Eurozone stehen drei weitere Quartale mit Zinsanhebungen
bevor
Wien (rzb) - Das Geldmengenwachstum beflügelt die Märkte: "Auch wenn das weltweite
Wirtschaftswachstum kräftig zulegt, es bleibt ein erheblicher Überschuss an Liquidität vorhanden.
Und diese strömt nach wie vor in die Finanzmärkte und da vor allem in Aktien", beschreibt Peter
Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), das globale Marktumfeld.
Die an Dynamik gewinnende Übernahme- und Fusionswelle gelte als Bestätigung dafür, dass sowohl die
Unternehmen selbst als auch Finanzinvestoren Aktien günstig bewertet sehen. Auf Sicht des Gesamtjahres 2007
wird das weltweite M&A-Volumen auf mehr als 4.500 Milliarden Euro geschätzt.
Entwicklung der Leitzinsen zeigt weltweit neuen Aufwärtstrend
Finanziert werden diese M&A-Transaktionen großteils mittels Fremdkapital. "Aus diesem Grund sind
die Zentralbanken von Frankfurt bis Peking besorgt, dass die Kreditexpansion künftige Inflationsrisiken aufbauen
kann", berichtet Brezinschek. Die risikolosen Zinssätze befinden sich daher international im Aufwärtstrend.
So rechnet Brezinschek für die Eurozone – auf Basis eines prognostizierten BIP-Wachstums von 3,1 Prozent für
2007 – in den kommenden drei Quartalen mit neuerlichen Zinsanhebungen auf bis zu 4,75 Prozent. Selbst in den USA
wurden die Erwartungen hinsichtlich fallender Zinsen durch die ausbleibende Arbeitsmarktschwäche und die wieder
erstarkenden Konjunkturvorlaufindikatoren enttäuscht. Auf Jahressicht sollte sich daher am aktuellen US-Zinsniveau
nichts ändern.
"Die Märkte müssen sich somit auf eine neue Zinsära einstellen", ist Brezinschek überzeugt.
Diese läutet eine Trendwende in der Renditeentwicklung ein. "Im Bewusstsein eines längerfristigen
Konjunkturhochs sind die Renditen wieder spürbar über die Geldmarktverzinsung angestiegen", erklärt
der RZB-Chefanalyst. Gleichzeitig ist mit einem Anstieg des Risikos zu rechnen. "Ob bei High Yield Bonds,
Emerging Market Bonds, Aktien oder Immobilien, die schrittweise nach oben wandernden risikolosen Zinssätze
werden sich früher oder später in deutlich zunehmender Volatilität auf diesen Märkten bemerkbar
machen."
Euro-Stärke ist ungebrochen
Vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden sanften Landung der US-Konjunktur und der damit zerstreuten Zinssenkungsphantasie
verlor der Euro gegenüber dem US-Dollar in den letzten Wochen. Mit der erwarteten Verringerung der Zinsdifferenz
durch die Europäische Zentralbank scheint jedoch eine Rückkehr zu Niveaus über 1,35 bis Jahresende
wahrscheinlich.
In Japan wird weiterhin mit einem nur schleppenden Zinsanhebungstempo gerechnet, wenngleich sowohl für 2007
als auch für 2008 von einem robusten BIP-Wachstum von rund 2,5 Prozent ausgegangen wird. "Sowohl der
im Vergleich zur Eurozone wenig aggressive Zinsausblick als auch die daraus resultierenden Kreditaufnahmen, Stichwort
Carry Trades, dürften dem Yen gegenüber dem Euro in den kommenden Monaten schaden", meint Brezinschek.
Bis Dezember sollte sich die japanische Währung daher in Richtung Euro/Yen 170 abschwächen. "Unbedingt
beachtet werden sollten jedoch vorübergehende Aufwertungsrisiken, ausgelöst durch die mögliche Rückabwicklung
der Carry Trades, sowie die absehbare dauerhafte Aufwertung des Yen", gibt Brezinschek zu bedenken, der ein
faires Euro/Yen-Verhältnis bei 120 sieht.
Auch der Schweizer Franken sollte – solange sich die Zinsdifferenz zur Eurozone nicht einengt – bis Jahreswechsel
weiterhin schwach bleiben (Euro/Franken-Prognose für Dezember: 1,69). Erst wenn im kommenden Jahr der Zinshöhepunkt
in der Eurozone erreicht sein wird, habe der Franken eine realistische Chance, gegenüber dem Euro nachhaltig
aufzuwerten.
Steigende Renditen bei Euro-Staatsanleihen
Auf dem Euro-Rentenmarkt zeigen sich mit merklichen Renditeanstiegen erste Anpassungstendenzen an die zu erwartende
Zinsentwicklung. Es sind nicht die Inflationsängste, sondern die nachhaltig verbesserten Konjunkturaussichten,
die den Renditeanstieg in allen Laufzeiten ausgelöst haben. So liegt die reale Rendite (= nominelle Rendite
von 4,6 Prozent abzüglich Inflationsrate von 1,9 Prozent) der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe mit
2,7 Prozent deutlich über dem langfristigen realen BIP-Wachstum der Eurozone. "Über die Sommermonate
dürfte uns eine Atempause gegönnt sein, bis Jahresende sehen wir aber eine Rendite für zehnjährige
Anleihen von fünf Prozent durchaus als fairen Wert", erklärt Brezinschek. In Spitzen sei sogar mit
noch höheren Werten zu rechnen.
