Molterer: Europa kann nach außen nur stark sein, wenn es innerlich gestärkt wird
"Ja" von 18 EU-Mitgliedsstaaten zur EU-Verfassung nicht weniger wichtig ist als
das "Nein" von zwei Staaten
Krems (övp-pd) - "Europa kann nach außen nur stark sein, wenn es innerlich gestärkt
wird. Nur ein starkes Europa kann eine Antwort auf die Sorgen, Wünsche und Sehnsüchte der Menschen geben",
so ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer im Rahmen des Europa-Forums Wachau im Stift Göttweig.
Als eine Säule der inneren Stärke sprach Molterer den EU-Verfassungsvertrag an und wünschte seinem
Vorredner, dem portugiesischem Ministerpräsidenten und "Europäer durch und durch", José
Sócrates, alles Gute und viel Erfolg für die ambitionierten Vorhaben während der portugiesischen
EU-Ratspräsidentschaft.
Zu Beginn seiner Rede ging Molterer auf die EU-Kritik ein: "Häufig werden Entscheidungen in Europa als
undemokratisch verurteilt oder die Entscheidungsgremien werden als nicht ausreichend demokratisch legitimiert verurteilt,
weil die Kritiker andere Entscheidungen wollen", so Molterer. "Wir müssen uns offen dieser Diskussion
stellen und auf diese Kritik eingehen. Denn diese Argumentation wird leider allzu häufig geführt, wenn
es um die Untermauerung partikularer Interessen sowie die Differenz zwischen europäischen und nationalen Interessen
geht", sagte Molterer.
"Wir sollten offen zugeben und respektieren, dass es eine Distanz zwischen dem institutionellen Europa und
den Bürgerinnen und Bürgern gibt. Das Leugnen dieser Distanz wäre ein großer Fehler",
so der Vizekanzler. Es sei aber "absurd, für diese Distanz den Verfassungsvertrag verantwortlich zu machen.
Denn im Gegenteil, er ist der Versuch einer Antwort auf diese Distanz." Die Kritik an der jetzigen Vertragslage
sei der Ausgangspunkt der Diskussion gewesen. Daher sei auch das Ziel der Verbesserung der Vertragslage "unverrückbar".
Molterer betonte weiters, dass der Verfassungsvertrag "die bisher transparenteste, umfassendste und öffentlich
am intensivsten geführte Debatte in der Geschichte der EU ist". Er räumte aber ein, "dass diese
Diskussion möglicherweise zu einer Überfrachtung geführt hat - vielleicht haben wir in dieser kurzen
Zeit zu viel gewollt. Für die einen war es zuviel, für die anderen zu wenig."
Die Verfassungs-Diskussion zeige auch, dass die Probleme viel tiefer liegen. "Wahrscheinlich hat die große
Erweiterungsrunde 2004 in einigen Regionen der EU die Identitätsfrage neu gestellt und wir haben sie nicht
ausreichend beantwortet", so Molterer. "Wir haben in Europa eine viel zu introvertierte Form der Diskussion
- im Parlament, im Rat, in der Kommission", sagte der Vizekanzler. Die Bürgerinnen und Bürger würden
sich aber eine andere Form der Diskussion von uns erwarten. "Oft investieren wir viel zu viel Energie in die
Wahrung von nationalen Interessen und in die Frage, ‚Wer hat die Auseinandersetzung gewonnen'. Dabei sollten wir
fragen, ob Europa gewonnen hat. Denn das ist die eigentliche Zukunftsaufgabe."
Die österreichische Regierung unterstütze selbstverständlich alle Bemühungen der deutschen
Präsidentschaft, in der Verfassungsfrage zu einem Ergebnis zu kommen - "denn es ist das bestmöglich
Ergebnis, das wir gemeinsam zustande gebracht haben", so Molterer. Es könne nicht sein, dass das "Ja"
von 18 EU- Mitgliedsstaaten zur EU-Verfassung weniger wichtig ist als das "Nein" von zwei Staaten, die
den Vertrag abgelehnt haben. "In diesem Geist erwarten wir, dass die wesentlichen Elemente des Vertrages in
Zukunft erhalten werden müssen, weil die Substanz des Vertrages die Antwort auf die Sorgen der Bürgerinnen
und Bürger ist", so der Vizekanzler. Beim EU-Gipfel im Juni falle die Entscheidung, "die wir uns
politisch vorgenommen haben, nämlich vor den nächste Europaparlaments-Wahlen 2009 diese Antwort gegeben
zu haben, damit wir gemeinsam auf einer neuen Basis vor die Bürgerinnen und Bürger hintreten können
und sie um ihre europäische Stimme zu bitten."
