Bevorstehender EU-Agrarrat sorgt für Verunsicherung  

erstellt am
17. 07. 07

Wein, Zucker, GV-Kartoffel und Stilllegung im Mittelpunkt
Zucker-Umstrukturierungsregelung anhand von Fragebogen diskutiert
Brüssel/Wien (aiz) - Beim Agrarministerrat, der kommenden Montag und Dienstag (23./24.07., Anm.) in Brüssel stattfindet, wird die portugiesische Präsidentschaft zu Beginn ihre landwirtschaftlichen Schwerpunkte präsentieren. Bei der Juli-Sitzung stehen insbesondere die Reform der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) für Wein und die geplante neue Umstrukturierungsregelung für den Zuckersektor im Mittelpunkt. Weitere Themen sind die Flächenstilllegung, die Zulassung einer gentechnisch veränderten Kartoffelsorte, der derzeitige Sachstand bei den WTO-Verhandlungen und die Vogelgrippe-Situation.

Zucker: Geplante neue Umstrukturierungsregelung wird erörtert
Anhand eines Fragebogens der Präsidentschaft wird eine erste Diskussion zur neuen Umstrukturierungsregelung der Zuckerindustrie stattfinden. Da bisher nur rund 1,8 Mio. Tonnen Quotenzucker in den Fonds zurückgegeben worden sind, legte die Kommission - wie berichtet - einen Vorschlag zur Verbesserung der Regelungen vor. Wichtigstes Element dieses Vorschlages ist eine 10%ige freiwillige Quotenrückgabemöglichkeit für die Rübenproduzenten im Wirtschaftsjahr 2008/09, ohne Vetorecht der Industrie und mit zusätzlichem Top-up von Euro 237,50 pro aufgegebener Tonne.

Das österreichische Lebensministerium ist der Ansicht, dass am Prinzip der freiwilligen Restrukturierung prinzipiell festgehalten werden sollte. Allerdings hat es - wie berichtet - auch eine verpflichtende Quotenkürzung für alle Länder bereits im Wirtschaftsjahr 2007/08 als notwendig erachtet. Die zweite Frage, ob das neu eingeführte Element des Initiativrechtes für die Rübenbauern unterstützt wird, um den notwendigen Umstrukturierungsprozess zu stärken, wird von Österreich ebenfalls positiv beantwortet. Dieses trage zur höheren Attraktivität der Restrukturierung bei. Zur Frage drei, ob ein Zwei-Phasenmodell für die Anmeldung zur Restrukturierung im Wirtschaftsjahr 2008/09 eingeführt werden sollte, vermerkt das Lebensministerium, dass es selbst ein solches Modell vorgeschlagen habe. Punkto endgültiger Quotenkürzung zeigt sich Österreich damit einverstanden, dass bereits unternommene Restrukturierungs-Bemühungen auf Ebene der einzelnen Unternehmen berücksichtigt werden sollen. Das Dossier soll im September-Rat - gleichzeitig mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments - angenommen werden.

Orientierungsdebatte zur Weinmarktreform
Weiters wird der Rat eine Orientierungsdebatte zur Weinmarktreform führen. Der am 04.07. offiziell veröffentlichte Vorschlag entspricht laut Lebensministerium inhaltlich im Wesentlichen der Kommissionsmitteilung, die im vorigen Jahr vom Rat diskutiert worden ist. Insofern kritisieren einige Mitgliedstaaten, dass die Änderungswünsche der Delegationen nicht berücksichtigt worden seien.

