Neues Forschungsprojekt an der TUHH Hamburg
Hamburg (idw) - Gewebekulturen in dreidimensionaler Form (3D) können anstelle der heute noch
üblichen Tierversuche treten. Wissenschaftler der TUHH entwickeln einen Bioreaktor zur Kultivierung humaner
Zellen mit dreidimensional gewachsenen Strukturen. Ziel ist ein neues Testverfahren auf der Basis menschlichen
Zellgewebes. Es wird erwartet, dass damit ein Durchbruch gelingt für die Lösung vieler Probleme, die
in der Wirkstoff-Testung heute noch bestehen. Vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt des Verbraucher- und Patientenschutzes
stellt das neue Verfahren einen Fortschritt dar.
Das mit insgesamt 300.000 Euro von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forscher finanzierte Projekt "Kultivierungs-
und Analysetools für humane Gewebezellen zur Anwendung im Tissue Engineering und in der In-vitro-Diagnostik"
wird in Kooperation mit zwei Unternehmen der Arzneimittelbranche durchgeführt, der Zellwerk GmbH in Eichstätt
sowie der Bioglobe GmbH in Hamburg. Es hat eine Laufzeit von zwei Jahren.
Gewebekulturen können aus mehreren Gründen einen höheren Patientenschutz gewährleisten: In
der Entwicklung neuer therapeutischer Wirkstoffe kann bis heute nicht ausreichend definiert werden, ob ein Medikament
Rezeptoren enthält, die sich gegen menschliche Zellen richten. In Tierversuchen ist dies oftmals nicht zu
erkennen, mit unvorhersehbaren Effekten für den Konsumenten, positiver wie negativer Art. Ob ein Arzneimittel
negative Nebenwirkungen oder eine Kosmetika Hautreizungen auslöst, wird in Zukunft mit Gewebekulturen getestet
werden können und Laborversuche an Tieren ersetzen. Die neuen Testverfahren sind sogar klinischen Studien
überlegen. Bei vielen neuen Wirkstoffen treten unerwünschte Reaktionen oft erst nach der Zulassung als
Arzneimittel auf - trotz zuvor positiv verlaufender klinischer Studien. Dies liegt daran, dass die genetische Vielfalt
aller Patienten, die mit diesem Arzneimittel behandelt werden, nicht erfasst werden kann.
Gemeinsames Ziel der am Projekt beteiligten Partner ist es, ein System multipler Bioreaktoren zu entwickeln, die
in vitro-Tests mit Gewebe- und Stammzellen sowie Toxizitätstest möglich machen wie auch Tests zur Wirkung
von Pharmazeutika und Kosmetika auf Humanzellen. Das Projekt ist an der TU Hamburg-Harburg in den neu gegründeten
Forschungsschwerpunkt "Regeneration, Implantate und Medizintechnik" integriert. "Wir sind dabei,
ein in der Praxis einsetzbares Instrumentarium zu entwickeln, das das Wachstum von dreidimensionalen gewebeartigen
Strukturen bei ausgewählten humanen Zellen fördert", sagt Dr. Ralf Pörtner. Unter seiner Leitung
wird zu diesem Zweck an der TUHH am Institut für Bioprozess-und Biosystemtechnik ein multifunktional einsetzbares
Bioreaktorenkonzept entwickelt, in dem Gewebezellen auf keramischen Trägern kultiviert werden. Die speziellen
keramischen Träger - Hersteller ist die Zellwerk GmbH - verfügen über eine makroporige Struktur
und über mikroporige, nano-raue Oberflächen, beides fördert das 3D-Wachstum von Zellen. Basierend
auf diesem System werden an der TUHH Verfahren zur Kultivierung von Knorpelgewebe erarbeitet. Die Entwicklung von
Gewebekulturtests mit adulten Stammzellen sowie humanen Leberzellen liegt beim Projektpartner aus der Industrie,
der Zellwerk GmbH. Das Unternehmen Bioglobe wird die Eigenschaften der 3D-Gewebezellen charakterisieren und mit
denen von Zellen aus natürlichem Gewebe sowie 2D-Kulturen vergleichen. |