"Wenn es keine gemeinsame Basis und möglicherweise nur einen verwaschenen Kompromiss gibt, würde
das bedeuten, dass wir die Büchse der Pandora öffnen und eine Diskussion beginnen, deren Ende wir weder
inhaltlich noch zeitlich abschätzen können und wir würden unsere gemeinsames Zeitvorhaben nicht
erreichen", warnte Molterer. Daher werde Österreich alles tun, um die Substanz des Vertrages zu erhalten.
Es könne eine gewisse Flexibilität bei Formalfragen geben - "aber nicht um den Preis, dass die Zukunft
Europas geschwächt wird", stellte Molterer klar.
"Wir brauchen ein starkes Europa", fuhr Molterer fort. Wir müssen die Sorgen im Zusammenhang mit
der Globalisierung auf-, wahr- und ernst nehmen", so der Vizekanzler. Gerade in diesem Zusammenhang habe die
Europäische Union eine Schlüsselaufgabe. "Die Globalisierung ist für Österreich und Europa
eine absolut positive Perspektive. Dennoch gibt es negative Auswirkungen wie Dumping, Monopolentwicklung, Kinderarbeit
etc. "Die EU darf kein Werkzeug der Globalisierung werden, sondern muss stark genug sein, um die Globalisierung
zu gestalten." Dazu müsse Europa auch mit einer Stimme sprechen.
Molterer dankte Sócrates auch für den Schwerpunkt, während der portugiesischen Präsidentschaft
die Themen Afrika sowie das Verhältnis Europas zur arabischen Welt offensiv anzugehen. "Beides sind Schlüsselragen
einer friedlichen und positiven globalen Entwicklung", betonte der ÖVP-Bundesparteiobmann. Er sei überzeugt,
dass wir ein Europa der äußeren Stärke brauchen - dazu müsse es aber auch ein Europa der inneren
Stärke geben. "Nur wenn die EU innere Stärke hat, kann sie äußere Stärke zeigen",
so Molterer. Daher sei es wichtig, die innere Stärke weiterzuentwickeln. Eine zentrale Säule der inneren
Stärke ist die positive Perspektive für Wachstum und Beschäftigung. "Die Lissabon-Agenda ist
entgegen zahlreicher Unkenrufe erfolgreich. Wir müssen aber die Lissabon- Agenda nachschärfen und stärken,
um den Wachstumspfad und die Beschäftigung weiter zu verbessern. "Wir dürfen jetzt nicht die Hände
in den Schoß legen. Gerade jetzt müssen wir die Zusammenarbeit in zentralen Bereichen intensivieren.
Ein starkes Europa ist nur eines, das wächst und den Menschen Arbeit gibt", so Molterer.
Als weitere Säule der inneren Stärke hob Molterer den sozialen Zusammenhalt hervor. "Der soziale
Zusammenhalt einer Gesellschaft ist genau so entscheidend für die innere Stärke wie die wirtschaftliche
Kraft einer Gesellschaft. Auch die Frage der Sicherheit als dritte Säule habe Priorität: "Ein Nutzen
der EU neben Freiheit, Friede und Wohlstand ist die Sicherheit für die Menschen." In diesem Bereich müsse
Europa neue Antworten geben: "Die Immigration braucht eine europäische Antwort. Auf Dauer ist es nicht
denkbar, dass jedes Land seine eigene Strategie geht. Die Asylfrage braucht in der EU eine europäische Antwort."
Dazu müssen die Mitgliedsstaaten aber auch offen genug sein, den europäischen Institutionen die Kompetenz
zu übertragen, dass sie diese Spielregeln wahrnehmen und umsetzen können. "Wir können von Europa
nicht mehr verlangen, als wir ihr an Möglichkeiten geben."
Eine der inneren Stärke der EU betreffe auch die Sicherung der Lebensgrundlagen. Molterer sprach u.a. den
Klimawandel an: "Hier haben wir ehrgeizige Ziele, die wir umsetzen müssen. Unsere Verpflichtung ist,
in der Klimapolitik ökologische Effizienz und die ökonomischen Notwendigkeiten unter einen Hut zubringen."
Weiters sei die Frage der Energieunabhängigkeit einer der Schlüssel für die innere Stärke der
EU.
