Beyrer: Industrie will gemeinsame Lebensräume schaffen
IV legt Positionspapier für zukunftsweisende Migrations- und Integrationspolitik vor
– Gesamtpaket soll Migration, Integration und Bewusstseinsbildung umfassen
Wien (iv) - Eine gelungene Migrations- und Integrationspolitik gehört zu den größten
gesellschafts-, aber auch wirtschaftspolitischen Herausforderungen in Österreich. „Für die Industriellenvereinigung
ist es wichtig, Zukunftsthemen auf die Agenda zu setzen. Eines der großen Zukunftsthemen in Europa ist die
Debatte um Migration und Integration“, betont Mag. Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung
(IV). Die IV hat ein umfassendes Positionspapier für eine zukunftsweisende Migrations- und Integrationspolitik
erarbeitet. Dabei werden gesellschaftspolitische, wirtschaftspolitische und humanitäre Aspekte berücksichtigt.
„Wir verfolgen damit mehrere Ziele: Qualifizierte Personen sollen motiviert werden, nach Österreich zu kommen.
Die Rahmenbedingungen für Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits im Land leben, sollen optimiert
werden. Und es geht um Bewusstseinsbildung bei allen Beteiligten“, skizziert Beyrer den breiten Ansatz des Positionspapiers.
„Denn Österreich war und ist ein Zuwanderungsland, und das hat viele Vorteile für Wirtschaft und Gesellschaft
gebracht.“
„Migration und Integration werden häufig nur aus wirtschaftlicher, demographischer und rechtlicher Perspektive
diskutiert. Oft wird vergessen, dass es sich um ein zutiefst menschliches Thema handelt“, betont Mag. Georg Kapsch,
Vorsitzender des IV-Ausschusses für Gesellschaftspolitik, die Notwendigkeit für eine umfassende Migrations-
und Integrationspolitik, die drei Module umfassen soll: Förderung des qualifizierten Zuzugs, Integration und
Bewusstseinsbildung. „Im Mittelpunkt einer erfolgreichen, langfristig orientierten Migrationspolitik Österreichs
steht qualifizierter Zuzug. Ein künftiges Modell soll es ermöglichen, dass Personen, die nach Österreich
einwandern wollen, auf Basis klarer und transparenter Kriterien und unabhängig von Quoten rasch und einfach
Aufenthalt und Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten“, so Kapsch zum Kern des Gesamtpakets.
Konkret bedeutet dies: Für die Rückkehr von Österreicherinnen und Österreichern sowie dem Zuzug
aus der EU werden aktiv Informationen über Arbeitsbedingungen, Karrierechancen sowie relevante Rahmenbedingungen
bereit gestellt. Der Zuzug qualifizierter Personen aus Drittstaaten basiert auf einem klaren und transparenten
Punktesystem, das die Zuerkennung von dauerndem Aufenthalt und uneingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt zur
Folge hat. Ein befristeter Zuzug qualifizierter Personen zur Überbrückung von Engpässen am Arbeitsmarkt
wird ermöglicht. Für Spezialistinnen und Spezialisten und Führungskräfte aus Wirtschaft und
Wissenschaft sollen Sonderbestimmungen geschaffen werden.
„Integration ist ein wechselseitiger Prozess. Ziel soll gesellschaftlicher Zusammenhalt und Chancengleichheit sein“,
unterstreicht Kapsch. Zuwandernde Menschen müssen die europäischen Grund- und Menschenrechte sowie die
rechtsstaatlichen Prinzipien der österreichischen Gesellschaft annehmen, zugleich werden ihre Identität
stiftenden Werte, Kulturen und Prinzipien respektiert.
Ein künftiges Integrationspaket zielt auf zwei relevante Bereiche mit unterschiedlichem Zeithorizont: Die
Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Österreich leben, geschieht durch den Erwerb
guter Sprachkenntnisse, (Höher-) Qualifizierung, frühzeitige Förderung der Kinder sowie lokale und
regionale Maßnahmen. Integration im Rahmen des künftigen Migrationsmodells soll darüber hinaus
auf einem Anreizsystem mit dem Ziel der Staatsbürgerschaft basieren, wobei Rechte und Pflichten in Balance
zu halten sind. Ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Integrationspolitik ist eine ausreichende staatliche
Steuerung, die von der Konzeption über die Finanzierung bis zur Koordination aller relevanten Institutionen
reichen muss.
Bewusstseinsbildung ist ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Umsetzung einer zeitgemäßen
Migrations- und Integrationspolitik. Gezielte und aufeinander abgestimmte Aktivitäten für die breite
Öffentlichkeit, in Unternehmen und vor allem auch in Bildungseinrichtungen können zu einem positiven
Klima in Österreich beitragen.
Ein Erfolg versprechendes Migrations- und Integrationspaket bedarf auch begleitender Maßnahmen. Dazu gehören
unter anderem die Zusammenführung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, die Förderung der Mehrsprachigkeit
von Österreichern und Zuwandernden sowie ein Abbau der Bürokratie durch Bündelung der Kompetenzen.
„Migration und Integration sind wichtige Themen für die Wirtschaft“, betont Michael Maximilian, Geschäftsführer
ISS Facility Services Österreich, den Handlungsbedarf für eine zeitgemäße Migrations- und
Integrationspolitik. ISS ist selbst vom Thema massiv betroffen, da das Unternehmen 9.500 Personen beschäftigt,
die aus 69 verschiedenen Ländern der Erde kommen. Der Anteil von nicht österreichischen Staatsbürgern
beträgt 43,4 %, der Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund wird jedoch auf
bis zu 75 % geschätzt.
