FPÖ scheitert mit Versuch, die Wahl von der Tagesordnung abzusetzen
Wien (pk) - Erster Punkt der Tagesordnung der 24. Sitzung des Nationalrats am 05.06. war die Wahl
der VolksanwältInnen für die nächsten sechs Jahre. Den Abgeordneten lag ein entsprechender Bericht
des Hauptausschusses mit den Nominierungen von Peter Kostelka sowie den Abgeordneten Maria Theresia Fekter und
Terezija Stoisits vor. Dieser Wahlvorschlag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und
Grünen angenommen. Die Abgeordneten des BZÖ stimmten gegen den Vorschlag. Die Mitglieder des Klubs der
FPÖ hatten den Saal verlassen und beteiligten sich nicht an der Abstimmung.
Vor der Debatte über den Wahlvorschlag gab es auf Initiative der FPÖ eine Einwendungsdebatte. Abgeordneter
STRACHE (F) erklärte, die Präsidentin habe den Freiheitlichen das verfassungsrechtlich verbriefte Nominierungsrecht
für die Volksanwaltschaft versagt. Auf Grund des Ergebnisses der Nationalratswahl vom 1. Oktober, wonach die
FPÖ an Mandaten gleich stark wie die Grüne Fraktion geworden ist, stehe der FPÖ laut Verfassung
ein Nominierungsrecht zu, denn in der Verfassung werde nur auf die Mandatsstärke und nicht auf die Stimmenstärke
verwiesen. Die Präsidentin habe nach Ansicht der Freiheitlichen die Verfassung gebrochen, auch viele Experten
hätten diese Meinung vertreten. Aus diesem Grunde verlangte der Redner die Absetzung des Tagesordnungspunktes
1. Sollte dieser Punkt nicht abgesetzt werden, wäre der Akt der Wahl der Volksanwaltschaft ein Nicht-Akt.
Abgeordneter Dr. EINEM (S) verwies auf die Verfassung, wonach die drei mandatsstärksten Parteien den Anspruch
haben, eine Person für die Volksanwaltschaft zu nominieren. 1981, als das Gesetz geschaffen wurde, habe es
im Nationalrat drei Parteien und eine absolute Mehrheit der Sozialdemokraten gegeben. Die Bestimmung habe darauf
abgezielt sicherzustellen, dass im Hohen Haus nicht nach Mehrheiten entschieden wird, wer Volksanwalt wird, sondern
dass die drei stärksten Parteien gleichermaßen den Anspruch haben, in der Volksanwaltschaft vertreten
zu sein. Das sei damals eine außerordentlich weise Entscheidung gewesen, so Einem, weil sie die Frage, wer
Volksanwalt werden soll, der Willkür der Mehrheit entzogen habe. Dazu habe sich die SPÖ bekannt und bekenne
sich heute noch dazu. Es gebe eine Lücke, die darin besteht, dass 1981 nur drei Parteien im Parlament vertreten
waren und sich der Gesetzgeber nicht vorstellen konnte, dass es zwei an dritter Stelle liegende mandatsgleiche
Parteien geben kann. Damals wollte der Gesetzgeber, dass die stärkste, die zweitstärkste und die drittstärkste
Partei einen Volksanwalt nominieren kann; wenn die mandatsgleich sind, dann komme es darauf an, wer mehr Stimmen
hat.
Abgeordneter Dr. ASPÖCK (F) meinte, heute sei ein Trauertag für die Verfassung unserer Heimat Österreich.
Es gehe nicht nur um das Recht der FPÖ als eine der vier mandatsstärksten Parteien, einen Kandidaten
zur Wahl stellen zu können, es gehe um den grundsätzlichen Umgang mit der Verfassung der Republik. Die
Präsidentin hätte als Vorsitzende bei richtiger Auslegung der Verfassung ohne Not zwei Wahlvorschläge
zulassen müssen: Kostelka, Fekter, Stoisits; Kostelka, Fekter, Kabas. Entgegen den Regeln der Verfassung sei
diese verfassungskonforme Vorgangsweise bereits im Hauptausschuss abgewürgt worden. Die Sozialdemokratie tanze
einmal mehr nach der Pfeife der ÖVP, so Aspöck. Die Sozialdemokraten hätten für den Vorschlag
mit Stoisits gestimmt, die ÖVP hätte aber im Ausschuss Farbe bekennen müssen. Das habe die SPÖ
ihrem Koalitionspartner erspart.