Abschließend ging Molterer nochmals auf das Thema EU- Verfassungsvertrag ein: "Auch das gehört
zu einer der Kernsäulen der inneren Stärke der EU", so der Vizekanzler. Er appelliere daher an alle
Beteiligten der Diskussion: "Überzeugen wir die Bürgerinnen und Bürger, dass in den Perspektiven
einer neuen Verfassung oder neuen Verträgen die eigentliche Antwort auf die Sorgen der Mensche liegt. Wenn
wir die Verfassungsfrage nicht lösen, sind wir mitverantwortlich, dass die innere Stärke der EU nicht
so ausgestaltet ist, wie wir das wollen", so der Vizekanzler. |
Plassnik: "Mehr Europa, ein besseres Europa, ist nicht
Luxus sondern Notwendigkeit"
Außenministerin Plassnik eröffnet 12. Europa-Forum Wachau
Wien (bmeia) - "Wir leben in Zeiten, in denen sich Vieles sehr rasch verändert. Menschen
brauchen Leitplanken, an denen sie sich orientieren und notfalls auch anhalten können. Mehr als je zuvor brauchen
wir heute eine Politik, die Brücken zwischen den traditionellen europäischen Werten und den Bedürfnissen
unserer modernen Welt schlägt. Eine Politik, die eine zeitgemäße Interpretation und Anwendung des
Europagedankens ist", so skizzierte Außenministerin Plassnik bei der Eröffnung des 12. Europaforums
Wachau zum Thema "Bürgernahes Europa- Von Menschen für Menschen" die Herausforderung an die
Europapolitik.
"Wichtig ist mir daher vor allem genaues Hinhören und ein Eingehen auf die konkreten Erwartungen und
Bedürfnisse der Bürger." Gerade als "Europa der konkreten Bürgerprojekte" habe die
EU viele greifbare Vorteile erzielt: preisgünstige Waren, einen erhöhten Verbraucherschutz, Reise- und
Aufenthaltsfreiheit und grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen. "Europa weiß aber auch, dass
es in seine Zukunft investieren muss - und dabei vor allem in den wertvollsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts: in
die Bildung und die Talente seiner Menschen. Das ist Investition in künftigen Wohlstand und notwendig, um
europäische Wettbewerbsfähigkeit und damit auch unsere Lebensqualität zu wahren."
Als eines der konkreten Erfolgprojekte der EU nannte Plassnik die ländliche Entwicklung. "Bei den letzten
EU-Finanzverhandlungen ist es uns gelungen, dass Österreich auf seine Größe umgelegt mehr EU-Fördermittel
für die erfolgreiche Entwicklung des ländlichen Raumes erhält als jeder andere EU-Staat. Das ist
ein Erfolg, auf den wir stolz sein können. Auf diesen Erfolg werden wir aufbauen. Wenn jährlich rund
30 Millionen Menschen ihren Urlaub in Österreich verbringen, und der Beitrag des Tourismus zur Gesamtwirtschaftsleistung
in unserem Land fast 9 % beträgt, dann hat das sehr viel gerade mit intakten ländlichen Räumen zu
tun", unterstrich die Ministerin. Die Bundesregierung werde sich daher auch in künftigen Finanzverhandlungen
für die Erhaltung und Absicherung eines attraktiven, wirtschaftlich starken ländlichen Raums einsetzen.
"Moderne Europapolitik im Interesse der Bürger bedeutet aber auch ein gezieltes Investieren in unsere
Zukunftsfestigkeit und in die Zukunftsfähigkeit Europas", stellte Plassnik klar. Gerade aber bei Zukunftsthemen,
wie Energiesicherheit, innere Sicherheit, illegale Migration oder Terrorismusbekämpfung stoße die EU
schnell an ihre Grenzen. Bei diesen vergleichsweise neuen europäischen Themen mangle es oft noch an wirksamen
Instrumenten. Österreich stehe daher weiterhin zum Projekt einer substantiellen Vertragsreform. Als besondere
Errungenschaften des EU-Verfassungsentwurfs nannte die Außenministerin dabei unter anderem die Grundrechtscharta,
den Schlüsselbereich der inneren Sicherheit sowie "den Demokratieschub" durch die Stärkung
der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente und durch europäische Bürgerinitiativen. "Mehr Europa,
ein besseres Europa, ist hier nicht Luxus, sondern sachliche Notwendigkeit", unterstrich Plassnik.
