Direktinvestitionsflüsse im Jahr 2006
Wien (oenb) - Mit dem Einstieg der Erste Bank in Rumänien und dem Rückzug der Bank Austria
aus Polen wurden 2006 gleichzeitig die größte Auslandsinvestition und auch die größte Desinvestition
verzeichnet. Trotz außerordentlich hoher Bruttobewegungen ist das Engagement österreichischer Direktinvestoren
– netto – deutlich zurückgegangen. Direktinvestitionen des Auslands in Österreich sind 2006 nahezu ausgeblieben.
Es wäre jedoch falsch ein solches Einzelergebnis als Anzeichen einer sinkenden Standortqualität Österreichs
zu werten. Die rege Nachfrage nach Aktien österreichischer Betriebe und die positive Entwicklung des ATX belegen
das Gegenteil. Die Ertragsbilanz der Direktinvestitionen war auch 2006 ausgeglichen.
Aktive Direktinvestitionen
Der Netto-Strom österreichischer Direktinvestitionen in das Ausland erlitt im Jahr 2006 mit „nur“ 3,3 Mrd
Euro an Neuinvestitionen einen deutlichen Einbruch. Er erreichte weniger als die Hälfte des Niveaus vergangener
Jahre. Gleichzeitig erreichten allerdings die Bruttoströme neue Rekordmarken, so dass man in diesem Fall von
einer Atempause eigentlich nicht sprechen kann. Die Neuveranlagungen von Eigenkapital im Ausland erreichten 2006
mit 13 Mrd Euro nahezu das Doppelte des Jahres 2005, gleichzeitig sprengten aber auch die Desinvestitionen mit
12,2 Mrd Euro den üblichen Rahmen um ein Vielfaches. Immobilieninvestitionen gab es mit 240 Mio Euro im üblichen
Ausmaß. Die weiterhin sehr erfreuliche Ertragslage der heimischen Auslandsbeteiligungen lässt trotz
hoher Gewinnausschüttungen von 2,8 Mrd Euro auch hohe Reinvestitionen erwarten. Nach vorläufigen
Schätzungen trugen die nicht entnommenen Gewinne 2006 mit 2,2 Mrd Euro erheblich zum Direktinvestitionsvolumen
bei. Bescheiden war die Rolle der konzerninternen Kreditbeziehungen als Finanzierungsinstrument mit einem
Volumen von 230 Mio Euro.
Die regionale Verteilung der Neuinvestitionen war 2006 sehr heterogen: Das herausragende Ereignis war der
Erwerb der Aktienmehrheit der Banca Comerciala Romana (BCR) durch die Erste Bank der österreichischen Sparkassen
AG. Es war dies die größte Einzelinvestition in der jungen Geschichte des österreichischen Auslandsengagements.
Die Rekordsumme an Investitionen in der Türkei (860 Mio Euro) ist durch den Einstieg der OMV in den
türkischen Markt dominiert. Die Reorganisation der BA-CA-Beteiligungen im Zuge der Übernahme der
Hypovereinsbank durch den italienischen Unicredito hat das Jahresergebnis sehr stark beeinflusst: Der erzwungene
Ausstieg aus dem polnischen Markt 2006 war die größte bisher registrierte Desinvestition, der wettbewerbsrechtlich
nötige Verzicht auf die kroatische Splitska Banka (im Gegenzug für eine 2007 zu erwartende Beteiligung
an der größeren Zagrebacka Banka) zog auch in Kroatien einen Nettoabbau an Direktinvestitionen nach
sich, und die Reorganisation beeinflusste letztlich auch den Wert für Italien. Daneben haben auch einzelne
in Österreich ansässige ausländische Holdingzentralen Auslandsbeteiligungen von erheblichem
Wert aufgelöst und die Erlöse an ihre Muttergesellschaften weitergeleitet, was gleichzeitig zur Reduktion
aktiver wie passiver Direktinvestitionen führte (Russland, Schweiz, Dänemark). Weniger spektakulär,
aber doch erwähnenswert ist das Engagement heimischer Investoren am Balkan: In der früheren jugoslawischen
Republik Mazedonien, in Bosnien-Herzegowina und in Serbien-Montenegro erreichten die Investitionen 2006 jeweils
historische Höchststände. Schließlich werden auch wieder Mittel in Firmen mit Sitz in Offshore-Finanzzentren
veranlagt.
