Gusenbauer: Österreich soll wirtschaftspolitische Vorreiterrolle einnehmen  

erstellt am
10. 07. 07

Strategische Ausrichtung der Regierung liefert richtige Ansatzpunkte
Wien (sk) - "Der Wirtschaftsbericht 2007 bestätigt, dass die wirtschaftspolitische Strategie Österreichs, die nicht nur auf angebotsseitige Instrumente setzt, sondern diese in kluger Weise mit nachfrageseitigen Maßnahmen kombiniert, überaus erfolgreich ist", erklärte Bundeskanzler Gusenbauer am 09.07. bei der Präsentation des Berichtes. Allerdings werde unserem Land in den internationalen wirtschaftspolitischen Debatten viel zu selten eine Vorbildfunktion zugesprochen. "Meine Vision ist, dass, wenn es um die Suche nach best practice Modellen geht, Österreich an der Spitze rangiert" betonte Gusenbauer.

Die strategische Ausrichtung der Bundesregierung in den Bereichen Klimaschutz, Soziales, Bildung und - besonders wichtig - Innovation liefere die absolut richtigen Ansatzpunkte. "Daher bin ich zuversichtlich, dass Österreich schon in wenigen Jahren nicht nach anderen Ländern als Referenzpunkt blickt, sondern dass das österreichische Modell das neue Referenzmodell sein wird", so Gusenbauer.

"Österreich, das lange Zeit etwas herablassend als eine verlängerte Werkbank seines großen Nachbarn angesehen worden war, ist mittlerweile zum Netto-Exporteur von Direktinvestitionskapital geworden", nannte Gusenbauer einen der Erfolgfaktoren. Als weiteren "entscheidenden Wettbewerbsvorteil" bezeichnete der Kanzler die hervorragend ausgebildeten Arbeitskräfte. Auch die funktionierende Sozialpartnerschaft leiste einen großen Beitrag zur guten Wirtschaftslage in unserem Land. Zudem hätten viele heimische Unternehmen die Gunst der Stunde genutzt ("First move bonus") und sich im mittel- und osteuropäischen Raum zu bedeutenden Akteuren entwickelt. Damit Österreich aber seine Wettbewerbsposition halten bzw. langfristig weiter auszubauen kann, müssen Maßnahmen in mehreren Bereichen gesetzt werden.

Wirtschaft profitiert von Klimaschutzmaßnahmen
Ein Anliegen mit oberster Priorität sei für diese Bundesregierung der Klimaschutz und die Umweltpolitik, unterstrich Gusenbauer. Der Bundeskanzler verwies dabei auf die heimische Klimastrategie, für die auf einem Klimagipfel der Startschuss erfolgt ist. Die Arbeit der Bundesregierung konzentriere sich auf die Schwerpunkte Energieeffizienz, Energiesparen und erneuerbare Energien. Am Wirkvollsten sind laut Gusenbauer Maßnahmen für Energieeffizienz.

Mit der Errichtung des Klima- und Energiefonds habe die Regierung einen beachtlichen Schritt gesetzt, etwa zur Förderung neuer Technologien. Es gehe aber nicht nur um Entwicklung neuer Technologien. Selbst wenn die Technologien, die heute schon verfügbar sind, sich aber am Markt noch nicht durchsetzen können, eingesetzt würden, könnte enormes Einsparungspotential bei Treibhausgasemissionen genützt werden. Großes ungenütztes Potential sieht Gusenbauer bei der Raumwärme.

Ein ganz wichtiger Bereich sei der Verkehr, machte Gusenbauer deutlich. Verkehr sei in den letzten Jahren zu einem der Hauptverursacher von C02-Emmissionen geworden. Im Vordergrund stehe dabei vor allem der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Grundsätzlich sei aber festzuhalten, dass die Wirtschaft von Klimaschutzmaßnehmen profitiert. "Manche Maßnahmen kosten etwas, aber das wird durch Energie-Einsparungen und durch die dadurch ausgelösten Innovationen mehr als kompensiert", so Gusenbauer.


Anreize für gut bezahlte Vollzeitarbeitsplätze schaffen
Zahlreiche Studien belegen, dass wirtschaftlich erfolgreiche Länder, immer auch soziale und ökologische Vorreiter sind, hielt Gusenbauer weiter fest. Der Bundeskanzler rief zugleich in Erinnerung, dass laut letzten sozialen Bericht (2003/04) mehr als eine Million Personen in Österreich arm sind, davon sind 467.000 Personen akut armutsgefährdet. Ein wesentlicher und mit der Armutsgefährdung in unmittelbarem Zusammenhang stehender Faktor sei der Rückgang des "Normalarbeitszeitverhältnisses" und das Aufkommen vielfältiger atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Letztere würden zum einen die Armutsgefährdung erhöhen, zugleich aber auch bedingen, dass traditionell am Normalarbeitszeitverhältnis ansetzende Leistungsansprüche für Formen der atypischen Beschäftigung nicht oder nur teilweise zugänglich sind.

Es gehe aber nicht nur um quantitative Zielsetzungen, die es zu erreichen gilt, sondern auch um qualitative, nannte Gusenbauer das Stichwort "Gute Arbeit". Gute Arbeit zeichne sich durch faire Löhne, Sicherheit, Einkommensgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, Gesundheitsschutz und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus. Österreich hat einen der flexibelsten Arbeitsmärkte Europas, was auch die Armut erhöht habe. Besonders Frauen seien hier aufgrund von Teilzeitbeschäftigung oder von prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen. Dies hat nicht nur nachhaltige Auswirkungen auf die Einkommensverteilung zwischen den Geschlechtern, sondern auch auf deren Rollen- und Machtverteilung in unserer Gesellschaft; die ohnehin ungünstigen Karriereperspektiven von Frauen werden durch Teilzeit noch verschlechtert.