Die ISS investiert viel, um die unterschiedlichen Kulturen im Unternehmen zu integrieren: Es gibt einen Integrationsbeauftragten,
regelmäßige Befragungen über etwaige Benachteiligungen und ein intensives Angebot an Sprachkursen.
Maximilian wünscht sich eine einfachere Gestaltung des komplexen Fremdenrechts und betont die Wichtigkeit
des Mitarbeiterpotenzials für den Unternehmenserfolg. „Die ISS ist stolz auf die Vielfältigkeit ihrer
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und kann hoffentlich auch weiterhin aus diesem großen Potenzial schöpfen.
ISS könnte sonst sein starkes Wachstum nicht bewältigen“, so Michael Maximilian.
Das Positionspapier „Gemeinsame Lebensräume schaffen – Die Zukunft von Migration und Integration in Österreich“
ist als Zukunftspapier konzipiert und soll weit über tagespolitische Belange hinausgehen und Diskussionen
anregen. Für die Weiterbearbeitung und Umsetzung schlägt die IV die Einrichtung eines Migrations- und
Integrationsrates vor. Der Rat soll innovative, inhaltliche Ansätze erarbeiten, auf einen breiten Konsens
abzielen und aktivierend wirken. „Die Umsetzung des Gesamtpakets kann und soll 2008 beginnen“, drängt Kapsch
auf konkrete erste Schritte. „Die IV ist gerne bereit, an der weiteren Ausgestaltung des Programms mitzuwirken“,
meint Beyrer abschließend.
Die kurzfristigen politischen Ziele bzw. Anliegen der Industrie fasste IV-Generalsekretär Beyrer am Schluss
der Pressekonferenz wie folgt zusammen:
- Aufhebung der Übergangsbestimmungen für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Mitgliedstaaten bis spätestens
2009; davor sektorale Öffnung wo notwendig
- Aufhebung bzw. Erhöhung der Kontingente für Schlüsselkräfte
- Zugangserleichterungen für Spitzenkräfte aus Wissenschaft und Technik
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Stoisits: Integration: Industriellenvereinigung ist weiter als die ÖVP
Die letzten Äußerungen von Missethon und Molterer lassen da aber wenig Hoffnung
aufkeimen
Wien (grüne) - „Die Industriellenvereinigung hat offenbar die Zeichen der Zeit erkannt und
eingesehen, dass es eine neue Qualität in der Diskussion um Einwanderung und Integration in Österreich
braucht“, erklärte die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Terezija Stoisits, zum veröffentlichten
Positionspapier der IV zu Integration. Stoisits begrüßte die „ernsthafte und zukunftsorientierte Auseinandersetzung“.
Sie hoffe, dass die Regierung und hier vor allem die ÖVP ihre „Betonmentalität“ in Sachen Integration
aufgeben. „Die letzten Äußerungen von Missethon und Molterer lassen da aber wenig Hoffnung aufkeimen.
Sie stehen weiter dazu, dass hier integrierte Menschen abgeschoben werden.“
„Fest steht, Österreich braucht eine positive Auseinandersetzung mit Einwanderung und Integration. Es geht
um reale Herausforderungen: Chancengleichheit für Menschen, die hier leben, Nicht-Diskriminierung, ein Recht
auf Familienzusammenführung, und ein Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialsystem“, erklärte Stoisits. „Dazu
gehört auch ein Bleiberecht, denn nur Menschen, die auch eine Sicherheit über ihre Lebensgrundlagen haben,
können sich integrieren.“ |
Schock: Migrationspolitik des offenen Scheunentors falscher Weg
Integration geht vor Profitdenken auf Kosten der Allgemeinheit
Wien (fpd) - Als einen missglückten Versuch, alte Hüte in neuem Design zu präsentieren,
bezeichnete der Klubobmann der Wiener Freiheitlichen DDr. Eduard Schock das Positionspapier der Industriellenvereinigung
zum Thema Migration und Integration.
Man könne dieses mit "Am Schwarzenbergplatz nichts Neues" zusammenfassen, kommentierte Schock die
Ausführungen der IV-Vertreter. Das formulierte Ziel der "Versachlichung der Diskussion" werde man
nicht mit weltfremden Plattitüden erreichen. Die Bevölkerung werde auf Aussagen wie "Bei der Zuwanderung
ist noch ziemlich viel Potenzial nach oben" und "Die erste Migrationswelle aus den neuen EU-Ländern
ging an uns vorbei, bei der zweiten darf das nicht passieren" sehr negativ reagieren, prognostizierte Schock.
"Es ist schade, dass von den Herren der Industriellenvereinigung kein einziges Wort über die steigende
Jugendarbeitslosigkeit verloren wurde. Hier gäbe es genug Qualifizierungspotenzial", zeigte sich Schock
enttäuscht.
Um davon abzulenken, dass es nur um die eigene Profitmaximierung ginge, habe man auch das Thema Asyl angeschnitten.
Auf Nachfrage von Journalisten hätte man aber zugeben müssen, dass man sich nicht im Detail damit beschäftigt
habe, sondern aus rein "humanitären" Antrieb Organisationen wie die Caritas befragt habe. Kein Wunder
sei daher auch die positive Stellungnahme des Caritas-Präsidenten. "Es sieht aus, als würde sich
hier zwischen der Industriellenvereinigung und der Asylbranche eine Achse der Geschäftemacherei bilden",
schloss Schock. |