Podiumsdiskussion zur öffentlichen Finanzkontrolle  

erstellt am
19. 06. 07

Themen: Kleine Gemeinden, Unternehmen und Parteien
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete am 18.06. im Parlament ein ganztägiges Symposium zum Thema "Öffentliche Finanzkontrolle in Österreich", unterstrich in ihren einleitenden Ausführungen die zentrale Rolle des Rechnungshofes im System der Finanzkontrolle und erinnerte an die diesbezüglichen Ergebnisse und Vorschläge des Österreich Konvents. Sie glaube nicht, dass zwischen Bund und Ländern Doppelgleisigkeiten in der Kontrolle bestünden, sagte Prammer, sie glaube auch nicht, dass der Bund in den Bundesländern zu viel kontrolliere. Im Hinblick auf die im Herbst geplante Staatsreform bezeichnete Prammer auch die Frage als wichtig, was kontrolliert werden dürfe. Denn die Bevölkerung könnte es nicht verstehen, würde man Wege finden, um Kontrolle zu vermeiden. Rechnungshofpräsident Josef Moser hielt die öffentliche Finanzkontrolle in ihrer derzeitigen Form für zeitgemäß und effektiv, stellte aber "Kontrolllücken" fest und trat dafür ein, alle Gemeinden, nicht nur jene mit mehr als 20.000 Einwohnern, sowie alle Unternehmen mit einer öffentlichen Beteiligung von mehr 25 % (derzeit 50 %) in die Kontrolle des Rechnungshofes einzubeziehen.

Prammer: Kontrolle schafft Vertrauen in öffentliche Einrichtungen
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer unterstrich die Bedeutung der öffentlichen Finanzkontrolle in Österreich, indem sie feststellte, das Vertrauen der BürgerInnen in die öffentlichen Institutionen wachse in dem Maße, in dem die öffentliche Finanzkontrolle funktioniere. Die Kontrollmöglichkeiten der repräsentativen Demokratie seien vielfach, sagte Prammer, eine zentrale Funktion habe aber die volle Wahrnehmung der Kontrollkompetenz des Rechnungshofes. In diesem Zusammenhang erinnerte Prammer an die diesbezüglichen Vorschläge des Österreich-Konvents und seines Ausschusses über die öffentliche Finanzkontrolle. Ob und wie der Gesetzgeber diese Vorschläge aufgreifen werde - diese Frage werde im Rahmen der Staatsreform im kommenden Herbst zu beantworten sein. Sie glaube nicht, dass zwischen Bund und Ländern Doppelgleisigkeiten in der Kontrolle bestünden, sagte Prammer, sie glaube auch nicht, dass der Bund in den Bundesländern zu viel kontrolliere. Und ganz wichtig schien ihr auch die Frage, was kontrolliert werden dürfe. Denn die Bevölkerung könnte es nicht verstehen, würde man Wege finden, um Kontrolle zu vermeiden. Niemand brauche Kontrolle zu fürchten, wenn alles ordentlich ablaufe - das müsse unser Grundsatz sein, sagte Prammer.

Die Nationalratspräsidentin ging auch auf internationale Aspekte des Symposion-Themas ein. So hielt sie es für notwendig, die Kontrollinstanzen in den jungen Demokratien weiter zu entwickeln und die Grundsätze der "Good Gouvernance" auch in Asien und Afrika zur Geltung zu bringen, um auch dort das Vertrauen in die demokratischen Institutionen durch Kontrolle zu festigen und zu vertiefen. Konkret forderte die Nationalratspräsidentin etwa die sorgfältige Kontrolle von EZA-Leistungen durch die Parlamente afrikanischer Staaten.

Völlig falsch wäre es laut Prammer aber, wollten die "alten Demokratien" den Eindruck erwecken, bei ihnen liefe "alles wie am Schnürchen". Die Kontrolleinrichtungen brauchten Kritik für ihre Weiterentwicklung. Prammer begrüßte daher den wissenschaftlichen Input in der Diskussion zwischen den Kontrolleinrichtungen und sprach die Hoffnung auf konkrete Ergebnisse des Symposions aus.

RH-Präsident Moser: Rechnungshof soll alle Gemeinden prüfen
Rechnungshofpräsident Josef Moser stellte den Rechnungshof zunächst als ein föderatives Bund-Länderorgan dar, wobei die Kontrollhoheit jeweils den gesetzgebenden Körperschaften zukomme, im Falle der Länder also den Landtagen. Der Rechnungshof prüfe den sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Einsatz öffentlicher Budgetmittel. Organisatorisch ein Organ des Nationalrates, sei der Rechnungshof funktionell ein Organ der Landtage dort, wo er die Länder prüfe. In diesem Zusammenhang bekannte sich Moser nachdrücklich zum Bundesstaat, dessen Vorteil in der größeren Bürgernähe der Entscheidungsträger und im höheren Maß an Demokratie und Mitbestimmung liege.