Dominierender Sektor bei den Neuinvestitionen waren Banken und Versicherungen mit mehr als der Hälfte der
involvierten Volumina. Eine Vielzahl von Projekten mit einem Nettoinvestitionswert von beinahe 1 Mrd Euro ist dem
Handel zuzurechnen. Ähnliche Größenordnungen erreichte der Sektor „Realitätenwesen und unternehmensbezogene
Dienstleistungen“, der allerdings auch Holdinggesellschaften umfasst. Die Investitionen in der Sachgüterproduktion
konzentrierten sich auch die Branchen „Chemie, Kunststoff“, „Glas und Steinwaren“ sowie „Metallwaren“. Insgesamt
verzeichnete die Statistik des Jahres 2006 rund 150 inländische Investoren, die rund 400 Investitionsprojekte
von mindestens 1 Mio Euro in 45 Ländern der Welt umsetzten.
Passive Direktinvestitionen
Fast völlig ausgeblieben sind – in Nettobetrachtung – die passiven Direktinvestitionen. Der Nettozustrom
von 200 Mio Euro war 2006 ähnlich niedrig wie 2002 und lag nahe an der statistischen Wahrnehmungsschwelle.
Ausschlaggebend war das hohe Volumen an Desinvestitionen (6,4 Mrd Euro), das die Neuinvestitionen an Eigenkapital
von 4,0 Mrd Euro deutlich übertraf. Unterdurchschnittlich war auch der darin enthaltene Erwerb von Immobilien
durch Ausländer im Umfang von 100 Mio Euro. Die reinvestierten Gewinne erreichten trotz hoher Dividendenausschüttungen
(3,6 Mrd Euro) ein Volumen von 1,2 Mrd Euro, was dem Durchschnitt der letzten Jahre entspricht. Dank der ebenfalls
relativ hohen Kapitalzufuhren im Wege konzerninterner Kredite konnte der leichte Nettozustrom erzielt werden.
Größter Investor war 2006 einmal mehr Deutschland mit 2,8 Mrd Euro an Neuinvestitionen, wovon
900 Mio Euro auf nicht entnommene Gewinne entfielen. Das relativ starke Engagement Spaniens reflektiert den Einstieg
der FCC S.A. (Fomentos de constructiones y contratas) beim Alpine Mayreder Baukonzern. Die größte Einzeltransaktion
war der Verkauf des Mobilfunkanbieters tele.ring durch Western Wireless (USA) an T-Mobile im Frühjahr 2006.
Die Desinvestitionen betrafen neben den USA auch Dänemark und die Schweiz, was z.T. mit den oben erwähnten
Holdinggesellschaften zu tun hat.
Neben dem erwähnten Telekommunikationssektor und der Bauwirtschaft waren Versicherungen und Banken
sowie Energieversorger Ziel ausländischen Interesses. Der Verkauf der BAWAG an den US-Investor Cerberus ist
in den Daten des Jahres 2006 nicht enthalten. Insgesamt registrierte die Statistik des Jahres 2006 rund 90 größere
Investitionsprojekte von 60 verschiedenen Investoren aus dem Ausland.
Einkommen aus Direktinvestitionen
2005 hatte der amerikanische Job-Creations Act zu außerordentlich hohen Wachstumsraten bei aktiven
wie passiven Direktinvestitionseinkommen geführt, weil über Jahre angesammelte Gewinne in die USA repatriiert
worden waren: Dennoch zeigen die vorläufigen Ergebnisse für das Jahr 2006 keinen Rückfall.
Die erhaltenen Einkommen aus aktiven Direktinvestitionen konnten weiter gesteigert werden (um 170 Mio Euro bzw.
+3% auf 5,8 Mrd. Euro). Auch das ausländischen Gesellschaftern zustehende Einkommen aus passiven Direktinvestitionen
wuchs um 100 Mio Euro oder +2% auf 5,7 Mrd Euro.
Zum dritten Mal in Folge ergibt sich damit bei den Einkommen aus Direktinvestitionen ein geringfügig positiver
Saldo. Diese Tendenz spiegelt die Tatsache wider, dass sich Österreich in den vergangenen 15 Jahren von einem
Empfänger von Direktinvestitionen zu einem aktiven Nettoinvestor entwickelt hat. Außerdem konnte der
anfänglich bestehende Rückstand bei der Rentabilität kontinuierlich abgebaut werden |