die Harmonisierung des Jugendschutzes sei ein erster Schritt, die Vereinfachung
der Kontrollen ein weiterer und es brauche auch scharfe Sanktionen, wobei sich Kdolsky nicht mit Geldstrafen und
Konzessionsverlust begnügen möchte. "Wir müssen über Betriebstättengenehmigungen
sprechen", sagte die Ministerin und verlangte harte Maßnahmen gegen schwarze Schafe unter der Gastronomen,
die Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen in ihren Betrieben zulassen. Zur breiten Maßnahmenpalette
der Ministerin zählen Veranstaltungen, die Kindern und Jugendlichen zeigen sollen, dass Spaß ohne Alkohol
möglich sei, und sie trat auch dafür ein, den vielfach überforderten Eltern zu helfen, etwa in den
noch zu wenig bekannten Familienberatungsstellen.
Bei der Abstimmung wurde der Bericht einstimmig zur Kenntnis genommen.
Entschließungsantrag betr. jährlichen Bericht des MMVIT
Bundesrat Mag. KLUG (S) erläuterte den Drei-Parteien-Entschließungsantrag, der sich auf das
Infrastrukturinvestitionsprogramm der Bundesregierung bezieht und einen jährlichen Bericht des Verkehrsministers
über die geplanten Maßnahmen und Absichten in den Bundesländern verlangt. Dieses Programm sei von
großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich, diese Auffassung werde von allen Fraktionen
geteilt. Es sei aber auch verständlich, dass die Landeshauptleute jeweils für ihre Projekte kämpfen,
sodass die Notwendigkeit bestehe, die Umsetzung des Programms im Einklang zwischen den einzelnen Bundesländern
voranzutreiben. Diesem Anliegen diene der Entschließungsantrag der Bundesratsfraktionen.
Bundesrat MITTERER (A) kündigte seine sowie auch die Zustimmung seines Kollegen Siegfried Kampl zu beiden
vorliegenden Entschließungsanträgen an. Auch er zeigte sich überzeugt, dass eine transparente Vorgangsweise
bei der Umsetzung des Infrastrukturprogramms gegenüber den Bundesländern geeignet sei, Misstrauen und
Eifersucht zwischen den Ländern zu vermeiden.
Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag einstimmig angenommen.
Entschließungsantrag betr. Berücksichtigung von Anregungen des Bundesrats im Begutachtungsverfahren
Bundesrat KONECNY erinnerte eingangs seiner Ausführungen über den Drei-Parteien-Entschließungsantrag
zur Berücksichtigung von Anregungen zum Wahlrechtsänderungsgesetz im Begutachtungsverfahren an wiederholte
Anträge des Bundesrates, nicht erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens zu Wort zu kommen, sondern schon früher,
etwa in der Phase der Ausschussberatungen im Nationalrat. Dies deshalb, weil der Bundesrat oft auf Einsprüche
verzichte, weil er wegen einer berechtigten Detailkritik nicht einen im Übrigen positiv zu beurteilenden Gesetzesbeschluss
blockieren wolle. Konecny unterstützte insbesondere den Vorschlag, die Hausanschläge über die Wahlberechtigten
im Vorfeld von Nationalratswahlen nicht mehr nach Geschlechtern getrennt führen zu müssen. Die Gründe
dafür liegen vor allem in der steigenden Kriminalität im städtischen Bereich, und man wolle vermeiden,
dass auf Grund dieser Bekanntmachungen signalisiert wird, wo eine alleinstehende Frau lebt. Er hielt es auch für
vernünftig, den Ländern die Möglichkeit einzuräumen, AuslandsösterreicherInnen auch bei
der Landtagswahl das Wahlrecht zu zuzugestehen.
Bundesrat WEISS (V) betonte, das verfassungsrechtlich eingeräumte Recht zur Stellungnahme sei eine Sache,
dieses auch zu nützen, eine andere. Es spreche aber nichts dagegen, die Instrumente, die bereits jetzt zur
Verfügung stehen, zu nützen. Das Stellungnahmerecht sei wesentlich, sagte Weiss, auch wenn es noch Fragen
aufwerfe. So müsse man sich überlegen, wie repräsentativ eine Stellungnahme des Bundesrates ist,
wenn seitens der Bundesländer gegensätzliche Auffassungen vorliegen. Alles in allem dienen laut Weiss
die beiden vorliegenden Entschließungsanträge dazu, einer stärkeren Gesetzgebungsautonomie des
Bundesrates Rechnung zu tragen. Abschließend thematisierte der Bundesrat die im Demokratiepaket der Bundesregierung
fehlende Frist für die Anpassung in den Bundesländern. Außerdem müsse man seiner Meinung nach
bei der Briefwahl die Dreistufigkeit des Auszählungsverfahrens überdenken, da es auf Gemeindeebene zu
Schwierigkeiten mit der Wahrung des Wahlgeheimnisses kommen könnte.
Bundesrat SCHENNACH (G) hielt es für notwendig, seitens des Bundesrates vorausschauend auf die Gesetzwerdung
Einfluss zu nehmen. Man werde dieses Instrument in nächster Zeit auch anwenden, sagte er. Schennach kündigte
die Erarbeitung eines gemeinsamen umfassenden Entschließungsantrags zur Reform des Bundesrates an. Dieser
müsse von sich aus erklären, wohin die Reform gehen soll, nachdem ein öffentlicher Erklärungsbedarf
entstanden ist. Es seien daher eine Fülle von Vorschlägen erarbeitet worden, und nun sei jeder Bundesrat
aufgefordert, bei den eigenen NationalratskollegInnen in der Fraktion dafür zu werben.
Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag einhellig beschlossen. |