Der Rechnungshofpräsident stellte die Entwicklung der öffentliche Finanzkontrolle in Österreich seit ihren Ursprüngen im Jahr 1761 dar und hielt fest, es gehe damals wie heute darum, die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Mittel zu bekämpfen. Moser konzentrierte sich dann auf die Entwicklung der Prüfkompetenzen seit 1920 und machte darauf aufmerksam, dass der Rechnungshof seit der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1929 auch die Bundesländer und Gemeinden mit einer Größe von mehr als 20.000 Einwohnern sowie öffentliche Unternehmen prüfen könne. Der 1929 eingeführte Grundsatz der Einheitlichkeit in der öffentlichen Finanzkontrolle für die drei Gebietskörperschaften sei in weiterer Folge durch die Einbeziehung der Gemeindeverbände sowie durch die Vereinheitlichung der Unternehmensprüfungen und des Berichtswesens weiter zur Geltung gebracht worden. Als logische Folge dieser Entwicklung gehe es laut Rechnungshofpräsident nunmehr um die Einbeziehung aller Gemeinden und auch jener Unternehmen, an denen der Bund mit mindestens 25 % beteiligt ist.

Für diese Anliegen warb der Rechnungshofpräsident nicht nur mit verfassungsrechtlichen, sondern auch mit wirtschaftlichen Argumenten. Die finanzielle Verflechtung der Gebietskörperschaften habe stark zugenommen, sagte Moser, die Transfers zwischen Bund Ländern und Gemeinden würden im Rahmen des Finanzausgleichs immer komplexer. Es gelte unklare Verantwortlichkeiten und Intransparenz zu vermeiden. Der Rechnungshof könnte dabei eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise sicherstellen. Derzeit könne er aber nur 1 % der Gemeinden, insgesamt also nur 24 Gemeinden prüfen. 70 % der Gemeinden seien seiner Kontrolle entzogen, klagte Moser. Die interne Gemeindeprüfung ersetze die externe Rechnungshofkontrolle nicht, zeigte sich Moser überzeugt und machte darauf aufmerksam, dass das Kontrollrecht der gesetzgebenden Körperschaften das Vertrauen der BürgerInnen in die demokratischen Einrichtungen stärke.

Im Anschluss an den Rechnungshofpräsidenten sprach Prof. Josef Isensee (Deutschland) über Staatsrecht und einheitliche öffentliche Finanzkontrolle. Danach hielt der Präsident des Europäischen Rechnungshofes Hubert Weber einen Vortrag über die "Partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Europäischem Rechnungshof und den Rechnungshöfen der Mitgliedsstaaten". Der steirische Landesrechnungshofdirektor Johannes Andrieu beleuchtete "Die Landesrechnungshöfe im Netzwerk der Finanzkontrolle".

Am Nachmittag wurde das Symposium mit einer Podiumsdiskussion fortgesetzt, an der VfGH-Präsident Karl Korinek, RH-Präsident Josef Moser, Professor Josef Isensee sowie die Abgeordneten Günther Kräuter (S), Hermann Gahr (V), Lutz Weinzinger (F) und Josef Bucher (B) teilnahmen. Während die Zweckmäßigkeit einer Rechnungshofprüfung aller Gemeinden, auch jener mit weniger als 20.000 Einwohnern, wie dies RH-Präsident Moser am Vormittag vorgeschlagen hatte, außer Streit stand, sah es VfGH-Präsident Karl Korinek aus eigentumsrechtlichen Gründen für problematisch an, private 70-Prozent-Eigentümer an Unternehmen in die Rechnungshofpflicht hineinzunehmen. Auch Korinek hielt es aber für selbstverständlich, die Verwendung öffentlicher Mittel durch Private zu prüfen. Weitere Themen waren die Unabhängigkeit des Rechnungshofes und das System der Parteienfinanzierung. Der deutsche Experte Isensee riet dazu, das diesbezügliche deutsche Modell österreichischerseits gründlich zu studieren: "Ehe man den Normen glaubt, soll man sich genau ansehen, wie sie angewendet werden". Für die Moderation der Diskussion sorgte ORF-Redakteurin Patricia Pawlicky.
   

