Hauptausschuss erstattet Gesamtvorschlag mit S-V-G-Mehrheit
Wien (pk) - Die Abgeordneten Maria Theresia Fekter und Terezija Stoisits sollen neue Volksanwältinnen
werden, Peter Kostelka soll seine Funktion auch in der kommenden Periode weiter ausüben. Darauf einigten sich
die Mitglieder des Hauptausschusses am 22.05. mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ, die ihrerseits den derzeitigen
Volksanwalt Hilmar Kabas nominiert hatte, und des BZÖ.
Die FPÖ wiederholte ihren Standpunkt, dass laut Art. 148g Abs. 2 B-VG sowohl Grünen als auch der FPÖ
ein Nominierungsrecht zustehe, da beide über die gleiche Mandatszahl im Nationalrat verfügen. Der vom
Hauptausschuss zu erstellende Gesamtvorschlag habe daher sowohl einen Vorschlag der Grünen als auch einen
der FPÖ aufzunehmen. Die Stimmenstärke heranzuziehen bezeichneten Klubobmann Heinz-Christian Strache
sowie Abgeordneter Peter Fichtenbauer als verfassungswidrig. Die Wahl von drei Mitgliedern der Volksanwaltschaft
obliege dem Plenum des Nationalrats aufgrund des Gesamtvorschlags des Hauptausschusses. Der Präsidentin stehe
es nicht zu, dem Nationalrat diese Wahlkompetenz zu entziehen, betonten sie.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer stellte dazu fest, dass es eine Gesetzeslücke gebe und unterschiedliche
Interpretationen vorliegen. Auch die zahlreichen Gutachten zu dieser Frage lägen oft weit auseinander. Ihre
Intention sei es gewesen, den Minderheitenschutz, den die Verfassungsbestimmung des Art. 148g B-VG vorsieht, zu
wahren und sich nach der parlamentarischen Praxis zu richten. Sie sei daher insbesondere dem Rechtsgutachten des
Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes gefolgt, das auch von anderen Gutachten gestützt werde, und habe
bei gleicher Mandatszahl auf die Stimmenstärke abgestellt. Daher weise sie die Nominierung der FPÖ zurück.
Diese Auffassung wurde seitens der SPÖ mit dem Hinweis unterstützt, dass die Entscheidung der Nationalratspräsidentin
dem Geist des Gesetzgebers entspreche. Der Wähler habe definitiv entschieden, wer drittstärkste Partei
ist, sagte Klubobmann Josef Cap.
Auch die Grünen bewerteten die Vorgangsweise von Präsidentin Prammer als korrekt. Klubobmann Alexander
Van der Bellen führte in Bezug auf die geltenden Bestimmungen vor allem ins Treffen, dass der Verfassungsgesetzgeber
damit einen Minderheitenschutz eingebaut habe. Die Mehrheit könne dadurch nicht über den Vorschlag einer
Minderheit abstimmen.
Der von der ÖVP unterbreitete Vorschlag einer Halbzeitlösung, beziehungsweise die Installierung von vier
VolksanwältInnen fand nicht die Unterstützung der anderen Fraktionen. Auch der Appell von ÖVP-Klubobmann
Wolfgang Schüssel, noch rasch eine Gesetzesänderung herbeizuführen und dann aufgrund der neuen Bestimmungen
einen Vorschlag zu erstellen, fand keine ausreichende Unterstützung, da eine Lösung, die die Zustimmung
aller finde, in der derzeitigen Situation nicht absehbar sei. Eine Vertagung mache daher, wie der Zweite Präsident
des Nationalrats, Michael Spindelegger, feststellte, keinen Sinn. Er unterstrich auch das Recht der Nationalratspräsidentin,
eine Entscheidung über das Nominierungsrecht zu treffen.
Seitens des BZÖ betonte Klubobmann Peter Westenthaler, der Hauptausschuss sollte über zwei Dreiervorschläge
abstimmen. Ein Recht der Präsidentin, über das Nominierungsrecht zu entscheiden, sah er nicht.
Der von der FPÖ eingebrachte Antrag auf Vertagung wurde von ÖVP, SPÖ und Grünen gegen die Stimmen
von FPÖ und BZÖ abgelehnt.
Die Debatte im einzelnen
Die Debatte im Hauptausschuss über die Entscheidung der Nationalratspräsidentin, die Nominierung
durch die FPÖ nicht zuzulassen, beleuchtete weitreichende Aspekte der Interpretationsmöglichkeiten der
Verfassungsbestimmung über die Bestellung der VolksanwältInnen.
