"Sorgte für mehr Chancen für mehr Menschen" Dohnal - "Kreisky hat aus
verzopftem Land ein liberales gemacht" - Hochkarätiges Podium anlässlich Buchpräsentation
Wien (sk) - Das "große Reformwerk" in den 1970er-Jahren sei einem "liberalen
und weltoffenen" Bruno Kreisky zu verdanken, der "Österreich in Richtung Modernität und Liberalität
geöffnet hat", betonte Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer bei einer Podiumsdiskussion
zum Thema "Was blieb von der Ära Kreisky?". Nach sieben Jahren schwarz-bunter Regierung setze die
SPÖ einen "politischen und gesellschaftlichen Neuanfang in Österreich, der sich an dem orientiert,
was Kreisky formuliert und umgesetzt hat: In der Zeit, wo man politische Verantwortung trägt, gilt es, die
gesellschaftlichen Verhältnisse so zu verbessern, dass mehr Menschen mehr Chancen in unserem Land haben",
so Gusenbauer. Bruno Kreisky habe aus einem "besonders verzopften und provinziellen Land ein liberales Land
gemacht", hob Frauenministerin a.D. Johanna Dohnal in Würdigung der Leistungen des "Ermöglichers"
Kreisky hervor.
Das große Reformwerk, dass Kreisky in den 70-er Jahren umgesetzt habe, sei auch Ergebnis einer "breiten
Einbeziehung" maßgeblicher Kräfte (Sozialpartnerschaft, bürgerliches Lager) gewesen, so Gusenbauer,
der unterstrich, dass Kreisky so eine "echte Modernisierungs-Mehrheitsfähigkeit" erreichen konnte.
Ein bestimmendes Element des Denkens von Bruno Kreisky sei der "Zusammenhang zwischen klassischer Sozialdemokratie
und gesellschaftspolitischem Liberalismus" gewesen, so Gusenbauer, der es auch als seine "Grundüberzeugung"
bezeichnete, sich "mit einer Mischung aus guten Traditionen der Sozialdemokratie und guten Traditionen des
Liberalismus kreativ mit den Fragen der Zeit auseinanderzusetzen".
Durch intensive Diskussion in der SPÖ habe Kreisky weiters "maßgeblich zur politischen und ideologischen
Öffnung der Partei" beigetragen, so Gusenbauer, der klarmachte, dass Kreisky aufgrund seiner Lebenserfahrungen
"mit allen Mitteln versuchte, das Wiederaufkommen jener Gefahren zu verhindern, die damals zum Scheitern der
Demokratie geführt haben". Nach dem Erleben der "sozialen und politischen Verwerfungen" als
Resultat aus der Massenarbeitslosigkeit in den 30er-Jahren sei für Kreisky klar gewesen, dass der "Kampf
gegen die Arbeitslosigkeit absolute Priorität hat". Daneben "wollte Kreisky die politische Spaltung
überwinden" - in der tiefen Überzeugung, dass die "gelebte Feindschaft in der Zwischenkriegszeit
auch dazu geführt hat, dass Österreich ein leichtes Opfer des Hitler-Faschismus wurde". Bei vielen
Versammlungen habe Kreisky den "Kernsatz" geäußert: "Der Faschismus beginnt als Krieg
in einem Volk und wird dann zu einem Krieg zwischen den Völkern".
Als eine der "großen Leidenschaften" Kreiskys bezeichnete Gusenbauer die Europa- und Außenpolitik.
So sei Kreisky "einer der wesentlichsten Entspannungspolitikers Europas" gewesen und "einer der
Ko-Autoren der Helsinki-Schlussakte", die eine "wesentliche Etappe zum Fall des Eisernen Vorhangs"
darstelle. Aber auch bezüglich seiner Nahost-Politik könnten Kreiskys Verdienste gar nicht genug betont
werden: "Man hätte sich viel ersparen können, wenn man einige der Grund-Erkenntnisse Kreiskys schon
früher befolgt hätte." Vieles von dem, was Kreisky formuliert habe, sei später in einer "verwässerten
Form" durchgeführt worden - bisweilen "leider zu spät", so Gusenbauer bei der hochkarätig
besetzten Podiumsdiskussion, an der unter Leitung von Alfred Reiter (Bruno Kreisky Forum für internationalen
Dialog) weiters teilnahmen: Josef Taus (Unternehmer), Oliver Rathkolb (wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Bruno
Kreisky Forum und Herausgeber des Buches "Bruno Kreisky: Erinnerungen") sowie Margit Schmidt (ehemalige
Mitarbeiterin von Bruno Kreisky). Einleitende Worte sprachen Rudolf Scholten (Präsident des Bruno Kreisky-Forums)
sowie Gerda Schaffelhofer (Geschäftsführung Verlagsgruppe Styria).
Dohnal - Kreisky war "Schutzschild und Ermöglicher"
Hinsichtlich vieler von der SPÖ umgesetzter Reformen - im Familien- und Strafrecht, im Schul- und
Universitätsbereich - habe Kreisky als "Schutzschild und Ermöglicher" fungiert, betonte Dohnal.
Kreisky habe den Begriff Reformen immer so verstanden, dass es gelte, "die Lebenssituation und die Chancen
der Menschen zu verbessern", so Dohnal, die erläuterte, dass das Wort Reform während der schwarz-bunten
Regierung eine negative Umdeutung erfahren habe. Dass es unter Bildungsministerin Claudia Schmied nun erstmals
möglich sei, Schulreformen in Richtung Gemeinsame Schule umzusetzen, "würde Bruno Kreisky sicher
sehr zufrieden machen", so Dohnal, die festhielt, dass Kreisky nicht nur die offene Partei propagiert habe,
sondern "stets den Dialog gesucht hat" - mit Befürwortern ebenso wie mit "Kritikern und Skeptikern".
Margit Schmidt - von 1965 bis 1990 enge Mitarbeiterin Kreiskys - unterstrich das "große soziale Engagement"
Kreiskys: "Das Wichtigste waren ihm immer die Menschen". Oliver Rathkolb betonte, dass Bruno Kreisky
zu den "großen Identitätsbauern der II. Republik" gehöre. Er habe einen "einfachen
und positiven Patriotismus entwickelt, der im europäischen Kontext eingebaut war".
Das Buch "Bruno Kreisky: Erinnerungen. Das Vermächtnis des Jahrhundertpolitikers" (Hrsg.: Oliver
Rathkolb) ist im Grazer Styria Verlag erhältlich. |