Abgeordneter GRILLITSCH (V) verwies gleichfalls auf die Gesetzeslücke und auf die unterschiedlichen Interpretationen.
Präsidentin Prammer habe das Nominierungsrecht. Der Gesamtvorschlag folge dem Rechtsgutachten des Verfassungsdienstes
des Bundeskanzleramtes. Demnach werde bei gleicher Mandatszahl auf die Stimmenstärke abgestellt. Alle bisherigen
Volksanwälte waren gute Volksanwälte, auch die der FPÖ, deshalb habe die ÖVP im Hauptausschuss
den Vorschlag mit einer Halbzeitlösung eingebracht, dem leider die Grünen und die SPÖ nicht zugestimmt
hätten, bzw. die Volksanwaltschaft um einen Volksanwalt zu erweitern, weil auch mehr Arbeitsaufwand bestehe.
Dem hätten BZÖ und FPÖ nicht zugestimmt. Strache habe diese Chance versäumt, konstatierte Grillitsch.
Abgeordneter WESTENTHALER (B) machte darauf aufmerksam, dass es zwei mandatsgleiche dritte Parteien gibt. Das BZÖ
vertrete die Ansicht, es gebe keine Bestimmung, dass die Vorsitzende des Hauptausschusses über die Dreiervorschläge
entscheide. Für das BZÖ sei das demokratische Prinzip einer Wahl wichtiger als eine präjudizielle
Entscheidung einer Ausschussvorsitzenden. Diese Wahl hätte stattfinden müssen, und es müsste auch
hier im Plenum eine Wahl geben. Insgesamt, sagte Westenthaler, sei es ein "entsetzliches Gemurkse" gewesen,
eine "Ranglerei" zwischen vier Parteien. Nur mehr eine Partei spreche sich für die Volkswahl eines
Volksanwaltes und nicht für eine Nominierung durch die Parteien aus, gehe es doch um Volksanwälte und
nicht um Parteianwälte.
Abgeordnete SBURNY (G) hielt die Entscheidung der Präsidentin für korrekt. Die Gutachten, auf die sich
die Freiheitliche Partei beruft, stammen von einem Nationalratsabgeordneten der FPÖ, einem ehemaligen Nationalratskandidaten
der Freiheitlichen und von einem Sohn eines F-Gemeinderates; es handle sich somit keineswegs um unabhängige
Gutachten. Nach der Wahl wurde seitens der Freiheitlichen sehr wohl gesagt, dass sie nicht Dritte geworden sind.
Fest steht für sie, dass die FPÖ ein schlechter Verlierer ist.
Bei der Abstimmung wurde den Einwendungen gegen die Tagesordnung nicht stattgegeben. Somit blieb es bei der ausgegebenen
Tagesordnung.
Nationalratspräsidentin Mag. PRAMMER teilte mit, dass G-Abgeordneter Pirklhuber beantragt habe, dem Ausschuss
für Land- und Fortwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 55/A(E) betreffend gesetzliche Verankerung
des österreichischen Programms für die ländliche Entwicklung 2007 bis 2013 eine Frist bis zum 3.
Juli 2007 zu setzen. – Eine Kurze Debatte hierüber findet um 15 Uhr statt.
Debatte zur Wahl der VolksanwältInnen
Abgeordneter STRACHE (F) meinte, der Verfassungsbruch werde von den anderen Parteien "locker" hingenommen.
Ein verbrieftes Nominierungsrecht werde nicht anerkannt. Nach der Wahl sei es um den Dritten Nationalratspräsidenten
gegangen, diese Position gehe an die an Stimmen drittstärkste Kraft. Bei der Volksanwaltschaft sei aber die
gesetzliche Voraussetzung eine völlig andere, da sei nicht die Stimmenstärke von Relevanz, sondern ausschließlich
die Mandatsstärke. Es sei eine Schande für das Hohe Haus, so Strache, wie heute vorgegangen wird. Es
handle sich um eine Verhöhnung der Demokratie, es werde aufgezeigt, dass man sich außerhalb des Verfassungsbogens
stellt, wenn es darum geht, bestimmte Personen durchzusetzen. Die Präsidentin habe mit ihrer Vorgangsweise
ein Recht, das der FPÖ zusteht, mit Füßen getreten. Sollte es eine gesetzliche Lücke geben,
dann habe diese im Nationalrat mit einer demokratischen Wahl geschlossen zu werden und nicht mit einer Entscheidung
einer Präsidentin.