Österreich ortet einen Reformbedarf des europäischen Weinmarktes, insbesondere, was die Abschaffung der derzeitigen Instrumente zur Überschussbeseitigung betrifft. Wichtig sei allerdings die Erhaltung der traditionellen Weinherstellung mit vielfältigen Herkünften. Der vorgeschlagene nationale Finanzrahmen mit dem Maßnahmenbündel - wie etwa der Umstellungsförderung oder der Absatzförderung auf Drittlandsmärkten - wird von Österreich begrüßt. Die Umstellungsförderung, die sich in Österreich bisher sehr positiv auf die Absatzchancen der Betriebe ausgewirkt habe, sollte auf Kellertechnik oder Marketing ausgeweitet werden, betont das Lebensministerium. Ablehnend steht Österreich den geplanten Rodungen, der Abschaffung des Pflanzrechtsystems mit den vorhersehbaren, negativen Folgen für die Qualität der Weine, der wiederholten Änderung der Etikettierungsvorschriften und insbesondere dem Verbot des Saccharose-Zusatzes gegenüber. Die Diskussionen zur Weinmarktreform werden im Rat ab Oktober fortgesetzt. Als Ziel wird eine politische Einigung noch Ende des Jahres angepeilt.

Österreich gegen Zulassung von GV-Kartoffel
Ein weiteres Thema beim Agrarministerrat ist die Zulassung einer gentechnisch veränderten (GV-)Kartoffelsorte mit höherem Stärke-Gehalt. Im dafür verantwortlichen Ständigen Ausschuss konnte keine qualifizierte Mehrheit dafür oder dagegen erzielt werden. Der Entscheidungsvorschlag der Kommission sieht die Zulassung der GVO-Kartoffelsorte für den Anbau und die Verarbeitung zu industrieller Stärke vor, der Zulassungswerber hat jedoch parallel dazu eine Genehmigung für dasselbe Produkt zur Verwendung als Lebens- und Futtermittel beantragt. Während das Gutachten der Europäischen Lebensmittelsicherheits-Agentur (EFSA) positiv ausfällt, wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) auf mögliche negative Auswirkungen - wie beispielsweise die Gefahr einer Antibiotika-Resistenz - hingewiesen. Österreich wird sich deshalb gegen die Zulassung der Kartoffellinie aussprechen. Die Risikobewertung hinsichtlich toxikologischer oder allergener Auswirkungen des Produkts sei noch nicht abgeschlossen und die Trennung zwischen industrieller Verwendung und der Lebensmittelkette nicht gewährleistet.

Flächenstilllegung soll auf Null gesetzt werden
Der Satz für die Flächenstilllegung wird im Wirtschaftsjahr 2008/09 wahrscheinlich auf Null gesetzt. Noch ist nichts entschieden, aber die Chancen stehen gut. Schweden möchte dieses Thema beim Rat unter dem Tagesordnungspunkt "Sonstiges" diskutieren, nachdem es unter den EU-Mitgliedern speziell dazu eine Umfrage durchgeführt hat. Die Forderung nach einem Stilllegungssatz von Null im kommenden Wirtschaftsjahr wird von den meisten Mitgliedstaaten - angesichts der steigenden Getreidepreise auf dem Weltmarkt - scheinbar gutgeheißen. Sollte sich dieser Eindruck am kommenden Montag bestätigen, wird die EU-Kommission wahrscheinlich einen entsprechenden Vorschlag ankündigen. Ein formaler Beschluss zum Stilllegungssatz ist erst im Laufe der nächsten Monate möglich. Um den Landwirten für ihre Herbstaussaat Klarheit zu verschaffen, könnte aber eine politische Ankündigung möglicherweise schon einmal im Amtsblatt der EU erscheinen.

 

 Pröll: EU-Weinsektor nicht ungeregelten Liberalisierungsschritten opfern
Kundgebung der Europäischen Konferenz der Weinbauregionen in Brüssel
Wien (bmlfuw/aiz) - Am Rande des EU-Agrarministerrates fand am 16.07. in Brüssel eine Kundgebung der Europäischen Konferenz der Weinbauregionen (AREV) statt, die den EU-Kommissionsvorschlag zur geplanten Reform der europäischen Weinmarktordnung in seiner derzeitigen Form scharf kritisiert. Unser Land wurde dabei vom Österreichischen Weinbauverband vertreten. Landwirtschaftsminister Josef Pröll trat als erster europäischer Minister vor die Menge und suchte das Gespräch zu den Winzern. "Ich kann deren Anliegen verstehen und bin in den zentralen Kritikpunkten mit ihnen einer Meinung", sagte Pröll in einem anschließenden Gespräch mit dem AIZ. "Der europäische Weinsektor darf nicht ungeregelten Liberalisierungsschritten zum Opfer fallen", so Pröll.
"Ich kann deren Anliegen verstehen und bin in den zentralen Kritikpunkten mit ihnen einer Meinung", sagte Pröll in einem anschließenden Gespräch mit dem AIZ. "Der europäische Weinsektor darf nicht ungeregelten Liberalisierungsschritten zum Opfer fallen", so Pröll.