FPÖ wirft Prammer Verfassungsbruch vor
Klubobmann Heinz-Christian Strache warf NR-Präsidentin Barbara Prammer Verfassungsbruch vor, da sie
seiner Meinung nach keine Rechtsgrundlage habe, das Nominierungsrecht der FPÖ zurückzuweisen. Das Bundesverfassungsgesetz
stelle auf die Mandatsstärke ab, und daher habe der Nationalrat zu entscheiden und nicht die Präsidentin.
Strache vertrat daher die Auffassung, die von der Präsidentin vorgeschlagene Vorgangsweise sei rechtlich nicht
gedeckt. Sie führe damit zu einer Nichtigkeit des Parlamentsbeschlusses, was nicht im Sinne des Rechtsstaates
liegen könne. Es zähle das Wahlergebnis, und das habe der FPÖ 21 Mandate gebracht. Der Hauptausschuss
habe daher per Wahl einen Gesamtvorschlag zu erstellen.
Abgeordneter Peter Fichtenbauer hielt es für bedenklich, dass der Verfassungsdienst als eine Dienststelle
des Bundes eine Anleitung zu verfassungswidrigem Vorgehen lanciere, und dessen Rechtsmeinung vom Parlament zur
"Bibel" erhoben werde. Die monokratische Entscheidung, das Nominierungsrecht einer Fraktion zu verhindern,
entspreche weder dem Legitimitätsprinzip noch dem Art. 148g noch der Geschäftsordnung des Nationalrates.
Man verhindere damit das Wahlrecht des Nationalrats. Er, Fichtenbauer, sehe keine Gesetzeslücke, da der Wortsinn
des Art. 148g B-VG eindeutig sei. Die Lücke bestehe einzig und allein darin, dass nicht geklärt ist,
welche verfahrensrechtliche Methode anzuwenden ist, wenn zwei Parteien über die gleiche Anzahl von Mandaten
verfügen. Es stehe nirgendwo, dass der Gesamtvorschlag nur drei Personen enthalten dürfe.
Auch Abgeordneter Robert Aspöck vertrat die Auffassung, dass Präsidentin Prammer als Vorsitzende des
Hauptausschusses kein Recht habe, über die Zulassung von Nominierungen zu entscheiden. Offensichtlich wollte
der Gesetzgeber nicht auf die Stimmenstärke abstellen, sondern auf die Mandatszahlen, so Aspöck, und
verwies auf die Regierungsvorlage 131 d.B. aus der XIII. Gesetzgebungsperiode, auf die sich auch das Gutachten
des Verfassungsdienstes berufe. Die Wahlarithmetik könnte es auch mit sich bringen, dass mehr Stimmen nicht
unbedingt zu mehr Mandaten führen, fügte er hinzu.
SPÖ: Die Entscheidung Prammers entspricht dem Geist des Gesetzgebers
Die Rechtsmeinung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wurde seitens der SPÖ vollinhaltlich unterstützt.
Das Rechtsgutachten des Verfassungsdienstes sei eindeutig und entspreche dem Geist des Gesetzgebers, sagte Klubobmann
Josef Cap. Der Wähler habe definitiv entschieden, wer drittstärkste Partei ist, und erst das arithmetische
Verfahren der Mandatszuteilung habe zu einem Gleichstand geführt. Die Grundidee des Gesamtvorschlags sei ein
Minderheitenschutz und dieser sei hoch zu bewerten.
Abgeordneter Caspar Einem bekräftigte diese Auffassung und meinte, der Sinn der Bestimmung lege die Interpretation
nahe, bei Mandatsgleichheit auf die Anzahl der Stimmen zu gehen. Bei der damaligen Beschlussfassung in der XIII.
Gesetzgebungsperiode seien im Nationalrat nur drei Parteien vertreten gewesen. Man wollte damals sicherstellen,
dass auch die FPÖ das Recht hat, einen Volksanwalt zu stellen. Es gehe daher bei der aktuellen Diskussion
nicht darum, für oder gegen jemanden zu sein, sondern den Art. 148g B-VG sinngemäß zu erfüllen.
Abgeordneter Erwin Niederwieser verteidigte ebenfalls die Entscheidung der Nationalratspräsidentin und spielte
dann auf die Stellung des Abgeordneten Ewald Stadler an. Rein moralisch, so Niederwieser, verfüge die FPÖ
nur mehr über 20 Abgeordnete.
