Wien (bgf) - "Nach Analyse der vom der Hauptverband vorgeschlagenen Umsetzungsvariante zur Deckelung
der Rezeptgebühren haben wir festgestellt, dass dieses Modell auf Grund mangelnder Datenaktualität nicht
praktikabel und umsetzbar erscheint", so Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky am 01.06. in Ergänzung
zu ihrem Interview in der heutigen Ausgabe der Tageszeitung "Die Presse". "Als zuständige Ressortministerin
habe ich nun die Initiative ergriffen und einen eigenen Vorschlag auf den Tisch gelegt." Das von Kdolsky präsentierte
Modell knüpft an die seit 2003 bestehende Leistungsinformation der Krankenkassen an die Versicherten an und
nutzt dadurch ein bereits bestehendes System.
Das "Kdolsky-Modell" sieht im Detail wie folgt aus:
- Personen, die bereits jetzt rezeptgebührenbefreit sind, bleiben es auch weiterhin. An der geltenden Regelung
wird nichts geändert.
- Darüber hinaus soll es für chronisch Kranke mit niedrigem Einkommen, die jedoch nach geltender Rechtslage
von den Rezeptgebühren nicht befreit sind, entsprechend dem Regierungsprogramm eine Entlastung geben, wenn
die bezahlten Rezeptgebühren mehr als zwei Prozent des Einkommens des Versicherten ausmachen.
- Von Juni bis Oktober werden an die Versicherten die sog. Leistungsinformationsblätter verschickt, die
die Aufwände des vorangegangenen Kalenderjahres in den Bereichen ärztliche Hilfe, Heilmittel und Anstaltspflege
versichertenbezogen ausweisen. Bis zum Juni sollen die auf dem Rezeptgebührenkonto aufgebuchten Rezeptgebühren
mit der Einkommensgrenze von zwei Prozent des Versicherten verglichen werden. Der Überschreitungsbetrag an
zuviel bezahlten Rezeptgebühren wird im Leistungsinformationsblatt dem Versicherten als Gutschrift bekannt
gegeben. Der Versicherte kann den ausgewiesenen Betrag unter Bekanntgabe seiner Kontonummer bei seinem zuständigen
Krankenversicherungsträger zurückfordern.
- Um Kleinstanweisungen von z.B. ein bis zwei Euro und den damit verbundenen unverhältnismäßigen
administrativen Aufwand zu vermeiden, soll ein Sockelbetrag eingeführt werden. Erst wenn die zuviel bezahlten
Rezeptgebühren diesen übersteigen, ist eine Rückforderung möglich. Damit der Versicherte aber
nichts verliert, werden Überschreitungsbeträge unterhalb des Sockelbetrages ins Folgejahr übertragen
und können dann zusammen mit dem Überschreitungsbetrages des Folgejahres rückgefordert werden.
Durch das "Kdolsky-Modell" ergeben sich gegenüber dem Modell des Hauptverbandes folgende Vorteile:
- Allfällige Streitereien bei den Ärzten oder in den Apotheken werden vermieden, da die Datenverzögerung
über die bereits bezahlten Rezeptgebühren keine Rolle mehr spielt.
- Das Problem der Ungleichbehandlung der Personengruppen wegen der mangelnden Datenaktualität über
die Jahresbeitragsgrundlagen wird dadurch entschärft, dass das erste Leistungsinformationsblatt im Juni verschickt
wird, wo die Jahresbeitragsgrundlagen des vorangegangenen Jahres bereits überwiegend bekannt sind.
- Änderungen in den Versicherungsverläufen während des Kalenderjahres können sauber erfasst
werden, wodurch die im Hauptverbands-Modell auftretenden Fälle von möglicherweise zu Unrecht bestehenden
Rezeptgebührenbefreiungen vermieden werden.
Zum Modell des Hauptverbandes hat Gesundheitsministerin Kdolsky folgende Bedenken:
- Wie der Hauptverband selbst zugibt, liegen die Daten über die bezahlten Rezeptgebühren erst mit einer
zeitlichen Verzögerung von zwei Monaten (bei Abgabe durch Apotheken) bzw. vier Monaten (bei Abgabe durch hausapothekenführende
Ärzte) vor. Dadurch kann es dazu kommen, dass von Versicherten Rezeptgebühren verlangt werden, die gar
nicht mehr zu leisten wären, da die Grenze von zwei Prozent des Einkommens bereits überschritten, aber
durch die Verzögerung der Datenmeldung noch nicht ersichtlich ist.
- Im Modell des Hauptverbandes werden bei aktiv Erwerbstätigen die sog. Jahresbeitragsgrundlagen zur Ermittlung
der Einkommensgrenze herangezogen. Diese sind dem Hauptverband jedoch erst im Mai/Juni des Folgejahres bekannt.
Davor muss auf die Jahresbeitragsgrundlagen des zweitvorangegangenen Jahres zurückgegriffen werden. Hier besteht
demnach wiederum ein Problem der Datenaktualität, das dazu führt, dass Nachberechnungen notwendig werden.
Bei Leistungsbeziehern (z.B. Pensionisten oder Arbeitslosengeldbeziehern) kennt der Hauptverband hingegen die aktuellen
Daten, wodurch es zu einer Ungleichbehandlung der Personengruppen kommt.
- Bei veränderten Versicherungsverläufen während eines Kalenderjahres kann es im Modell des Hauptverbandes
ebenfalls zu Unschärfen kommen. Wenn z.B. ein Arbeitslosengeldbezieher zunächst wegen Überschreitung
der Einkommensgrenze von den Rezeptgebühren befreit wird, später im selben Kalenderjahr aber eine berufliche
Tätigkeit aufnimmt, bliebe die Rezeptgebührenbefreiung trotz veränderter Einkommensverhältnisse
erhalten. Aus dem Modell des Hauptverbandes geht aber nicht hervor, ob und wie eine Rückforderung der zu Unrecht
nicht bezahlten Rezeptgebühren erfolgt.
"Diese Analyse zeigt, dass die Umsetzung des Modells des Hauptverbandes zu Ungerechtigkeiten führen kann.
Zum einen müssten Personen Rezeptgebühren zahlen, die eigentlich befreit sein müssten. Zum anderen
würden Personen befreit werden, die bei Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse keinen Anspruch
darauf hätten", so die Gesundheitsministerin. "Weiters fürchte ich, dass es auf Grund der geschilderten
Unklarheiten zu Diskussionen in den Arztpraxen und Apotheken kommen wird, was ich aus gesundheitspolitischer Sicht
unbedingt vermeiden möchte." Genau aus diesem Grund habe sie, Kdolsky, ein eigenes Modell entwickelt,
das auf das bereits seit 2003 bestehende Leistungsinformationsblatt zurückgreift. "Dieses Modell ist
im Vergleich zur Empfehlung des Hauptverbandes administrativ leichter umsetzbar und bringt mehr Transparenz",
betonte Kdolsky abschließend.
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