Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart vom 15. Mai 2007 bis 22. Juni 2007 im Ringturm
Wien (wiener städtische) - Das architektonische Erbe Rumäniens mit seinem regionalen Charakter,
seiner Originalität und gleichzeitig seiner Ähnlichkeit mit anderen Architekturen ist Teil der Verschiedenartigkeit
und des Reichtums der europäischen Kultur. Rumänien ist durch seine geographische Lage Schnittpunkt und
Brücke zwischen westlichen und östlichen Kulturen. Durch den Beitritt zur Europäischen Union Anfang
dieses Jahres erlangt auch die Kultur dieses Landes besondere Aktualität; ein Blick auf die Architektur will
bislang Unbekanntes vermitteln und erschließen.
Die Geschichte der Baukunst Rumäniens beginnt mit dem anonymen Bauen. Insbesondere die berühmten Holzkirchen
und Holzhäuser sind das Ergebnis einer langen Entwicklung und einer stetigen Perfektionierung der Formen und
Proportionen. Deren Bedeutung als Quelle der Inspiration wurde insbesondere von Le Corbusier, auf einer seiner
Reisen in den Orient 1911 wahrgenommen.
Die historischen Provinzen, die das heutige Rumänien bilden - Moldau und Walachei sowie Siebenbürgen
mit dem Banat und der Bukowina - hatten bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts unterschiedliche kulturelle Entwicklungen
hinter sich, woraus sich eine Komplexität der rumänischen Architektur erklärt.
Siebenbürgen, das Banat und die Bukowina, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs
unter der Oberherrschaft des österreichischen Kaiserreichs standen, wurden durch dessen Kultur beeinflusst;
barocke Architektur war hier seit dem 18. Jahrhundert präsent. Die genannte Zugehörigkeit bewirkte eine
Wechselbeziehung der Künste und der Architektur mit den Strömungen der Zeit, insbesondere zur Reichshauptstadt
Wien. Temeschwar, Hauptstadt des Banat, wurde in jener Zeit ‚das kleine Wien' genannt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts
fand eine rasche Erweiterung der Städte statt; der Klassizismus wird zum dominanten Stil.
Bedingt durch die Baudimensionen und den Mangel an gut ausgebildeten einheimischen Architekten wurden ausländische
Architekten ins Land geholt, die auch den Baustil mitbrachten bzw. wurden Landsleute im Geiste des Klassizismus
an westlichen Schulen ausgebildet. Im Gebiet des rumänischen Kernlandes Walachei und Moldau wurde die Romantik
durch Architekten aus Ländern, wo dieser Stil bereits etabliert war, eingeführt. Der in Wien tätige
Architekt Friedrich Schmidt, bekannt für seine zahlreichen Kirchen in vielen Ländern der österreichischen
Monarchie, schuf in Bukarest die Neogotisch-Romantische Kathedrale St. Iosif.
Am Schloss von Peles in Sinaia, einer eigenartigen Mischung von Elementen der Gotik, der Renaissance und des Barock
(Sommerresidenz von König Carol I.) haben 1872-83 der Architekt Wilhelm von Doderer (Vater des berühmten
Schriftstellers) und Johann Schulz gebaut. Siebenbürgen schließt sich kurz vor der Jahrhundertwende
erneut Tendenzen Mitteleuropas an und mit diesen dem Eklektizismus. U.a. baute das Wiener Atelier Helmer und Fellner
die Theater in Temeschwar (1871-75), Iasi (1896), Klausenburg (1904-1906) sowie in Großwardein (Oradea) (1900).
Dieser Stil manifestiert sich weiters - bedingt durch die Zentrumsferne auch merklich verzögert - in den wichtigsten
Städten Siebenbürgens und im Banat: Lászlo Székély (Haus der Wirtschaft und Industrie
in Temeschwar, 1920); Kálmán Rimancóczy (Universität Klausenburg). Der historische Meilenstein
der Vereinigung der rumänischen Fürstentümer im Jahr 1859 war Katalysator für eine nie da gewesene
allgemeine Entwicklung.
