Atempause bei Direktinvestitionen?  

erstellt am
08. 05. 07

Direktinvestitionsflüsse im Jahr 2006
Wien (oenb) - Mit dem Einstieg der Erste Bank in Rumänien und dem Rückzug der Bank Austria aus Polen wurden 2006 gleichzeitig die größte Auslandsinvestition und auch die größte Desinvestition verzeichnet. Trotz außerordentlich hoher Bruttobewegungen ist das Engagement österreichischer Direkt­investoren – netto – deutlich zurückgegangen. Direktinvestitionen des Auslands in Österreich sind 2006 nahezu ausgeblieben. Es wäre jedoch falsch ein solches Einzelergebnis als Anzeichen einer sinkenden Standortqualität Österreichs zu werten. Die rege Nachfrage nach Aktien österreichischer Betriebe und die positive Entwicklung des ATX belegen das Gegenteil. Die Ertragsbilanz der Direktinvestitionen war auch 2006 ausgeglichen.

Aktive Direktinvestitionen
Der Netto-Strom österreichischer Direktinvestitionen in das Ausland erlitt im Jahr 2006 mit „nur“ 3,3 Mrd Euro an Neuinvestitionen einen deutlichen Einbruch. Er erreichte weniger als die Hälfte des Niveaus vergangener Jahre. Gleichzeitig erreichten allerdings die Bruttoströme neue Rekordmarken, so dass man in diesem Fall von einer Atempause eigentlich nicht sprechen kann. Die Neuveranlagungen von Eigenkapital im Ausland erreichten 2006 mit 13 Mrd Euro nahezu das Doppelte des Jahres 2005, gleichzeitig sprengten aber auch die Desinvestitionen mit 12,2 Mrd Euro den üblichen Rahmen um ein Vielfaches. Immobilieninvestitionen gab es mit 240 Mio Euro im üblichen Ausmaß. Die weiterhin sehr erfreuliche Ertragslage der heimischen Auslandsbeteiligungen lässt trotz hoher Gewinnausschüttungen von 2,8 Mrd Euro auch hohe Reinvestitionen erwar­ten. Nach vorläufigen Schätzungen trugen die nicht entnommenen Gewinne 2006 mit 2,2 Mrd Euro erheblich zum Direktinvestitionsvolumen bei. Bescheiden war die Rolle der konzern­internen Kreditbeziehungen als Finanzierungsinstrument mit einem Volumen von 230 Mio Euro.

Die regionale Verteilung der Neuinvestitionen war 2006 sehr heterogen: Das heraus­ragende Ereignis war der Erwerb der Aktienmehrheit der Banca Comerciala Romana (BCR) durch die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG. Es war dies die größte Einzelinvestition in der jungen Geschichte des österreichischen Auslandsengagements. Die Rekordsumme an In­vestitionen in der Türkei (860 Mio Euro) ist durch den Einstieg der OMV in den türkischen Markt dominiert. Die Reorganisation der BA-CA-Beteiligun­gen im Zuge der Übernahme der Hypovereinsbank durch den italienischen Unicredito hat das Jahresergebnis sehr stark beeinflusst: Der erzwungene Ausstieg aus dem polnischen Markt 2006 war die größte bisher registrierte Desinvestition, der wettbewerbsrechtlich nötige Verzicht auf die kroatische Splitska Banka (im Gegenzug für eine 2007 zu erwar­tende Beteiligung an der größeren Zagrebacka Banka) zog auch in Kroatien einen Nettoabbau an Direktinvestitionen nach sich, und die Reorganisation beeinflusste letztlich auch den Wert für Italien. Daneben haben auch einzelne in Österreich ansässige ausländi­sche Holdingzentralen Auslandsbeteiligungen von erheblichem Wert aufgelöst und die Erlöse an ihre Muttergesellschaften weitergeleitet, was gleichzeitig zur Reduktion aktiver wie passiver Direktinvestitionen führte (Russland, Schweiz, Dänemark). Weniger spekta­kulär, aber doch erwähnenswert ist das Engagement heimischer Investoren am Balkan: In der früheren jugoslawischen Re­publik Mazedonien, in Bosnien-Herzegowina und in Serbien-Montenegro erreichten die Investitionen 2006 jeweils historische Höchststände. Schließlich werden auch wieder Mittel in Firmen mit Sitz in Offshore-Finanzzentren veranlagt.

