Erbliche Grundlagen für die koronare Herzerkrankung und den Herzinfarkt entscheidend aufgeklärt
- Identifizierung von Hochrisiko- Personen möglich
Lübeck (idw) - Ein europäisches Konsortium unter Führung der Universität Lübeck
hat die bislang umfassendste Analyse zur Vererbung des Herzinfarktes im renommierten "New England Journal
of Medicine" veröffentlicht (18. Juli 2007). Dabei wurden völlig neue und besonders risikobehaftete
Erbfaktoren identifiziert.
Jedes Jahr sterben in Europa rund 750.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Die zugrunde liegende Erkrankung der Herzkranzarterien
und der Herzinfarkt gehören damit in Deutschland zu den mit Abstand häufigsten Todesursachen. Neben traditionellen
Risikofaktoren wie Alter, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Zigarettenrauchen und
Übergewicht, spielen vererbbare Risikofaktoren eine erhebliche Rolle bei der Entstehung der Erkrankung.
Das vom Nationalen Genomforschungsnetzwerk (NGFN) und der EU finanzierte Konsortium "Cardiogenics" umfasst
Forscher aus Deutschland (Lübeck, Regensburg, München), Großbritannien (Leicester und Cambridge)
und Frankreich (Paris). Das Konsortium beschäftigt sich mit der Aufklärung der erblichen Faktoren. Technische
Fortschritte, insbesondere die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der genomweiten Analysenmethoden, haben nun
die bislang umfassendste Studie zur Vererbung der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarktes möglich gemacht.
Genetischer Hintergrund Erst seit wenigen Monaten ist die gleichzeitige Analyse von 500.000 über das gesamte
Genom verteilten Genvarianten, sogenannter SNPs, technisch durchführbar. Diese methodische Innovation hat
die Suche nach vererbbaren Krankheitsursachen revolutioniert. In kurzer Folge wurde so in den vergangenen Wochen
über die Identifikation bislang unbekannter Gene bzw. Genregionen für häufige Volkskrankheiten wie
Diabetes mellitus, Brustkrebs, Prostatakrebs oder Fettsucht berichtet. Im Rahmen des Cardiogenics-Konsortiums wurden
zwei Fall-Kontroll- Populationen aus England und Deutschland mit einem 500.000 SNP-Chip untersucht. Parallel wurden
zwei weitere genomweite Untersuchungen aus Island und Kanada zum Herzinfarkt publiziert.
Prof. Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein
in Lübeck und Koordinator des Cardiogenics-Konsortiums, berichtet: "Es ist erstaunlich, dass in all diesen
Untersuchungen derselbe Genlokus auf Chromosom 9p21.3 als Ursache für den Herzinfarkt identifiziert wurde.
Durch diese Genvariante kann sich für betroffene Personen das Erkrankungsrisiko verdoppeln."
Prof. Christian Hengstenberg, Kardiologe aus Regensburg und Mitautor der Arbeit erläutert, dass das häufige
Vorkommen des risikobehafteten Gens und der starke Effekt in unserer Bevölkerung jeden fünften Herzinfarkt
erklären könnten. Die Risikoerhöhung durch diese genetische Variante sei damit mit den bislang bekannten
traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren vergleichbar. Damit werde es in Zukunft wesentlich genauer
möglich sein, das Risiko für einen Herzinfarkt abzuschätzen.
PD. Dr. Jeanette Erdmann, Leiterin des molekulargenetischen Labors der Lübecker Klinik, führt weiter
aus, dass "anhand dieser hervorragenden Forschungsergebnisse auch die Hoffnung erwächst, neue Entstehungsmechanismen
für den Herzinfarkt zu finden und damit Medikamente zu entwickeln, die seine Entstehung verhindern".
"Nur die neue Technologie, die uns seit kurzem zur Verfügung steht, und die gute Zusammenarbeit der verschiedenen
Gruppen haben diese phantastischen Ergebnisse ermöglicht", erklärt Prof. Dr. Andreas Ziegler, verantwortlicher
Biostatistiker der Studie aus Lübeck.
Für Mitglieder von Herzinfarkt-Familien besteht durch die neuen Erkenntnisse schon in naher Zukunft die Chance,
rechtzeitig ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten. |