Stoisits ist nach Ansicht der Freiheitlichen für das Amt eines Volksanwaltes unqualifiziert, da deren Haltung
gegenüber Österreichern von "abgrundtiefer Abneigung" geprägt ist. Ihr Weltbild sei simpel:
"Für sie sind Österreicher böse Rassisten, Ausländerfeinde, Rechtsradikale, und jeder
Zuwanderer ist der reinste Engel, dem immer Unrecht getan wird. Sie ist eine Meisterin der Vorverurteilung und
hat im Zusammenhang mit Gerichtsurteilen die Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt."
In einem Antrag wird gefordert, dass die Präsidentin den Gesamtvorschlag des Hauptausschusses für die
Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft nicht zur Abstimmung bringen sondern sicherstellen soll, dass das Recht
zur Nominierung für je ein Mitglied des Gesamtvorschlages für keine der berechtigten Parteien beschnitten
bzw. verhindert und eine Wahl durch das Plenum des Nationalrates ermöglicht wird.
Präsidentin Mag. PRAMMER wies darauf hin, dass der eingebrachte Antrag von Strache kein Geschäftsordnungsantrag
sei. Die FPÖ habe die Möglichkeit, einen Rückverweisungsantrag zu stellen; der wurde aber nicht
eingebracht. Der Antrag stehe daher nicht zur Debatte und werde keiner Abstimmung unterzogen.
Abgeordneter Dr. CAP (S) machte darauf aufmerksam, dass sich die Parlamentspräsidentin im Rahmen der Verfassungsgesetze
bewegt und eine korrekte Entscheidung getroffen habe. Diese Frage wurde auch in der Präsidiale diskutiert.
Seiner Meinung nach handle es sich hier um eine Aktion, die mit der rechtlichen Problematik nichts zu tun habe.
Für den Auszug der FPÖ habe die SPÖ kein Verständnis. Entscheidend ist laut Cap das Stimmenergebnis,
und dieses Stimmenergebnis habe ergeben, dass die FPÖ nicht Dritter, sondern Vierter wurde. Nach dem gleichen
System wie bei der Wahl des Dritten Nationalratspräsidenten werde auch bei der Wahl zur Volksanwaltschaft
vorgegangen. Tatsache ist, dass der Souverän, der Wähler, entschieden habe, wer Dritter und wer Vierter
werden soll. Unverständnis zeigte Cap über die Aussage, dass ein klarer Weg als Murks bezeichnet wird.
Der Redner unterstrich u.a. auch die gute und funktionierende Zusammenarbeit zwischen Nationalrat und Volksanwaltschaft.
Anregungen aus der Alltagsarbeit der Volksanwälte zur Verbesserung der Gesetze wurden und werden berücksichtigt.
Abgeordneter WESTENTHALER (B) meinte, die FPÖ sei an der Geschäftsordnung gescheitert, denn es wäre
einfach gewesen, einen Rückverweisungsantrag einzubringen. Strache sollte auch darüber nachdenken, was
der Grund sei, warum er heute um diesen Posten streiten muss: weil die FPÖ nicht dritte Kraft in Österreich
geworden sei und weil unter Straches Führung das dritte Lager zum vierten Lager geworden sei. Im Parlament
gebe es nur eine einzige Partei, die dafür eintrete, dass der Parteienproporz und das Nominierungsrecht bei
den Volksanwälten endlich beendet werden: Das BZÖ habe einen Antrag eingebracht, dass Volksanwälte
von der Bevölkerung gewählt werden sollen. Diese Wahl könnte gleichzeitig mit der Bundespräsidentenwahl
erfolgen. "Die Grünen sind eine stinknormale, angepasste Proporzpartei geworden." Zurzeit gebe es
"widerwärtigsten Postenschacher letztklassiger Art". Das BZÖ werde dem Postenschacher den Kampf
ansagen. Wegen des Verhaltens der Grünen werde das BZÖ den vorliegenden Vorschlag ablehnen, gab Westenthaler
bekannt.
Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) bezeichnete die künftige Volksanwältin Maria Theresia Fekter als "erfahrenste,
mutigste und engagierteste Vertreterin", die der ÖVP-Klub habe nominieren können. Bereits während
ihrer vierjährigen Tätigkeit als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium habe sie viele Probleme,
etwa in Bezug auf das Gewerberecht und den Naturschutz, direkt kennengelernt. Im Parlament sei ihr Schwerpunkt
im Bereich der Justizpolitik und der Familienpolitik gelegen. Das erste Gesetz, das Fekter durchgebracht habe,
sei die freie Namenswahl für Frauen gewesen. Bereits vor zwölf Jahren habe Fekter darauf gedrängt,
die Interessen von Verbrechensopfern in den Mittelpunkt zu stellen. Auch die Patientenverfügung und das Aufenthaltsgesetz,
die Fekter mit KollegInnen anderer Fraktionen ausgearbeitet hat, trügen ihre Handschrift, so Schüssel.