Nach dem Sieg im Unabhängigkeitskrieg der rumänischen Fürstentümer gegen das Osmanische Reich
1877, unter dessen Oberherrschaft diese sich seit Jahrhunderten befanden, kam die Kunst und Architektur Rumäniens
in den Einflussbereich der französischen Kultur: insbesondere wurde von französischen Architekten, nach
Bukarest gerufen, gebaut. Als Hauptstadt des neuen unabhängigen Landes stand die Stadt unter starkem Modernisierungsdruck;
bedeutende Veränderungen, wie etwa der Bau von großen Boulevards in der Nord-Süd und Ost-West-Achse
(städtebauliche Maßnahmen nach dem Vorbild von Haussmann in Paris), wurden durchgeführt.
In der um die Jahrhundertwende europaweit zu beobachtenden "Jugendstilwelle" gab der ‚Geist des Ortes'
auch der neuen Architektur ihre Form. Die Architektur wurde zum Emblème der nationalen Idee und Identität.
In Siebenbürgen, der Bukowina und dem Banat gab es massive Einflüsse des Wiener Secessionsstils, gleichermaßen
in Arbeiten von Baukünstlern aus dem Kaiserreich wie auch durch lokale Vertreter. Als Entdeckung können
zwei Bauwerke gelten, die Otto Wagner zugeschrieben werden (Wohnhäuser in Temeschwar bzw. Sibiu).
Zwischenkriegszeit
Ab der Mitte der 20er Jahre sind bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in ganz Rumänien eine Fülle
erstklassiger moderner Gebäude entstanden, die bis heute das Stadtbild in Bukarest prägen.
Zumindest zwei Architekten sollten in keinem Lexikon und keiner Geschichte der Architektur der Moderne fehlen.
Einer ist Marcel Iancu: er war zwar als Maler und Mitglied des Züricher Dadaisten-Kreises bekannt, seine architektonische
Produktion war allerdings bislang wenig beachtet geblieben. Nach der Rückkehr aus Zürich wandte er sich
der Architektur zu und errichtete 1926 den ersten modernen Bau in Rumänien. Im Entwurf für die Villa
Juster (1931) haben auch seine frühen avantgardistischen Plastiken erkennbare Spuren hinterlassen. Bis zum
Zweiten Weltkrieg konnte Iancu, der beim Bauen eine Verbindung mit der bildenden Kunst suchte, 40 eigenständige
(und zum Teil auch sehr eigenwillige) Bauten realisieren. Der zweite wäre Horia Creanga, der den Anspruch
erhob, die moderne Formensprache in Einklang mit ländlicher Bautradition und Volkskunst Rumäniens zu
bringen. In seiner Industriearchitektur hat er für Rumänien ähnliche Bedeutung wie Peter Behrens
für den deutschen Industriebau. Während einer langen Zusammenarbeit mit Nicolae Malaxa, dem "Krupp
Rumäniens", entstanden eine Reihe herausragender Verwaltungs- und Produktionsbauten.
Über das Werk von Iancu und Creanga hinaus eröffnet sich beim Blick auf Bukarest eine Vielfalt weiterer
Bauten: vom modernen Boulevard mit Kinos und Banken (ARO-Palast) bis zum schwungvollen Verwaltungsgebäude
(z.B. Magheru-Boulevard). Die Entwicklung nach 1933 spiegelt die sich über ganz Europa ausbreitenden Phänomene
des Nationalismus wider, die nicht zuletzt in der Schwere der "offiziellen" Architektur zu spüren
sind und schlußendlich in das Chaos des 2. Weltkriegs mündeten und damit das Ende der Moderne bedeuteten.