Phase der Neuorientierung auf dem US-Aktienmarkt
Der Aufwärtstrend des US-Aktienmarktes scheint vorerst einmal unterbrochen zu sein. "Die Anleger sind
gerade dabei, die veränderten Rahmenbedingungen – eine raschere und vermutlich auch stärkere Konjunkturerholung
als ursprünglich erwartet, damit aber auch eine höhere Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen anstelle
der ursprünglich erwarteten -senkungen – in Bezug auf ihre Erwartungen in die Aktienmarkentwicklung neu zu
bewerten", erklärt Helge Rechberger, Leiter der RZB Aktienmarktanalyse. "Anleger werden sich im
heurigen Herbst allerdings durchaus noch mit der einen oder anderen zinsinduzierten Kursturbulenz arrangieren müssen."
Nach dieser Orientierungsphase hat der US-Aktienmarkt nach Ansicht Rechbergers jedoch noch einiges Potenzial aufzuweisen.
"Viele Argumente aus dem Umfeld des Marktes sprechen zudem für die Technologietitel der Nasdaq noch stärker
als für den breiten Markt."
Konsumbelebung sorgt für gute Stimmung im Euroland
In der Eurozone zeichnet sich ein langfristiges Konjunkturhoch ab, nachdem im zweiten Halbjahr mit einer
Belebung des privaten Konsums – neben den Investitionen und dem Export – auch die dritte Konjunktursäule ihre
Wirkung entfalten sollte. Das sollte für ein Überwiegen der guten Marktstimmung sorgen.
"Für die kommenden Monate rechnen wir aufgrund von Zinsängsten zwar mit häufiger auftretenden
temporären Kursrückschlägen, aber die auf Hochtouren laufende Konjunktur, die von uns erwartete
starke Berichtsaison sowie eine gegenüber Anleihen noch immer vorteilhaftere Bewertung und nicht zuletzt die
starke Liquidität sollten den europäischen Aktienmärkten auch in den nächsten Quartalen Kursanstiege
bescheren", meint Rechberger.
Branchen: Soft landing der US-Konjunktur stützt zyklische Sektoren
Im Zuge der Branchenausrichtung lohnt es sich im bevorstehenden Quartal laut Rechberger auf zyklische Sektoren
zu setzen. Mit einer Kaufempfehlung versehen sind dabei insbesondere die Sektoren IT (bedingt durch die gute Gewinnsituation
bei historisch moderater Bewertung), zyklischer Konsum (höhere Beschäftigung und höhere Einkommen
beleben Konsum), Industrie (Konjunkturerholung in den USA und stärkere Investitionstätigkeit der privaten
Unternehmen), Versorger (latente M&A-Phantasie) und Grundstoffe (gestiegene Rohstoffpreise und anhaltend hohe
M&A-Aktivität). Als weniger attraktiv eingestuft werden derzeit hingegen der Energie- und der Finanzsektor,
Telekom, Gesundheit und Werte des defensiven Konsums.
Asset Allocation: Unternehmensanteile klar bevorzugt
Die vergangenen Monate waren geprägt von starken Aktienmärkten, die selbst durch schwache US-Daten oder
kurzfristige Kursstürze in China nicht wirklich aus der Ruhe zu bringen waren.
"Fundamental betrachtet präsentieren sich die etablierten Aktienmärkte nach wie vor in einem guten
Licht", fasst Brezinschek zusammen. "Auch wenn die Dividendenpapiere nicht mehr so günstig zu haben
sind, so sind sie historisch betrachtet noch immer niedrig bewertet. Zudem ist der Renditevorteil von Aktien gegenüber
Anleihen auch nach der jüngsten Renditerallye gegeben." Unter Einbeziehung der konjunkturellen Rahmenbedingungen
und des erwarteten Gewinnwachstums der Unternehmen blieben somit kaum noch Argumente, die für Anleihen sprechen
würden.
Die beiden RZB-Experten legen daher im dritten Quartal 2007 mit 56 Prozent den Fokus auf Aktien – zulasten von
Anleihen, die mit 39 Prozent deutlich untergewichtet werden. Der Bereich der Alternative Investments bleibt mit
fünf Prozent benchmarkneutral gewichtet.
Die aussichtsreichste Position im Aktiensegment nehmen im kommenden Quartal der Euroraum sowie Werte aus CEE ein.
Beide werden im RZB-Musterportfolio daher entsprechend übergewichtet. Dem Risiko einer höheren Volatilität
auf dem amerikanischen Aktienmarkt wird hingegen mit einer Untergewichtung von US-Werten Rechnung getragen. Relativ
schwächer wird auch der japanische Markt eingeschätzt.
Im Segment der festverzinslichen Wertpapiere knüpft Brezinschek die höchsten Ertragserwartungen an Unternehmensanleihen.
Das gilt für Investment Grades ebenso wie für High Yields. "Insbesondere im Bereich der High Yield
Bonds stimmt der Ausblick auf noch tiefere Spreadstände optimistisch." Dementsprechend werden nicht nur
Euro Investment Grades, sondern auch Euro High Yields übergewichtet. Bei Staatspapieren liegt das Augenmerk
auf Anleihen aus CEE (Euro und Lokalwährung) sowie dem Euroraum. |