Die Außenministerin verwies auch auf die Wiedervereinigung Europas als größte Herausforderung
der gegenwärtigen Generation von Europapolitikern. "Die Donau, wenige hundert Meter von hier, ist seit
Beginn dieses Jahres, seit dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien, fast ein EU-Binnenfluss. Sie ist ein
Symbol für das neue Europa, ein Symbol, das die ältesten Mitgliedstaaten mit den jüngsten - nicht
zuletzt auch mit den zukünftigen verbindet. Für mich ist klar: die Wiedervereinigung unseres Kontinents
kann nicht ohne die Staaten des Westbalkans abgeschlossen sein. Sie alle - jedes einzelne Land - werden ihren Platz
in der EU haben".
Plassnik drückte in diesem Zusammenhang auch ihre Freude über die angekündigte Wiederaufnahme der
Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien aus: "Ich hoffe, dass wir
bis Ende des Jahres ein Vertragsverhältnis mit jedem einzelnen Partner am Balkan haben. Seit gestern schaut
es besser aus, dass wir dieses Ziel auch erreichen werden". |
Pröll: Mit mehr Schwung in die europäische Zukunft
NÖ Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll eröffnete das Europa-Forum Wachau
Göttweig (nlk) - "Ein bürgernahes Europa von Menschen für Menschen" lautet das zentrale
des Europa-Forums Wachau, das dieses Wochende im Stift Göttweig abgehalten wird. Politiker, Experten und Journalisten
aus Österreich, den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie weiteren Mitgliedsländern der europäischen
Union diskutieren dabei über Aufgaben und Ziele eines vereinten Europas.
Vor fünfzig Jahren sei mit den Römischen Verträgen der Grundstein für das erfolgreichste Friedensprojekt
gelegt worden, meinte Landesrätin Mag. Johanna Mikl-Leitner. Dieses einzigartige Gemeinschaftsprojekt habe
seither zu mehr Frieden, Sicherheit und Wohlstand beigetragen. Auch nach 50 Jahren und in einer völlig gewandelten
Welt wirke das europäische Gemeinschaftswerk positiv in die Zukunft fort. Die europäische Union sei mittlerweile
ein unverwechselbares Modellprojekt, das fast eine halbe Milliarde Menschen unter Achtung aller Unterschiede verbindet.
Zur Bilanz der österreichischen EU-Mitgliedschaft sagte Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, dass diese Niederösterreich
sehr viel Positives gebracht habe. So sei beispielsweise die niederösterreichische Wirtschaft im letzten Jahr
um 3,8 Prozent gewachsen. In den beiden anderen Bundesländern der Ostregion, Burgenland und Wien, seien es
nur 2,6 bzw. 2,2 Prozent gewesen. Getragen werde diese überdurchschnittlich starke ökonomische Entwicklung
vor allem durch den hohen Grad der Internationalisierung der heimischen Wirtschaft. Mittlerweile sei Niederösterreich
mit einem Außenhandelsanteil von 25 % überproportional stark mit den neuen EU-Nachbarnländern verknüpft.
Österreichweit liege dieser Anteil bei nur 16 Prozent.
Gleichzeitig erscheine, so Pröll weiter, Europa in der Öffentlichkeit immer gegensätzlicher und
widersüprüchlicher: Der weiteren europäischen Einigung fehle auf dem Weg in die Zukunft der notwendige
Schwung. Der Wohlstand in Europa werde zwar immer größer, gleichzeitig gebe es aber ein Defizit im Bereich
des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung oder beim sozialen Ausgleich, so Pröll. Europa müsse
bei diesen Themenbereichen die Lösung und nicht die Ursache der neuen Herausforderungen sein.
In diesem Zusammenhang verlangte der Landeshauptmann zur Gewährleistung der bestmöglichen Sicherheit
im Landesinneren bessere Sicherheitsstandards bei einer Vergrößerung des EU-Schengenraumes an den Ostgrenzen
von Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Schließlich müsse Schengen ein Mehr an Sicherheit bringen.
Prominenteste Gäste beim Europa-Form Wachau waren heuer Dipl.-Ing. Jose Socrates, Ministerpräsident der
portugiesischen Republik, Prof. Dr. Danuta Hübner, EU-Kommissarin für Regionalpolitik, Dr. Kinga Göncz,
Außenministerin der Republik Ungarn sowie Prof. Paul Lendvai, Kommentator und Konsulent für internationale
Kontakte. |