Wien (wifo) - 2005 überquerten 4,1 Mio. schwere Straßengüterfahrzeuge
im Transitverkehr die Alpen und transportierten 60,9 Mio. t Güter. Trotz vieler Maßnahmen zur Eindämmung
des Wachstums des Lkw-Transits stieg sein Transportaufkommen in den letzten 20 Jahren auf das Zweieinhalbfache.
Bahn verliert Marktanteile
Mit 28,2 Mio. t entfällt das weitaus größte Transportaufkommen von Lkw im Transitverkehr (Verkehr
mit Versand- und Empfangsort im Ausland) auf die relativ dicht besiedelte und lärmsensible Inntal-Brenner-Route.
Mit Hilfe des "Transitvertrags" sollte das Wachstum des Schwerverkehrs auf der Brennerautobahn gebremst
werden. Das Transportaufkommen war aber im Straßentransit in den 10 Jahren vor Inkrafttreten des Transitvertrags
um 32% gestiegen, in den 10 Jahren unter dem Ökopunkteregime vergrößerte es sich um 57%. Der starke
Anstieg war möglich, weil die Ökopunkte nicht routenbezogen waren, sondern für alle Transitfahrten
in ganz Österreich galten. Frächter setzten ihr Ökopunktekontingent auf jenen Routen ein, auf denen
die besten Erträge zu erzielen waren. Der Marktanteil der Bahn schrumpfte von 32% 1994 auf 23% 2005.
Die Schweiz schloss 1999 mit der EG ein "Landverkehrsabkommen" ab und setzte das höchstzulässige
Gesamtgewicht für Lkw schrittweise von 28 t auf 40 t hinauf. Parallel dazu wurde die "Leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe" flächendeckend auf dem gesamten Straßennetz angehoben. Ab 2008 wird sie mit
0,77 Euro je Fahrzeugkilometer ungefähr dem üblichen Frachtsatz im internationalen Fernverkehr entsprechen.
Trotz des Anstiegs der Straßenabgabe erhöhte sich das Transportaufkommen im Lkw-Transit durch die Schweizer
Alpen zwischen 2000 und 2005 um 75%. Der Marktanteil der Bahn betrug 2000 78%, 2005 72%.
Verschieden taugliche Vorschläge zur Lösung des Transitproblems
Es gibt viele Vorschläge für Maßnahmen zur Entlastung der Transitregionen vom Schwerverkehr. Dabei
sind die verkehrspolitischen Zielsetzungen der Europäischen Gemeinschaft zu beachten – die Freiheit des Warenverkehrs
und der Wahl der Verkehrsmittel, den fairen Wettbewerb zwischen den Transportunternehmen, das Verbot der Diskriminierung
von Transportunternehmen über unterschiedliche Bedingungen nach ihrer Herkunft innerhalb der EU. Die Benutzergebühren
für die Infrastruktur müssen den tatsächlichen betrieblichen Kosten entsprechen.
Das nunmehr unterzeichnete "Verkehrsprotokoll" des Übereinkommens zum Schutz der Alpen sieht die
Einrechnung der externen Kosten in verkehrsspezifische Abgaben vor. Die Umsetzung der "Kostenwahrheit"
im Transitverkehr würde die Wirtschaft der Transitregionen besonders treffen: Ein Mautaufschlag in sensiblen
Regionen bildet für die gesamte Transportstrecke einen fixen Kostenbestandteil. Relativ am stärksten
würde sich der Güterverkehr auf kurzen Transportstrecken aus den und in die "sensiblen" Regionen
verteuern. Für geringe Transportentfernungen bietet sich die Bahn kaum als Alternative zum Lkw an. Generell
etwas höhere Straßenbenützungsgebühren für das gesamte Straßennetz der EU würden
mehr Transitgüter (mit geringen Anforderungen an die Lieferzeit) auf die Bahn bringen als Hochmauten allein
in den sensiblen Transitzonen. Wie die Genehmigung der jüngsten Anhebung der Lkw-Maut in Österreich durch
die Europäische Kommission zeigt, bestünde insbesondere in Deutschland und Italien noch ein großer
Spielraum für eine Mautanhebung, die auch der Wegekostenrichtlinie entspräche.
Gemäß "Verkehrsprotokoll" sollen durch die Alpen keine neuen Autobahnen gebaut werden. Für
den Ausbau bestehender Straßen sind strenge Zweckmäßigkeits-, Umweltverträglichkeits- und
Risikoprüfungen Vorraussetzung. Unter diesen Bedingungen wird es künftig sehr schwierig sein, kapazitätserweiternde
Straßenausbauten durchzusetzen. Bei weiter zunehmendem Verkehr ist auf den Transitstrecken mit häufigeren
und länger anhaltenden Staus zu rechnen. Die damit verbundenen Staukosten treffen aber, ähnlich wie ein
Mautaufschlag, den Loko-, Quell- und Zielverkehr stärker als den Transitverkehr.
Der Transitverkehr ist durchwegs Langstreckenverkehr – ein Segment, in dem die Bahn sich am ehesten gegen den Straßengüterverkehr
behaupten kann. In Österreich und insbesondere in der Schweiz erhofft die Verkehrspolitik vom Ausbau der Schienen-Alpentransversalen
eine Transportverlagerung von der Straße zur Schiene. Die Angebotsschwäche der Bahnen lag weniger in
Infrastrukturengpässen als vielmehr in der Abwicklung der internationalen Transporte. Die EU erwartet hier
von der Öffnung der Bahnnetze und den damit verbundenen Wettbewerbseffekten sowie europaweit einheitlichen
bahntechnischen Normen wesentliche Verbesserungen.
Ein Verbot des Transports von "Bahngütern" auf der Straße soll eine Verlagerung des Güterverkehrs
zur Bahn bewirken. Ob sich ein Transport besser für die Bahn als für die Straße eignet, hängt
weniger von der Art des Gutes als vom gesamten Transportablauf ab (gebrochener oder ungebrochener Verkehr). Staatliche
Regelungen für die Verteilung der Güter auf die Transportmittel scheinen ökonomisch wenig zielführend.
Eher als dirigistische Eingriffe dürfte der freie Wettbewerb einen optimalen Einsatz von knappen Ressourcen
(Verkehrsfläche, Umweltgüter) bewirken. Das erfordert freilich, dass der Staat für die Nutzung dieser
Ressourcen Märkte schafft, die entsprechende Preissignale geben.
Das WIFO entwickelte und publizierte 1989 ein entsprechendes Modell für an einer Börse handelbare Transitkontingente.
Dieses Modell wurde inzwischen auch von der Schweiz vorgeschlagen. Es entspricht aber nicht der EU-Verkehrsmarktordnung
und wird politisch nur schwer durchzusetzen sein.
Quelle: WIFO
Autor: Wilfried Puwein |