Mit der von der sowjetischen Besatzung aufgezwungenen Einführung des kommunistischen Regimes fand der enthusiastische,
liberale Modernisierungsprozess, von den Regimen der späten 30er-Jahre und der Kriegszeit schon erschüttert,
ein abruptes Ende. Wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft wurde auch das Bauwesen grundlegend verändert.
Das für eine normale Gesellschaft charakteristische Spiel zwischen privaten und öffentlichen Interessen,
dessen Regeln und Spannungen Architektur und Stadt produzieren, wurde nun endgültig zugunsten der totalen
Planung und der totalen Kontrolle unterbunden. Diese Tatsache muss man berücksichtigen, bevor man über
Typologien oder Baustile spricht. Die neue Ideologie, das große Projekt der Bildung einer neuen Gesellschaft
und das totalitäre politische System setzten eine Planwirtschaft voraus, in der der Staat zum alleinigen Entwerfer,
Gesetzgeber, Investor und Ausführenden wurde. Schwankende Intensität (starker Druck im Wechsel mit relativer
Liberalisierung) prägt die ganze Periode und spiegelt die Pendelbewegung des Systems wider.
Architekten wurden von freischaffenden Individuen zu Angestellten in riesigen Projektinstituten; Diskurs und Praxis
konnten sich nur begrenzt in dem von der Ideologie und der Autorität zugelassenen Freiraum bewegen. Dies betrifft
alle Lebensbereiche. In allen Ostblockländern bewirkte die Mitte der 50er-Jahre begonnene Ent-Stalinisierung
in der Architektur und im Städtebau Veränderungen. Durch die lange Bauzeit reagierten aber die Baubereiche
langsamer als z.B. die Literatur. Im Fall Rumäniens drückte sich diese Trägheit weniger im Überleben
eines puren sozialistischen Realismus, als im Übergang (in einer Transition) zwischen diesem Stil und der
Wiedergeburt der Moderne aus.
In den späten 80er-Jahren setzte sich eine Art monumentale Postmoderne durch, die sich nur stilistisch an
den europäischen Beispielen anlehnte. Das Großprojekt, das vorherige Entwicklungen zusammenführt
und auf ein wahrlich wahnsinninges Niveau bringt, ist das so genannte "Bürgerzentrum von Bukarest":
das riesige "Haus des Volkes" mit einer fünf Kilometer langen Achse, beides brutal in die Stadt
gesetzt. Zwei Fünftel des historischen Stadtzentrums, unzählige Baudenkmäler wurden dem Erdboden
gleichgemacht.
Ende 1989 war das monströse Werk noch nicht beendet, dafür aber das Durchhaltevermögen der Bevölkerung
gegenüber der sich fortwährend verschlimmernden Lage. Die Revolution im Dezember setzte dem Regime ein
Ende, und damit auch dem Zerstörungs- und Bauprogramm, noch bevor es abgeschlossen werden konnte.
1990 - 2006 Freiheit und Fragmente
Reform oder Liberalisierung waren verbotene Worte in den rumänischen 80er-Jahren. Deshalb führte der
plötzliche und blutige Fall des Regimes im Dezember 1989 zu einer Explosion von Energien, zu einer Wiedergeburt
der privaten Initiative. Gewiss, die Spuren der vergangenen Epoche sind überall zu bemerken: in den Monostrukturen
der Wohngebiete, den brachen Industrielandschaften, dem Größenwahnsinn der Ceausescu-Bauten, den Wunden
der Städte und Dörfer, und auch in den Mentalitäten. Aber die territoriale Wirklichkeit von heute
ist in ihrem Entfalten das genaue Gegenteil der vorigen Periode. Anstelle der totalen Vorherrschaft des Staates
bemerken wir eine fast komplett freie Entwicklung, die bisher keine Art von Behörde oder Planung wirklich
zu kontrollieren schafft. "Alle gleich", der eigentlich nie funktionierende Mythos des Realsozialismus
scheint vom Losungswort "jeder für sich" abgelöst zu sein. |