ORF darf zwei Programme anbieten, dafür aber keine Gebühren verwenden
Wien (pk) – Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Veranstaltung und Verbreitung von mobilem
terrestrischem Fernsehen können vom Nationalrat noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Der Verfassungsausschuss
des Nationalrats billigte in seiner Sitzung vom 03.07. einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf der Regierung.
Allerdings wurden von den Koalitionsparteien mittels eines Abänderungsantrags noch einige Adaptierungen vorgenommen.
Insbesonders wurde präzisiert, dass sich eines der beiden dem ORF zugestandenen Handy-TV-Programme auf das
Angebot von TW1 – Tourismus, Wetter und Reise, gegebenenfalls künftig ergänzt um Information – beschränken
muss. Die Bestimmung, dass für Handy-Fernsehen des ORF keine Rundfunkgebühren herangezogen werden dürfen,
blieb bestehen.
In Form einer mit S-V-Mehrheit angenommenen Ausschussfeststellung spricht sich der Verfassungsausschuss darüber
hinaus dafür aus, möglichst rasch ein Konzept für eine unabhängige Medienbehörde zu erstellen.
Überdies wollen die Koalitionsparteien TW1 ehestmöglich zu einem öffentlich rechtlich finanzierten
Spartenkanal umwandeln, dessen Programm vor allem Information, Kultur und Wissenschaft umfassen soll.
Im Rahmen der Ausschussberatungen hoben sowohl ÖVP-Mediensprecher Franz Morak als auch die zuständige
Ministerin Doris Bures hervor, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtige.
Entgegen dem ursprünglichen Begutachtungsentwurf sei der ORF nun nicht mehr bevorzugt, meinte Morak, vielmehr
gebe es einen Interessenausgleich zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Privatanbietern und Netzbetreibern.
Auch gegenüber Urhebern sieht er mehr Fairness. Das Gesetz werde den Praxistest noch bestehen müssen,
sagte Morak, nach heutigem Wissensstand enthalte es aber brauchbare Regelungen und sei eine Chance für das
duale System.
Ministerin Bures hielt fest, Österreich nehme mit dem Gesetzentwurf europaweit eine Vorreiterrolle ein. Sie
betonte, dass nicht nur ein Interessenausgleich zwischen allen Marktbeteiligten gefunden worden sei, sondern auch
die Interessen der KonsumentInnen und des Jugendschutzes in den Gesetzestext eingeflossen seien. Bures zufolge
könnte die EURO 2008 eine Antriebsfeder sein, um Handy-TV zu implementieren.
Klargestellt wurde von Bures, dass für Handy-TV keine ORF-Gebühren zu bezahlen sein werden. Zu den Werbezeitregelungen
merkte sie an, da für das Programm keine Gebühren verwendet werden dürften, müsse es sich wirtschaftlich
rechnen.
Zuvor hatte sich Grün-Abgeordneter Dieter Brosz kritisch zur erlaubten 10%-igen Werbezeit für den ORF
geäußert. Generell konstatierte er, seine Fraktion halte die vorgeschlagenen Regelungen für einen
gangbaren Weg, es sei allerdings notwendig, die Marktverhältnisse zu beobachten.
Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) hob als positiv hervor, dass durch Handy-TV neue Arbeitsplätze geschaffen
werden könnten. Durch das Basispaket ist ihr zufolge überdies garantiert, dass die Kosten insbesondere
auch für Jugendliche und deren Eltern kalkulierbar blieben.
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) sprach sich für ein generelles Überdenken der ORF-Gebühren
aus. Seiner Meinung nach sollten FernsehzuschauerInnen, die das ORF-Programm nicht nutzen, auch keine Gebühren
zahlen müssen.
Kein Verständnis zeigten die drei Oppositionsparteien für die Ausschussfeststellung. Eine Ausschussfeststellung
habe in der Regel den Sinn, Gesetzespassagen zu interpretieren, meinte etwa Abgeordneter Brosz, sie sei jedenfalls
nicht dazu da, Verhandlungen der Koalitionsparteien sicherzustellen. Brosz drängte darauf, die Opposition
in die Gespräche über die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde einzubinden. Ähnlich
äußerten sich die Abgeordneten Dolinschek (B) und Robert Aspöck (F).
ÖVP-Mediensprecher Morak begründete die Ausschussfeststellung mit der Bedeutung, die die Einrichtung
einer unabhängigen Medienbehörde habe. Man könne dieses Thema nicht wichtig genug nehmen, sagte
er. Ministerin Bures hielt fest, es stehe außer Zweifel, dass Österreich eine Medienbehörde brauche,
die europäischen Standards entspreche.
Die Regierungsvorlage wurde von den Abgeordneten unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags einstimmig
gebilligt.
Unter mobilem terrestrischen Fernsehen sind spezielle Fernsehprogramme für Mobiltelefone bzw. andere mobile
Endgeräte zu verstehen, die eine geringe Auflösung haben, an die Bildschirmgröße solcher Geräte
angepasst sind und deren Übertragungsstandard einen möglichst stromsparenden Empfang ermöglicht.
Als Übertragungsstandard kommen hier – anstelle von DVB-T – zum Beispiel DVB-H oder DMB in Frage.
Übertragen werden sollen die Programme über so genannte Multiplex-Plattformen, wobei es gemäß
Erläuterungen zum Gesetzentwurf technisch möglich sein wird, über eine Multiplex-Plattform 10 bis
20 Handy-TV-Programme und mehr auszustrahlen. Die Entscheidung über den Plattform-Betreiber obliegt der Regulierungsbehörde
RTR, wobei jenen Bewerbern der Vorzug einzuräumen ist, die das konsumentenfreundlichste Konzept haben. Entsprechende
Kriterien sind etwa ein hoher Versorgungsgrad, ein möglichst vielfältiges Programm, die ausreichende
Versorgung mit Endgeräten und günstige Preise für den Empfang der Programme. Der notwendigen Einbindung
von Handybetreibern in die Verbreitung von mobilem terrestrischem Fernsehen trägt der Gesetzentwurf durch
die gesetzliche Verankerung von so genannten "Programmaggregatoren" Rechnung.
Betreibern von Multiplex-Plattformen wird es auch erlaubt sein, verschlüsselte Programme auszustrahlen, die
einzelne Mobilfunkbetreiber als spezielles Programmpaket anbieten können ("Premium Content"). Mindestens
die Hälfte der Übertragungskapazität (Datenrate) muss jedoch für Programme reserviert sein,
die unabhängig vom Programmaggregator allen Empfängern (Abonnenten) zur Verfügung stehen ("Basispaket").
Nur bei zu geringer Nachfrage kann die Datenrate für das Basispaket auf bis zu 30 % herabgesetzt werden.
Der ORF erhält durch eine Änderung des ORF-Gesetzes die ausdrückliche Erlaubnis, bis zu zwei Handy-TV-Programme
anzubieten, wobei sich eines dieser Programme auf das Angebot von TW1 beschränken muss. Die Heranziehung von
Rundfunkgebühren für Handy-Fernsehen ist nicht gestattet. Die Einhaltung der ausschließlich für
den ORF auferlegten Werbebeschränken – 10 % der täglichen Sendezeit – wird von der KommAustria kontrolliert.
Mit einem Testbetrieb für mobiles terrestrisches Fernsehen wurde laut Erläuterungen zum Gesetzentwurf
im März 2007 begonnen. |