Grüne: Vorgangsweise von Präsidentin Prammer ist korrekt
Als korrekt bezeichnete Klubobmann Alexander von der Bellen das Vorgehen der Nationalratspräsidentin. Wenn
man sich die Geschichte der Bestimmung ansehe, komme man zum Schluss, auf die Stimmenstärke abzustellen und
die Vorlage eines Gesamtvorschlags als richtig zu erachten. Denn damit würden nicht nur Minderheitenrechte
einer Partei geschützt sondern es mache auch die Bestellung jener Personen möglich, die für etwas
eintreten, was sie richtig finden, jedoch nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung entspricht. Dennoch liege eine Gesetzeslücke
vor, und daher sei nach dem Willen des Gesetzgebers zu entscheiden. Nachdem das Gesetz auf das objektive Kriterium
der Mandate abstelle, müsse man sich nun auf das nächste objektive Kriterium der Stimmenstärke berufen.
ÖVP für baldige Gesetzesänderung
Klubobmann Wolfgang Schüssel warnte zunächst davor, Vorwürfe wie Verfassungsbruch und Gesetzesbruch
zu erheben. Er erinnerte daran, dass die Grünen im Jahr 2001 einen Antrag eingebracht haben, der das Nominierungsrecht
jeder Partei vorsah. Er halte jedoch die Erstellung eines Gesamtvorschlags prinzipiell für richtig, da es
der Mehrheit nicht zustehen dürfe, zu bestimmen, wer nominiert werden soll und wer nicht. Man stehe aber derzeit
vor einem echten verfassungsrechtlichen Problem, stellte Schüssel fest. Das Gutachten des Verfassungsdienstes
sei zwar in seiner Argumentation gut, es treffe jedoch nicht voll den implizierten Willen des Gesetzgebers, zumal
jede Entscheidung, die eine Fraktion vom Nominierungsrecht ausschließt, ein Problem per se mit sich bringe.
Er appelliere daher, als Verfassungsgesetzgeber zu versuchen, bis zum 5. Juni eine Gesetzesänderung herbeizuführen,
die entweder eine Halbzeitlösung oder die Möglichkeit von vier VolksanwältInnen vorsieht und die
Erstellung eines Gesamtvorschlags eventuell zu vertagen. Die neuen VolksanwältInnen könne man dann noch
rechtzeitig bestellen.
Darauf reagierten die anderen Fraktionen. Klubobmann Peter Westenthaler meinte dazu, vier VolksanwältInnen
seien im Hinblick auf den sparsamen Umgang mit Steuergeldern nicht argumentierbar. Eine Halbzeitlösung fand
er jedoch interessant. Abgeordneter Heinz-Christian Strache teilte diese Auffassung, worauf sein Klubkollege Peter
Fichtenbauer den Antrag stellte, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, um Zeit für eine Gesetzesänderung
zu gewinnen. Er schlug vor, dass bei Mandatsgleichstand beide Fraktionen nominierungsberechtigt sein sollten und
man in diesem Fall eine Halbzeitlösung ins Auge fassen müsste.
Sowohl SP-Klubobmann Josef Cap als auch Abgeordneter Erwin Niederwieser sprachen sich gegen eine Halbzeitlösung
aus. Cap meinte auch, dass eine Gesetzesnovellierung noch vor dem Sommer angesichts der divergierenden Meinungen
nicht realistisch sei. Wahrscheinlich werde man nach der Bestellung der neuen VolksanwältInnen in einer weniger
spannungsgeladenen Atmosphäre leichter einen Konsens finden. Ähnlich äußerte sich Klubobmann
Van der Bellen. Eine Halbzeitlösung bereits jetzt anzustreben, hielt er für verfassungswidrig. Außerdem
erinnerte er daran, dass SPÖ, ÖVP und Grüne in der Präsidiale der Vorgangsweise der Präsidentin
zugestimmt haben.
Darauf hin stellte der Zweite Präsident des Nationalrats in einer Zusammenfassung fest, dass bei Mandatsgleichheit
eine Gesetzeslücke bestehe und die unterschiedlichen Argumentationen in den Gutachten etwas für sich
haben. Auch er betonte die Wichtigkeit des Minderheitenschutzes durch den Gesamtvorschlag, weshalb er sich dagegen
aussprach, mit Mehrheit über zwei Gesamtvorschläge abzustimmen. Daher halte er es für notwendig,
dass der Verfassungsgesetzgeber selbst eine Interpretation durch Gesetzesänderung vornimmt. Eine Vertagung
mache nur Sinn, wenn sich eine bestimmte Richtung dieser Änderungen abzeichne, aber diese sehe er momentan
nicht, sagte Spndelegger. Er meine daher, eine Entscheidung sei im heutigen Hauptausschuss zu treffen, und auch
die Präsidentin habe das Recht, über das Nominierungsrecht zu befinden. |