Österreichische Liga für Menschenrechte
präsentiert Vorschläge
Wien (pk) - Wie sollte ein österreichisches Menschenrechtsinstitut gestaltet sein, um
wirkungsvoll und unabhängig agieren zu können? - Diese Frage stand am 20.06. im Mittelpunkt einer Informations-
und Diskussionsveranstaltung, zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und die Österreichische
Liga für Menschenrechte ins Parlament einluden.
Ausgehend von einer Resolution der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1993, die die Schaffung nationaler Menschenrechtsinstitutionen
vorsieht, prüft die Österreichische Liga für Menschenrechte gemeinsam mit dem Ludwig Boltzmann Institut
für Menschenrechte derzeit Richtlinien für eine österreichische Menschenrechtskommission, wobei
vor allem auch die Umsetzung in anderen Ländern untersucht und Hintergrundgespräche mit Entscheidungsträgern
geführt werden.
Prammer: Menschenrechte nicht an Staatsbürgerschaften geknüpft
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer betonte, es sei wichtig, sich mit dem Thema Menschenrechte tiefgreifend
und nachhaltig auseinanderzusetzen. Sie warnte insbesondere vor Selbstzufriedenheit und meinte, auch für eine
so genannte "alte" Demokratie wie Österreich bestehe kein Grund, sich zurückzulehnen und den
Standpunkt zu vertreten, man habe bereits den Stein der Weisen gefunden. Vielmehr gelte es, die Einhaltung der
Menschenrechte als Herausforderung zu sehen, der man sich immer wieder stellen muss. Klar war für Prammer
dabei, dass die Menschenrechte nicht an Staatsbürgerschaften geknüpft sind, sondern als internationales
Grundrecht angesehen werden müssen.
Lacina: Österreich zur Gründung von Menschenrechtsinstitution verpflichtet
Ferdinand Lacina (Präsident der Österreichischen Liga für Menschenrechte) sah eine Verpflichtung
der Republik Österreich, im Vorfeld der Ratifikation des UN-Zusatzprotokolls zur Folterkonvention eine unabhängige
Menschenrechtsinstitution zu gründen, gab darüber hinaus aber auch zu bedenken, dass es einen tatsächlichen
Bedarf für eine derartige Organisation in Österreich gibt. Die Liga für Menschenrechte habe sich
im Ausland informiert, wie diese Institutionen gestaltet sind, um daraus für Österreich zu lernen, berichtete
er. Dies habe nun dazu geführt, dass man heute bereits an konkrete Erfahrungen anderer Staaten anknüpfen
könne.
Bielefeldt: Unabhängigkeit oberstes Gebot
Heiner Bielefeldt (Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte) berichtete aus der Praxis eines bereits
bestehenden Menschenrechtsinstitutes und erläuterte, die Einrichtungen seien zwar von Staat zu Staat unterschiedlich
ausgestaltet, ihre Grundsätze basierten aber auf den Pariser Prinzipien aus dem Jahr 1993. Oberstes Gebot
sei in diesem Sinn die Unabhängigkeit, als weitere unverzichtbare Merkmale nannte Bielefeld überdies
die Nachhaltigkeit, ein breites Mandat sowie die Ausstattung mit konkreten Kompetenzen. Menschenrechtsinstitutionen
seien keine NGOs, sondern hätten eine Brückenfunktion zwischen Staat und Gesellschaft. Wichtig war aus
der Sicht Bielefeldts auch die ständige Evaluierung, um so der Gefahr eines Etikettenschwindels entgegen zu
wirken. Aus diesem Grund werde von den nationalen Menschenrechtsinstitutionen eine regelmäßige Neuakkreditierung
verlangt, präzisierte er. Hinter dem aktuellen europäischen Trend zur Einsetzung von Menschenrechtsinstitutionen
ortete Bielefeldt die Einsicht, dass es immer mehr darum gehe, die Menschenrechte systematisch vor Ort national
umzusetzen und auch strukturelle Defizite im Menschenrechtsschutz aufzuzeigen.
Tretter: Menschenrechtsinstitution hat Mittlerrolle zwischen Zivilgesellschaft und Gesetzgebung
Univ.-Prof. Hannes Tretter (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte) betrachtete es als Aufgabe der nationalen
Menschenrechtsinstitutionen, über den justiziellen Schutz hinausgehend für die Gewährleistung und
Umsetzung der Menschenrechte zu sorgen. Auch Tretter sprach dabei von einer Mittlerrolle zwischen der Zivilgesellschaft,
der Rechtswissenschaft und der Gesetzgebung und Regierung. Da Menschenrechte Querschnittsmaterien sind, sei es,
wie er betonte, besonders wichtig, dass es eine Institution mit Außensicht gibt, die die Gesetzgebung berät,
aber auch die Öffentlichkeit sensibilisiert. Was die konkrete Ausgestaltung betrifft, schlug Tretter vor,
den bestehenden Menschenrechtsbeirat aus dem Innenministerium herauszulösen und organisatorisch zu verselbständigen.
Im übrigen meinte Tretter, die Zeit sei reif, sich dem aktuellen europäischen Trend anzuschließen
und eine eigene Menschenrechtsinstitution auf die Beine zu stellen. Mit diesem Schritt könnte Österreich
auch größeren Einfluss auf die europäische Rechtsentwicklung gewinnen.
Kostelka: Menschenrechtsbeirat aus dem Innenressort herauslösen
Volksanwalt Peter Kostelka bemerkte rückblickend, in Österreich sei die Entwicklung der Menschenrechte
eher das Ergebnis verlorener Kriege als die Folge eines nationalen Schulterschlusses gewesen, bis heute fehle ein
österreichischer Grundrechtskatalog, der auch in das Bewusstsein der Bevölkerung eindringt. Dieses Defizit
gelte es nun zu beheben. Die Volksanwaltschaft verstehe sich, wie Kostelka sagte, als Ex-Post-Kontrolle im Einzelfall,
könne aber keine präventive Kontrolle ausüben, dazu bedürfe es eines eigenen nationalen Kontrollmechanismus.
Kostelka plädierte dafür, den Menschenrechtsbeirat aus dem Innenministerium herauszulösen, ihn mit
eigenständigen Aufgaben zu betrauen und im Rahmen der Volksanwaltschaft anzusiedeln. Geplant sei die Einfügung
eines diesbezüglichen Artikels im Bundesverfassungsgesetz, berichtete er. Mit Nachdruck trat er auch dafür
ein, sämtliche menschenrechtsrelevanten Aktivitäten der verschiedenen Stellen zu bündeln, um so
ein effizientes Menschenrechts-Screening für Österreich zu erreichen. |