Bukarest (oenb) - Stabilität und Wohlstand hat die fortschreitende Integration Süd-Ost-Europas
vor allem für die Bürger dieser Region, aber auch für Österreich und Europa insgesamt gebracht.
Der europäische Integrationsprozess erfordert von den Ländern große Anstrengungen, Ausdauer und
ein hohes Maß an Disziplin. Jene Länder in Süd-Ost-Europa, die diesen Prozess bereits weiter durchschritten
haben – wie z. B. die neuen EU-Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien – befinden sich heute in einer deutlich
verbesserten Situation, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Dies betonte Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der
Oesterreichischen Nationalbank und EZB-Ratsmitglied, in seiner Rede beim Southeastern European Financial Forum
in Bukarest am 17.05.
So betrug das Wirtschaftswachstum in Süd-Ost-Europa in den letzten beiden Jahren etwa 5%, und die Inflation
ist deutlich gesunken. Bemerkenswerte Verbesserungen gab es bei der Fiskalpolitik, und auch die Privatisierungen
machten deutliche Fortschritte.
Trotz dieser Erfolge gebe es aber noch große Herausforderungen in mehreren Bereichen, so Gouverneur Liebscher
weiter: Denn trotz starken Wirtschaftswachstums sei die Arbeitslosigkeit – mit bis zu 40% – weiterhin überdurchschnittlich
hoch, die Region durch ihre hohen Leistungsbilanzdefizite stark von externen Kapitalzuflüssen abhängig,
der Privatisierungsprozess bei weitem noch nicht abgeschlossen, und in den Rechtssystemen und Verwaltungsapparaten
gebe es Raum für weitere Verbesserungen. Letztlich bestehe auch im Hinblick auf effizientere Märkte weiterer
Handlungsbedarf bei den Strukturreformen.
Gouverneur Liebscher wies darauf hin, dass die grundsätzlich positive Entwicklung der Region auch mit der
dynamischen Entwicklung des Finanzsektors in engem Zusammenhang stehe. Diese wurde durch weitreichende institutionelle
Reformen, verbesserte Aufsichtssysteme sowie Privatisierungen, an denen nicht zuletzt auch österreichische
Finanzinstitute signifikant beteiligt sind, begünstigt.
So erlebte das Kreditwachstum an den privaten Sektor einen deutlichen Aufschwung. Der Umstand, dass ein substanzieller
Teil der ausstehenden Kredite in Fremdwährung vergeben wurde, erfordere jedoch besondere Aufmerksamkeit seitens
der involvierten Banken und Aufsichtsbehörden.
Gouverneur Liebscher ging auch auf den weiteren monetären Integrationsprozess der Region ein. Er stellte klar,
dass die Maastricht-Konvergenz-Kriterien auf die neuen EU-Mitgliedstaaten in gleicher Weise angewendet werden müssen
wie auf die jetzigen Euroraum-Teilnehmer. Denn bei der Erweiterung des Euro-Währungsgebietes dürfe es
keine Abstriche bei der Qualität zu Gunsten der Geschwindigkeit geben. |