Fekter sei jemand, der Balance halten könne und durchaus hart sei, wenn es darum gehe, sich für andere
einzusetzen.
Was die Kritik der FPÖ an der Vorgangsweise bei der Erstellung dieses Wahlvorschlags für die VolksanwältInnen
betrifft, so sei die Sache nicht einfach, meinte Schüssel. Der Verfassungsgesetzgeber habe den Fall, dass
zwei Fraktionen über die gleiche Mandatsanzahl verfügen, nicht vorgesehen. In der damaligen Regierungsvorlage
aus der XIV. Gesetzgebungsperiode heiße es sogar wörtlich, dass die VolksanwältInnen das Vertrauen
aller wesentlichen politischen Kräfte haben und alle im Hauptausschuss vertretenen Parteien zum Zuge kommen
sollten. Damals gab es im Nationalrat drei Parteien, heute sind es fünf, weshalb ein verfassungsrechtliches
"Lückenproblem" vorliege. Er, Schüssel, hätte es daher vorgezogen, wenn die beiden betroffenen
Parteien einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt hätten, was offensichtlich nicht möglich war, oder wenn
man die Verfassungslücke geschlossen hätte. Man hätte dann eine Halbzeitlösung oder einen vierten
Volksanwalt für diese Periode vorsehen können. Leider sei es nicht dazu gekommen, sagte Schüssel,
und hielt abschließend fest, dass der Vorwurf des Verfassungsbruchs in keiner Weise gerechtfertigt sei.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) hielt den Gesamtvorschlag des Hauptausschusses für gut und würdigte
die zur Wahl stehenden Personen. Klubobmann Kostelka werde von ihm aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit im
Parlament und in der Volksanwaltschaft geschätzt. Abgeordnete Fekter sei sicherlich keine einfache Persönlichkeit
und er hoffe, dass sie sich mit der gleichen Energie und Überzeugung für BeschwerdeführerInnen einsetzen
werde, wie sie sich auch als Parteisoldatin im Untersuchungsausschuss einbringt. Bei Terezija Stoisits könne
man auch weiterhin von ihrer Bereitschaft ausgehen, sich mit voller Kraft für andere einzusetzen, auch wenn
dies unpopulär sein sollte. Die Volksanwaltschaft sei für alle in Österreich ansässigen Menschen
da und nicht nur für jene, die einen österreichischen Reisepass besitzen. Wer schließlich für
die AusländerInnen zuständig sein wird, sei eine Frage der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft,
betonte Van der Bellen.
Der grüne Klubobmann ging ebenso wie seine Vorredner auf die verfassungsrechtliche Frage ein und stellte fest,
dass das Nominierungsrecht der drei Fraktionen "eine Art Basarmethode" bei der Aushandlung, welche Personen
nominiert werden sollen, verhindere. Der Gesetzgeber habe somit einen Minderheitenschutz eingebaut. Die Grünen
hätten vor Jahren Vorschläge zur Änderung der Bestimmungen gemacht, merkte Van der Bellen an, wobei
er zugab, dass er diese für nicht glücklich hält. Jedenfalls würden die Grünen jetzt nicht
auf eine Nominierung verzichten, nur weil sie in der Vergangenheit Änderungen der betreffenden Artikel im
B-VG beantragt haben. Wie Schüssel wies auch Van der Bellen den Vorwurf des Verfassungsbruchs mit allem Nachdruck
zurück. Nationalratspräsidentin Prammer habe absolut korrekt gehandelt und sich dabei auf ein gründliches
Gutachten des Verfassungsdienstes und namhafter JuristInnen gestützt.
Die Wahl von Peter Kostelka, Maria Theresia Fekter und Terezija Stoisits als VolksanwältInnen ab 1. Juli 2007
erfolgte mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich. Die Abgeordneten des BZÖ stimmten
gegen den Wahlvorschlag. Die Mitglieder des FPÖ-Klubs hatten den Saal verlassen und beteiligten sich nicht
an der Abstimmung. |