Dortmund (esa) - Eine zugegebenermaßen ungewöhnliche Kombination:
ein im norwegischen Svalbard stationiertes internationales Team von Wissenschaftlern und zwei Polarforscher, die
den Nordpol zu Fuß überqueren. Tatsächlich zogen beide Teams am selben Strang. Ihr Ziel war es,
die ESA-Eismission CryoSat 2 durch die Erfassung wichtiger Daten auf dem Boden und aus der Luft zu unterstützen.
Die CryoSat 2-Mission, deren Start für 2009 vorgesehen ist, soll hochgenaue Daten über die Veränderungen
der Meer- und Landeisdicke in der gesamten Nord- und Südpolregion liefern und somit zur Klärung zentraler
Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die polare Umwelt beitragen. Wenn man bedenkt,
dass der Satellit mit über 23.000 km/h in 717 km Höhe über der Erdoberfläche fliegen wird und
dabei mithilfe seines komplexen Radarhöhenmessers SIRAL Veränderungen in der Eisdicke bis zu einer Größenordnung
von nur wenigen Zentimetern pro Jahr erkennt, ist die Mission als eine technische Glanzleistung zu betrachten.
Angesichts der Ziele und der Wichtigkeit genauer Messwerte für die Bewertung der Veränderungen in der
Umwelt erstaunt es nicht, dass seitens der ESA alles darangesetzt wird, ein Maximum an Genauigkeit für die
Daten von CryoSat 2 zu gewährleisten.
Die Arctic Arc Expedition
Und nun willkommen bei der „Arctic Arc Expedition“, einer wissenschaftlichen Mission im Rahmen des Internationalen
Polarjahrs. Am 1. März 2007 betraten zwei belgische Forscher dieser Expedition, Alain Hubert und Dixie Dansercoer,
mit je einem 130 kg schweren, mit Nahrungsmitteln und Ausrüstung beladenen Schlitten das Meereis vor der Küste
Sibiriens. Sie werden sich insgesamt vier Monate auf ihrer Route über den Nordpol in der Kälte der Arktis
aufhalten und dabei, für den Normalbürger, unfassbar mehrere Tausend Kilometer zurückgelegen.
Auf ihrer Wanderung tragen die beiden unerschrockenen Forscher zur Vorbereitung der CryoSat 2-Mission bei, indem
sie in regelmäßigen Abständen die Schneetiefe messen. Anhand dieser Daten beurteilen Wissenschaftler
schließlich, wie gut der Zustand von Schneebedeckungen mithilfe der vorhandenen Klimamodelle prognostizierbar
ist. Sie dienen außerdem als Eingangswerte für Verfahren zur Optimierung der Genauigkeit von CryoSat
2-Kartenmaterial über die Meereisdicke.
„Wir kommen gut voran“, berichtete Alain Hubert aus seinem Zelt im Eis über ein Satellitentelefon. „Wir sind
nur noch 160 km vom Nordpol entfernt und messen unterwegs in regelmäßigen Abständen die Dicke der
Schneedecke. Teilweise sind die Bedingungen wegen des kalten Winds sehr schwierig. Aber wir glauben, dass sich
die Mühe lohnt, und machen weiter.“
Das Bodenteam
Während Alain und Dixie über den Nordpol ziehen, begann im äußersten Norden des norwegischen
Svalbard-Archipels die Parallelkampagne eines Teams von Wissenschaftlern aus Deutschland, Norwegen und Großbritannien.
Am Donnerstag, den 12. April, wurden die acht Wissenschaftler im Hubschrauber zum entlegenen Austfonna-Gletscher
transportiert. Im Rahmen der CryoVex 2007-Kampagne unternahmen sie einen Monat lang Messungen der Schnee- und Eiseigenschaften
an langen, sich im Zickzack über die Eisdecke erstreckenden Messpunkten. Die Bedingungen vor Ort sind mit
hohen Windstärken und niedrigen Temperaturen oft sehr schwierig. Dadurch kommt es mitunter zu Betriebsstörungen
der Instrumente und Ausrüstung, erklärte der Leiter des Bodenteams, Jon Ove Hagen von der Universität
Oslo.
„Wir bewegen uns derzeit vom Depot am Fuß des Austfonna-Gletschers zum Gipfel, sodass wir mit den Bodenmessungen
beginnen und die Datenerfassung aus der Luft stützen können“, teilte Jon Ove Hagen während der Messkampagne
mit. „Mit schlechtem Wetter und defekten Motorschlitten mussten wir während des Messprogramms einfach zurechtkommen.“
Messflüge des Alfred-Wegener-Instituts
Parallel zu den Bodenexperimenten führte das Alfred Wegener Institut (AWI) auch Messungen aus der Luft durch.
Ein Flugzeug vom Typ Dornier-228 hat das ASIRAS-Instrument an Bord, eine Flugzeugvariante des Radarhöhenmessers,
der in CryoSat 2 eingebaut wird. Durch Vergleiche der aus der Luft aufgezeichneten Daten mit den Bodenmessungen
testen und überprüfen Wissenschaftler noch vor dem Start des Satelliten neue Verfahren, die bei der CryoSat
2-Mission zur Erfassung von Veränderungen der Eisdicke zum Einsatz kommen.
Darstellung der Gletscherdaten des Flugzeug-Radarhöhenmessers
„Der erste Flug mit ASIRAS sah gut aus,“ so Veit Helm vom AWI. „Sobald das Wetter es erlaubte und die Bodenteams
in Position waren, konnten die wissenschaftlichen Flüge starten und mit der Verarbeitung und Auswertung der
Daten des Radarhöhenmessers über Austfonna begonnen werden. Eine der faszinierenden Seiten dieser Arbeit
ist der Blick in die Zukunft, den uns diese Kampagne ermöglicht. Wir sehen, was die CryoSat 2-Mission nach
ihrem Start sehen und messen wird.“
Die Datenerhebung aus der Luft wurde bis zum 24. April durchgeführt. Nach dem Abschluss der Kampagne gilt
es nun, die enormen Datenmengen zu analysieren. So sollen die Messverfahren, die später bei CryoSat 2 zum
Einsatz kommen, optimiert werden. Die auf Zentimeter genaue Erfassung der Eisdicken aus dem Weltall, und damit
verbunden ein besseres Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf die polaren Eisfelder, ist nur dank
dieser sorgfältigen Arbeit möglich. |