Dominierender Sektor bei den Neuinvestitionen waren Banken und Versicherungen mit mehr als der Hälfte der involvierten Volumina. Eine Vielzahl von Projekten mit einem Nettoinvestitionswert von beinahe 1 Mrd Euro ist dem Handel zuzurechnen. Ähnliche Größenordnungen erreichte der Sektor „Realitätenwesen und unternehmensbezogene Dienstleistungen“, der allerdings auch Holdinggesellschaften umfasst. Die Investitionen in der Sachgüterproduktion konzentrierten sich auch die Branchen „Chemie, Kunststoff“, „Glas und Steinwaren“ sowie „Metallwaren“. Insgesamt verzeichnete die Statistik des Jahres 2006 rund 150 inländische Investoren, die rund 400 Investitionsprojekte von mindestens 1 Mio Euro in 45 Ländern der Welt umsetzten.

Passive Direktinvestitionen
Fast völlig ausgeblieben sind – in Nettobetrachtung – die passiven Direktinvestitionen. Der Nettozustrom von 200 Mio Euro war 2006 ähnlich niedrig wie 2002 und lag nahe an der statistischen Wahr­neh­mungsschwelle. Ausschlaggebend war das hohe Volumen an Desinvestitionen (6,4 Mrd Euro), das die Neuinvestitionen an Eigenkapital von 4,0 Mrd Euro deutlich übertraf. Unterdurchschnittlich war auch der darin enthaltene Erwerb von Immobilien durch Ausländer im Umfang von 100 Mio Euro. Die reinvestierten Gewinne erreichten trotz hoher Dividen­denausschüttungen (3,6 Mrd Euro) ein Volumen von 1,2 Mrd Euro, was dem Durchschnitt der letzten Jahre entspricht. Dank der ebenfalls relativ hohen Kapitalzufuhren im Wege kon­zerninterner Kredite konnte der leichte Nettozustrom erzielt werden.

Größter Investor war 2006 einmal mehr Deutschland mit 2,8 Mrd Euro an Neuinvestiti­onen, wovon 900 Mio Euro auf nicht entnommene Gewinne entfielen. Das relativ starke Engagement Spaniens reflektiert den Einstieg der FCC S.A. (Fomentos de constructiones y contratas) beim Alpine Mayreder Baukonzern. Die größte Einzeltransaktion war der Verkauf des Mobilfunkanbieters tele.ring durch Western Wireless (USA) an T-Mobile im Frühjahr 2006. Die Desinvestitionen betrafen neben den USA auch Dänemark und die Schweiz, was z.T. mit den oben er­wähnten Holdinggesellschaften zu tun hat.

Neben dem erwähnten Tele­kommunikationssektor und der Bauwirtschaft waren Ver­sicherungen und Banken sowie Energieversorger Ziel ausländischen Interesses. Der Verkauf der BAWAG an den US-Investor Cerberus ist in den Daten des Jahres 2006 nicht enthalten. Insgesamt registrierte die Statistik des Jahres 2006 rund 90 größere Investitionsprojekte von 60 verschiedenen Investoren aus dem Ausland.

Einkommen aus Direktinvestitionen
2005 hatte der amerikanische Job-Creations Act zu außerordentlich hohen Wachstums­raten bei aktiven wie passiven Direktinvestitionseinkommen geführt, weil über Jahre angesammelte Gewinne in die USA repatriiert worden waren: Dennoch zeigen die vor­läufigen Ergebnisse für das Jahr 2006 keinen Rückfall. Die erhaltenen Einkommen aus aktiven Direktinvestitionen konnten weiter gesteigert werden (um 170 Mio Euro bzw. +3% auf 5,8 Mrd. Euro). Auch das ausländischen Gesellschaftern zustehende Ein­kommen aus passiven Direktinvestitionen wuchs um 100 Mio Euro oder +2% auf 5,7 Mrd Euro.

Zum dritten Mal in Folge ergibt sich damit bei den Einkommen aus Direktinvestitionen ein geringfügig positiver Saldo. Diese Tendenz spiegelt die Tatsache wider, dass sich Österreich in den vergangenen 15 Jahren von einem Empfänger von Direktinvestitionen zu einem aktiven Nettoinvestor entwickelt hat. Außerdem konnte der anfänglich beste­hende Rückstand bei der Rentabilität kontinuierlich abgebaut werden
 
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