Mitteleuropäische Länder sollen nicht Zeche zahlen
Er bekenne sich zum allgemeinen Wunsch nach einer neuen Marktordnung, allerdings gebe es noch erheblichen Diskussionsbedarf. "Man darf das Kind nicht mit dem Bad ausschütten", meinte Pröll. "Die mitteleuropäischen Länder sollen nicht die Zeche zahlen für diejenigen Regionen, die die Überschüsse produzieren. Dafür werde ich mich einsetzen", so der Minister. Nun sei es entscheidend, in den nächsten Monaten die richtigen Weichenstellungen zu setzen. Bis Ende des Jahres soll es laut Pröll gelingen, eine Einigung unter den 27 Mitgliedstaaten zu erreichen.

Weinbauverband kritisiert "extreme Liberalisierungsschritte"
"Hauptkritikpunkt sind die extremen Liberalisierungsschritte", meinte auch Josef Glatt, Geschäftsführer des Österreichischen Weinbauverbandes. Würden das Pflanzrecht und der Weinbaukataster freigegeben, könnte jeder Wein anbauen, wo er wolle - auch großindustriell in Tieflagen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Weinbau nicht mehr in den Gebieten und Lagen gepflanzt werde, wo er primär hingehöre, nämlich in Steillagen und Berggebieten. "Es besteht die Gefahr, dass der klassische, europäische, kleinbetrieblich strukturierte Weinbau zu Grunde geht", so Glatt. Man dürfe nicht eine noch stärkere Konkurrenz gegen den europäischen Qualitätsweinbau schaffen.

Herkunftskategorien statt Qualitätskategorien?
"Der derzeit vorliegende Vorschlag ist ungenügend", so Glatt. Auch bei den Qualitätskategorien verfolge die Kommission eine Linie, die kontraproduktiv sei. So soll in Zukunft nicht mehr zwischen Tafelwein und Qualitätswein unterschieden werden. Stattdessen seien verschiedene Herkunftskategorien vorgesehen. Auch billiger Tafelwein könnte in Zukunft mit Jahrgang und Herkunft gekennzeichnet werden, was für den Konsumenten irreführend wäre.

Ein weiterer Kritikpunkt ist das geplante Verbot der traditionellen Saccharose-Anreicherung des Mostes bei der Weinherstellung, wie es in den mitteleuropäischen Ländern gehandhabt wird. Die stattdessen vorgesehene Anreicherung mit rektifiziertem Traubenmost-Konzentrat sei teuer und schwierig zu handhaben, so Glatt. Auch die geplante Rodung eigne sich nicht zur Überschussbeseitigung. Diese öffne vielmehr nur den Markt für Drittstaaten, so der Österreichische Weinbauverband.

 

 Bayr: Beim Importverbot von gentechnisch veränderten Kartoffeln hart bleiben!
Oberste Priorität ist die Gesundheit der EU-BürgerInnen
Wien (sk) - Entschieden gegen die Einfuhr gentechnisch veränderter Kartoffeln wandte sich heute SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr. "Es ist guter österreichischer Konsens, dass Gentechnik in Lebensmitteln nichts verloren hat. Daher muss sich Österreich mit Nachdruck dagegen wehren, wenn die EU-Kommission als verlängerter Arm der Gentechnik-Lobby agiert und die gentechnikfreien Länder zwangsbeglücken will. Oberste politische Priorität hat der Schutz der Gesundheit der BewohnerInnen der EU und nicht die Profitgier der an der Gentechnik verdienenden Konzerne", so Bayr am 17.07. gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.