"Um diesen Trend entgegenzuwirken, müssen Anreize geschaffen werden, vorwiegend gut bezahlte Vollarbeitsplätze zu schaffen", so Gusenbauer. Ein bedeutender und viel zu wenig beachteter Schritt in diese Richtung sei beispielsweise die Einigung über die Einführung von Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeit. Ein Zuschlag für Teilzeitarbeitskräfte werde die flexibel eingesetzte Teilzeitarbeit deutlich verteuern und damit den Anreiz für die Zerlegung von Vollzeitarbeitsplätzen in Teilzeitarbeitarbeitsplätze verringern. Auch die Einigung der Sozialpartner auf die Einführung eines Mindestlohnes von 1.000 Euro sei hier zu nennen und ein großer Erfolg. Es gehe darum, über die Versicherung Sozialstaat den Menschen die Möglichkeit zu bieten, mehr Risiken auf sich zu nehmen, als ohne, betonte Gusenbauer.

Investitionen in Bildung notwendig
Einer der zentralen Schwerpunkte der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der Regierung sei die Bildungspolitik. Gusenbauer verwies darauf, dass nach Jahren des Rückgangs - die Ausgaben für den Bildungsbereich deutlich erhöht wurden. Wichtige Reformen unseres Bildungswesens von der Vorschule bis zur Spitzenuniversität würden zügig umgesetzt. Dazu zählen etwa die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl oder der Ausbau der Ganztagsbetreuung für Schüler und Schülerinnen. Ab Herbst 2008 werde die "Neue Mittelschule" in Modellregionen realisiert. Gusenbauer betonte dabei ausdrücklich, dass die frühe Selektion von Kindern auf verschiedene Bildungswege "nicht nur sozial ungerecht, sondern auch nicht leistungsgerecht ist".

Mehr Geld für Bildung sei nur eine Seite der Medaille. Die zweite ist, die Strukturen des Bildungswesens so zu erneuen, dass sie ihren Beitrag zum sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt leisten können, unterstrich Gusenbauer. "Für jeden Euro, der nicht sinnvoll eingesetzt wird in der Bildung, wird man 10 Euro für sozialpolitische Maßnahmen zahlen müssen", so der Bundeskanzler.

Potenzial für Effizienzsteigerung bei Forschung
Österreich hat in den letzten 15 Jahren seine Position bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben kontinuierlich verbessert, erklärte Gusenbauer. Lag es 1990 unterhalb oder bestenfalls im Schnitt der EU-Mitgliedsländer, so liegt es jetzt auf Rang 5. Die Erreichung des Lissabonzieles von drei Prozent Ausgaben des BIP für Forschung und Entwicklung scheine möglich. Potenzial gebe es jedenfalls noch bei der Effizienz des Forschungsförderungssystems aus.


Höheres Wachstum durch höhere Löhne möglich
Die jüngsten Prognosen würden ein überaus erfreuliches Bild der konjunkturellen Entwicklung zeichnen, so Gusenbauer. Nach einem Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent im abgelaufenen Jahr 2006 wird für das heurige Jahr 2007 mit einem realen Anstieg des BIP von wiederum mehr als 3 Prozent gerechnet. Die Entwicklung sei breiter und stärker als ursprünglich angenommen, und sowohl vom Export, als auch von der Inlandsnachfrage getragen, erklärte der Kanzler.

Eher schwach bleibe - wie schon im Durchschnitt der vergangenen Jahre - der Konsum, führte Gusenbauer aus. Im Jahr 2008 werde eine leichte Abschwächung der Konjunktur erwartet, ebenso im Jahr darauf. Sollte der Konsum - bedingt etwa durch höhere Lohnabschlüsse - doch stärker als prognostiziert anziehen, wäre auch ein höheres Wachstum möglich. Der Bundeskanzler erinnerte an dieser Stelle daran, dass die bereinigte Lohnquote in Österreich seit den 1980er-Jahren kontinuierlich sinkt - "eine Entwicklung, die nicht nur unter Verteilungsgesichtspunkten problematisch ist, sondern auch Wachstum kostet".

Die Beschäftigungsquote sei mit 70,2 Prozent eine der höchsten in der EU, sagte Gusenbauer. Es sei auch gelungen, die Beschäftigungsquote von Frauen zu erhöhen, wenngleich die neuen Beschäftigungsverhältnisse hauptsächlich Teilzeitarbeitsplätze sind. Die Arbeitslosigkeit befinde sich mit derzeit 4,3 Prozent ebenfalls auf einem niedrigen Niveau, für 2008 prognostizieren die Wirtschaftsforschungsinstitute im Übrigen einen weiteren leichten Rückgang auf knapp über 4 Prozent. Laut OeNB wird auch 2009 die Arbeitslosenquote nicht unter vier Prozent fallen. Dass die Arbeitslosenquote trotz überaus dynamischen Beschäftigungswachstums nicht stärker sinkt, hängt laut Gusenbauer damit zusammen, dass das Arbeitsangebot stark zunimmt - bedingt durch die Pensionsreformen und durch Immigration.
 
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