EU-Vertrag  

erstellt am
22. 06. 07

Gusenbauer: Wir werden für die Substanz des Vertrags kämpfen
Wichtiger Moment für die Zukunft Europas und Signal an EU-Bürger
Brüssel (sk) - "Es ist ein wichtiger Moment für die Zukunft Europas. Weil aber angekündigte Revolutionen selten stattfinden, könnte es vielleicht konstruktiver werden, als manche erwarten. Wir werden auf alle Fälle dafür kämpfen, dass so viel wie möglich der Substanz erhalten bleibt", so Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am 21.06. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem PES-Vorsitzenden Paul Nyrup Rasmussen, dem portugiesischen Außenminister Luís Filipe Marques Amado und dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Es ist eine Frage der Substanz und auch eine Frage, welches Signal wir an den Rest der Welt und die Bürger Europas aussenden", betonte Gusenbauer.

Die Frage der verbindlichen Grundrechte sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. "Denken wir nur an unsere Position in Verhandlungen, wenn wir uns für die Menschenrechte auf der ganzen Welt einsetzen, uns aber selbst auf keine verbindliche Grundrechts-Charta einigen können", so der Bundeskanzler. Das von Deutschland vorgelegte Dokument sei ein weitreichender Kompromiss. "Für uns wäre es am besten, den Vertrag, so wie er ist, zu akzeptieren. Und jede Modifikation des Vertrages ist bereits ein Kompromiss", unterstrich Gusenbauer. Es sei jedenfalls nicht zu akzeptieren, dass man ständig Kompromisse schließe, damit dann neue Forderungen auftauchen würden.
"Wir wollen die Substanz des Vertrages so weit als möglich erhalten. Dafür werden wir kämpfen und Deutschland unterstützen", betonte der Bundeskanzler. Ein ebenfalls wichtiger Punkt sei eine Person, die allein verantwortlich für die Beziehungen Europas nach außen sei. "Es ist egal, wie diese Funktion heißt, aber eine verantwortliche Person für die Außenpolitik Europas ist grundlegend."
Auch Rasmussen betonte, dass Deutschland die "100-prozentige Unterstützung" der PES habe. "Das von Deutschland vorgelegte Dokument ist für uns DAS Papier und DER Kompromiss." Steinmeier hielt fest, dass man gut vorbereitet in "das Endspiel" gehe. "Aber wie im Sport kann auch hier Unvorhergesehenes passieren. Ein Misserfolg sei aber "nicht erlaubt", denn "er würde uns nicht zum Europa von heute zurückbringen, sondern Europa würde eine ganze Ära der Integration verlieren". Steinmeier zeigte sich zuversichtlich, dass ein solcher Kompromiss gelingen könne, dies setze aber die Bereitschaft aller voraus, sich aufeinander zu zu bewegen.

 

 Karas/Rack: Warnung vor europapolitischen Rückschritt
Gipfeldokumente zielen auf Raubbau an Vertragssubstanz ab
Strassburg (övp-pd) - "Wenn das seit heute zirkulierende Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft in dieser Form zur Grundlage der kommenden Regierungskonferenz werden sollte, dann droht der EU ein unverantwortbarer europapolitischer Rückschritt", warnten ÖVP-Delegationsleiter Mag. Othmar Karas und der Verfassungsexperte Univ. Prof. Dr. Reinhard Rack am 21.06. in Strassburg. "Mit diesen Vorschlägen für das Mandat der Regierungskonferenz wird Raubbau an der Substanz des Verfassungsvertrages betrieben, der Schutzwald der Grundrechte geschlägert und die weitere Integration der Union durch Opt-Out Möglichkeiten ausgehöhlt", kritisierten Rack und Karas.

Für den ÖVP-Delegationsleiter und Vizepräsidenten der EVP-ED Fraktion Othmar Karas entsprechen die bekannt gewordenen Inhalte weder der Position des Europäischen Parlaments noch der Sichtweise der Europäischen Volkspartei: "Hier werden offenbar alle roten Linien und Schmerzgrenzen schonungslos überschritten. Wenn sich diejenigen Länder, die den Verfassungsvertrag bereits gebilligt und ratifiziert haben, jetzt nicht auf die Hinterbeine stellen, setzen sich die Langsamsten und Stursten durch. Das Ergebnis eines solchen 'Erfolges' kann weder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sein noch erhält die Union damit die Instrumente um erfolgreich die Herausforderungen der Zukunft wie Klimawandel oder Energiesicherheit zu bewältigen", sagte Karas.

Für den steirischen Europaparlamentarier Rack, der an der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfes und der Grundrechtecharta mitgearbeitet hatte, sind diese Vorschläge typisches Ergebnis demokratieferner Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen: "Keiner dieser Vorschläge wurde in den vergangenen sechs Monaten offen präsentiert oder diskutiert. Sowohl die nationalen Parlamente als auch das Europäische Parlament wurden im Dunkeln gelassen. Damit werden alle Ansätze zu einem transparenteren und bürgernäheren Diskussions- und Entscheidungsprozess erneut unterlaufen", so Rack abschließend.

 

 Mölzer: Britische Bedenken gegen Grundrechts-Charta berechtigt
EU-Verfassung darf nicht ohne nationale Volksabstimmung beschlossen werden
Brüssel (fpd) - "Wenn heute oder auch erst morgen die europäischen Regierungschefs trotz großer Widerstände zu einem Ergebnis in Sachen EU-Verfassung kommen sollten, dann muss solch ein Vertrag erneut ratifiziert werden, in Österreich auf jeden Fall in Form einer Volksabstimmung", stellt der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer zum wiederholten Mal gegenüber dem freiheitlichen Pressedienst klar.

Problematisch bei einem neuen Vertrag sei nicht nur der Abstimmungsmodus, den die Polen kritisierten, sondern auch die Festlegung auf die Charta der Grundrechte, die vor allem Großbritannien ein Dorn im Auge ist. "Im Bereich des Antidiskriminierungsrechts ist schon jetzt faktisch eine rechtsstaatlich überaus bedenkliche Beweislastumkehr zugunsten potentiell Diskriminierter hergestellt, für die Zukunft sollen dann weitere Diskriminierungs-Gründe festgelegt werden, die vor allem durch die Europäische Kommission entgegen dem Subsidiaritätsprinzip rechtsverbindlich eingefordert werden können und die privatrechtliche Vertragsfreiheit weiter einschränken würden", erklärt Mölzer - und weiter: "Sollte die Grundrechts-Charta ein rechtsverbindlicher Bestandteil einer neuen Verfassung werden, würde der politische Druck zur Schaffung von EU-Regulierungen übermächtig werden!" Dies wäre aber nicht nur im Bereich der Diskriminierung der Fall, sondern auch in anderen Bereichen, etwa über die "sozialen Grundrechte". "Die Union würde so in Bereichen wie der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Kompetenzen erlangen, die sie bislang nicht besaß", gibt der freiheitliche EU-Parlamentarier zu bedenken.

"Aus diesem Aspekt heraus ist zu hoffen, dass nicht nur die Polen, sondern auch die Briten hart bleiben, und quasi als Vertreter der europäischen Verfassungskritiker das Schlimmste abwenden können", wünscht sich Mölzer abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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