Die SPÖ-Umweltsprecherin appellierte an Minister Pröll, in dieser Frage hart zu bleiben und massiv für ein nationales Importverbot der Gen-Kartoffeln einzutreten. Zudem plädiert Bayr, auf europäischer Ebene Bündnispartner zu suchen. "Denn Gentechnik in den Lebensmittel wird von den KonsumentInnen in etlichen EU-Ländern abgelehnt. Hier gilt es, gemeinsam entschiedenen Widerstand gegen die unverständliche Linie der EU-Kommission zu leisten", so Bayr abschließend.

 

 Pirklhuber: Geplante Zulassung der Gentechnik-Kartoffel grob fahrlässig
Grüne bringen Antrag auf Importverbot ein
Wien (grüne) - "Da die Kommission im Bereich Agro-Gentechnik stets eine industriefreundliche Haltung einnimmt und sich nicht am Vorsorgeprinzip zugunsten der Bürgerinnen und Bürger orientiert, muss Österreich ein sofortiges Importverbot für die Gentechnik-Kartoffel Solanum Tuberosum erlassen, sobald dieses Produkt von der Kommission zugelassen wird", fordert der Landwirtschaftssprecher der Grünen, Wolfgang Pirklhuber. Die Grünen kündigen einen diesbezüglichen Entschließungsantrag an, in dem die zuständigen Bundesminister Kdolsky und Pröll zu dieser Maßnahme aufgefordert werden. "Es ist fahrlässig, dieses Produkt zuzulassen und sich über wissenschaftlich begründete Bedenken seitens der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA hinwegzusetzen", warnt Pirklhuber. Die EMEA hatte vor einer Freisetzung der antibiotika-resistenten Sorte gewarnt und auf die Wichtigkeit dieser Antibiotika in der Humanmedizin hingewiesen.

Es sei auch ein Trauerspiel, dass sich die EU-Agrarminister nicht zu einer klaren Haltung zugunsten einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Europa durchringen können und dadurch keine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung zustande kam, so Pirklhuber weiter. Damit liege der Ball bei der Kommission, die bereits angekündigt hat, diese Sorte zum Anbau freizugeben.

"Da die österreichischen Importverbote fundiert und wissenschaftlich begründet sein müssen, appellieren wir an BM Kdolsky und Pröll, für den Bereich Agro-Gentechnik in Österreich eine ökologische Sicherheits- und Risikoforschung, die sich primär dem Vorsorgeprinzip verpflichtet weiß, zu etablieren. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag der Grünen liege ebenfalls vor", so Pirklhuber abschließend.

 

 Strache gegen Zulassung gentechnisch veränderter Erdäpfel
Gentechnik-Diktatur will Bauern zu Leibeigenen machen und gesunde Nahrung zerstören
Wien (fpd) - Vehement gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten Erdäpfeln sprach sich FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache aus. Es werde immer offensichtlicher, dass die Brüsseler Eurokraten willfährige Diener der Gentechnik-Diktatur seien.

Der freiheitliche Bundesparteiobmann sprach von einem umweltpolitischen Skandal ersten Ranges. "Man will in der gesamten EU schön langsam die Gentechnik einführen und unsere Bauern zu Leibeigenen der Gen-Industrie machen, indem man die umweltbewusste gesunde Nahrung zerstört und die Selbsternährungsfähigkeit der europäischen Völker auszuschalten versucht, um diese zu kontrollieren." Strache erinnerte in diesem Zusammenhang an eine Aussage des ehemaligen US-Außenministers und überzeugten Gentechnik-Lobbyisten Henry Kissinger, der sinngemäß gemeint habe, wer die Nahrung kontrolliere, kontrolliere die Menschen.

Diese ganze Entwicklung beweise, wie wichtig die aktuelle FPÖ-Petition gegen Gentechnik sei, erklärte Strache. Die europäischen Völker müssten sich gegen diese brandgefährliche Entwicklung zur Wehr setzen.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
zurück