RH-Präsident Josef Moser plädierte einmal mehr dafür, seitens des Rechnungshofes auch solche Unternehmen zu prüfen, die mehrheitlich im privaten Eigentum stehen. In einer wachsenden Zahl von Unternehmen würden nämlich öffentliche Mittel verwendet, ohne dass der Gesetzgeber die Möglichkeit habe, die Verwendung dieser Mittel zu kontrollieren. Als Beispiel dafür, dass öffentliche Finanzkontrolle einem Unternehmen im Wettbewerb nicht schade, sondern vielmehr nütze, sei laut Moser die AUA, deren Vorstand den Rechnungshof für seine Empfehlungen ausdrücklich Lob und Dank ausgesprochen habe.

Mehr Rechnungshofkontrolle sei für ihn gleichbedeutend mit mehr parlamentarischer Kontrolle, sagte Moser und wies darauf hin, dass der Rechnungshof nicht als Gericht agiere, sondern den Abgeordneten sachkundige Informationen liefere, die sie instand setzen, auf Missstände als Gesetzgeber zu reagieren.

Abgeordneter Josef Bucher (B) lobte die Kooperation des Rechnungshofes mit den Abgeordneten und warnte davor, den großen Parteien bei der Abberufung des Rechnungshofpräsidenten und der Volksanwälte mehr Einfluss zu geben. Aufgrund seiner Erfahrungen im Banken-Untersuchungsausschuss versprach sich der Abgeordnete einiges davon, die Aufsichtsräte in Aktiengesellschaften von der Unabhängigkeit und professionellen Kompetenz des Rechnungshofes profitieren zu lassen. Auch er plädierte dafür, Unternehmen zu prüfen, an denen die öffentliche Hand mit mehr als 25 % beteiligt sei. Bucher hielt es - im Gegensatz zu Abgeordnetem Lutz Weinzinger (F) - für möglich, dass dafür ein Rechnungshof mit neun Außenstellen genügen würde. Positiv sah Bucher auch den Vorschlag, Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern zu prüfen, da sich immer häufiger zeige, dass die Kontrollausschüsse der Gemeinden angesichts neuer, oft sehr phantasiereicher Finanzierungsinstrumente überfordert seien.

Professor Josef Isensee bezog sich auf die Aussage des Verfassungsgerichtshofspräsidenten, der es problematisch sah, Unternehmen staatlich zu prüfen, die zu mehr als 70 % im privaten Eigentum stehen. Isensee riet dazu, die diesbezüglichen Erfahrungen der Steiermark und des Burgenlands zu nutzen und hielt es für wichtig, der "Parlamentsflucht" einen Riegel vorzuschieben und dafür zu sorgen, dass sich niemand der Kontrolle entziehe. Einen Anknüpfungspunkt in der Bundesverfassung sah Isensee in der Zuständigkeit für die gesamte Staatswirtschaft.

Die relative Unabhängigkeit des Rechnungshofpräsidenten vom Parlament tue dem Rechnungshof gut, weil es zu seinen Aufgaben gehöre, auch der Parlamentsmehrheit unbequeme Wahrheiten zu sagen. Bei Abberufungsbestimmungen für den Rechnungshofpräsidenten sollte man jedenfalls jeden "bösen Anschein" vermeiden.

Abgeordneter Günther Kräuter (S) brachte ein weiteres Argument für die Kontrolle von Unternehmen, die zu mehr als 25 % im öffentlichen Eigentum stehen, indem er auf das wachsende Interesse der BürgerInnen an der Einhaltung sozialer und ökologischer Standards hinwies und sich auch von daher dafür aussprach, dem Rechnungshof Zugang zur öffentlichen Wirtschaft zu geben. Auch Kräuter hielt es für notwendig, bei den Abberufungsregeln für den Rechnungshofpräsidenten jeden "bösen Anschein" zu vermeiden.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) meinte, das derzeitige System der öffentlichen Finanzkontrolle funktioniere gut, und sah auch die Abstimmung zwischen dem Rechnungshof und den Landesrechnungshöfen unproblematisch. Gahr sah nur wenige Kontrolllücken, merkte aber an, dass dort, wo öffentliches Geld verwendet werde, auch die öffentliche Kontrolle funktionieren müsse.

Parteispenden: Ist Pflicht zur Offenlegung sinnvoll?
In Sachen Parteienfinanzierung ging man schließlich der Frage nach, ob die Kontrolle der Parteispenden in Österreich nicht etwas "zahnlos" sei und inwieweit die in Deutschland herrschende Regelung der Offenlegung als Vorbild dienen könne.

