Bozen (lpa) - Der Innsbrucker Botaniker Klaus Oeggl hat am 29.05. seine Forschungsergebnisse über die
Aufenthaltsorte des Mannes aus dem Eis in den letzten zwei Tagen vor seinem Tod vorgestellt. Nach den Untersuchungen
Oeggls befand sich Ötzi in den 33 Stunden vor seinem Tod zuerst auf Hochlagen im Bereich der Waldgrenze, stieg
von dort zum Talboden (Schnals- oder Etschtal) ab und anschließend wieder bis zum Tisenjoch hinauf. Präsentiert
wurde bei der Pressekonferenz auch ein weiterer von Oeggl bei den Sedimenten an der Eismann-Fundstelle gefundener
Finger- oder Zehennagel von Ötzi, der in Kürze genauer untersucht werden soll.
Um Ötzis Aufenthaltsorte in den letzten zwei Tagen vor seinem Tod zu rekonstruieren, untersuchte Oeggl den
Blütenstaub aus dem Speisebrei im Darm von Ötzi. Dieser gelangt sowohl mit absichtlich konsumierten Pflanzen
beim Essen in den Magen. Aber auch beim Atmen wird Blütenstaub aus der Luft unabsichtlich aufgenommen, der
zunächst an den Schleimhäuten haften bleibt und dann durch Verschlucken des Schleims im Magen in den
Speisebrei inkorporiert wird. Anhand dieser Pollen kann man deshalb die Nähe zu bestimmten Vegetationszonen
rekonstruieren, in denen der der Mann aus dem Eis seine letzten drei Mahlzeiten zu sich genommen hat.
Nach den Untersuchungen Oeggls befand sich der Mann aus dem Eis in den letzten 33 Stunden vor seinem Tod zuerst
auf Hochlagen im Bereich der Waldgrenze, stieg von dort zum Talboden (Schnals- oder Etschtal) ab und anschließend
gleich wieder bis zum Tisenjoch hinauf.
Oeggl wies in fünf verschiedenen Speisebreiproben aus dem Darm von Ötzi die Pollen von 45 Pflanzen in
unterschiedlichen Konzentrationen nach. Die schon 2001 untersuchte und abgesicherte Sequenz von Speisebreiproben
aus dem Magen-Darm-Trakt, die genaue Kenntnis ihrer Lage und die Durchgangszeit der Nahrung, erlaubten Oeggl daher
Rückschlüsse auf die jeweilige Vegetations-Umgebung und damit Hinweise auf drei verschiedene Höhenlagen
im Zeitraum von 33 Stunden.
Oeggls Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis der Ereignisse in den letzten Lebenstagen des Mannes aus
dem Eis bei. Der Wissenschaftler interpretiert sie als indirekte Bestätigung der sogenannten „Desaster Hypothese“,
die von 1994 von Professor Konrad Spindler geäußert wurde. In dieser Desaster-Hypothese spekulierte
Spindler, dass Ötzi im Herbst von den Hochweiden kommend in seinem Heimatdorf mit seiner Verwandtschaft in
Streit geriet, weshalb er wieder in die Hochlagen flüchten musste.
Die Jahreszeit und die Todesursache des Mannes aus dem Eis wurden durch die Forschung in den letzten Jahren korrigiert,
aber die von Oeggl rekonstruierten Zeit- und Höhenangaben würden die grundsätzliche Annahme Spindlers
weiter untermauern.
Oeggls Studie wird am kommenden Freitag, 1. Juni 2007, von der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science“ positiv
rezensiert.
Bei der Sichtung von noch nicht untersuchten botanischen Resten fand Oeggl einen weiteren Nagel. Der Nagel stammt
aus den Sedimenten, die bei der Nachgrabung an der Ötzi-Fundstelle auf dem Tisenjoch im Sommer 1992 gesichert
wurden.
Nach seiner heutigen Überstellung an das Südtiroler Archäologiemuseum wird der Nagel baldmöglichst
untersucht, um festzustellen, ob er tatsächlich vom Mann aus dem Eis stammt. Dann geht es darum, auszumachen,
ob es sich bei dem gefundenen Nagel um einen Zehen-, oder Fingernagel des Mannes aus dem Eis handelt und von welchem
Finger bzw. welcher Zehe er stammt. Zudem werde der Nagel genetisch untersucht, erklärte Eduard Egarter Vigl,
der Primar für Pathologie am Regionalkrankenhaus Bozen und Konservierungsbeauftrager des Mannes aus dem Eis.
Untersucht werde der Nagel laut Egartner Vigl auch nach Verschmutzungen, Blutspuren und Fremdgewebe, das auf einen
Kampf hinweisen könnte. Zudem werde das Wachstumsverhalten des Nagels untersucht, das beispielsweise Aufschluss
über Krankheiten geben könne, sagte Egartner Vigl.
Bisher sind von Ötzi ein Fuß- und ein Fingernagel bekannt und auch untersucht worden. |