Prof. Josef Isensee erläuterte dazu, die Norm des Deutschen Bundesgesetzes, wonach die Parteien über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft zu leisten haben, sei nur sehr zögerlich umgesetzt worden und gelte überdies nur für Spenden ab einer bestimmten Höhe, die Schere zwischen Norm und Realität sei auseinandergegangen. Isensee sprach von dem Dilemma zwischen dem Diskretionsbedürfnis privater Spender und dem natürlichen Bedürfnis der Demokratie zu erfahren, wer ihre Machthaber finanziert. Er empfahl Österreich, sich vor allfälligen ähnlichen gesetzlichen Schritten genau anzusehen, wie die Normen in Deutschland angewendet werden.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) äußerte in der Diskussion seine Überzeugung, dass Parteispenden in jedem Fall offenzulegen seien, während Abgeordneter Hermann Gahr (V) hinsichtlich der Sinnhaftigkeit der Offenlegung Skepsis anklingen ließ und die geltenden gesetzlichen Regelungen als ausreichend ansah. Die Diskussion über die Offenlegung sei zu führen, aber erst sollten die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse abgewartet werden, war sich wiederum Abgeordneter Günter Kräuter (S) sicher. Abgeordneter Josef Bucher (B) warf ein, jeder sollte Interesse an Transparenz haben, wer sich gegen die Offenlegung wehrt, mache sich schon von vornherein verdächtig. Vorstellbar war für Bucher die Einrichtung eines Parteispendenausschusses im Parlament.

Rechnungshofpräsident Josef Moser stellte unter Hinweis auf die bestehende Meldepflicht bei Parteispenden klar, der Rechnungshof habe im Bereich des Parteiengesetzes eine Kompetenz als Staatsnotar, nicht aber als Prüforgan. Er könne sich also nicht über die Richtigkeit des Zieles, sondern nur über die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges zu diesem Ziel äußern. Im übrigen sei die Politik am Wort.

Rechnungshof und Landesrechnungshöfe: Die Schlussstatements
Präsident Karl Korinek legte ein, wie er betonte, absolutes Plädoyer für eine umfassende Gesamtkompetenz des Rechnungshofs ab und argumentierte, im österreichischen System der zusammenhängenden Finanzausgleichsströme sei dies die einzig sinnvolle Variante. Die Kontrolle durch die Landesrechnungshöfe sollte seiner Meinung nach ergänzend in Kooperation mit dem Rechnungshof hinzutreten, aber die Rechnungshofkontrolle nicht ersetzen. Überhaupt hätten, wie Korinek unterstrich, die Landesrechnungshöfe als gleichwertige, unabhängige Organisationen zu fungieren. Dies sei aber noch nicht überall erreicht. So dürften zum Beispiel die Bestellung und die Diensthoheit nicht bei den Ländern liegen, gab Korinek zu bedenken.

Abgeordneter Günter Kräuter (S) zeigte sich diskussionsbereit und meinte, es werde an den Regierungsparteien liegen, in dieser Legislaturperiode ordentliche Regelungen über die öffentliche Finanzkontrolle zu gestalten.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) äußerte den Wunsch nach einer bereits früheren Involvierung des Rechnungshofausschusses in die Prüfung.

Abgeordneter Josef Bucher (B) unterstrich die Notwendigkeit der Prüfungseffizienz und sprach sich für einen bundesweiten Rechnungshof mit durchschlagender Prüfungskompetenz und neun Außenstellen aus.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) bekannte sich zum Rechnungshof und den Landesrechnungshöfen in ihrer derzeitigen Form. In Zeiten einer großen Koalition sei der Rechnungshof sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene notwendig und könne die Kontrollinstanz der Opposition noch etwas unterstützen, war er überzeugt.

Prof. Josef Isensee resümierte, notwendig sei vor allem die Herstellung der Vollständigkeit der Rechnungsprüfung auch für die kleinen Gemeinden und die öffentlichen Unternehmungen. Das grundsätzlich Nebeneinander der beiden Rechnungshöfe sollte man in der jetzige Form bestehen lassen und nicht durch verfassungsgesetzliche Regelungen Komplikationen bringen.

Rechnungshofpräsident Josef Moser stellte abschließend klar, die Diskussion über die Notwendigkeit der Landesrechnungshöfe sei eindeutig durch die Verfassungsreform beantwortet worden, "und dabei soll es auch bleiben".
 
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