Reden von Rabl-Stadler, Burgstaller, Schmied, Fischer und Flimm zur Eröffnung
der Salzburger Festspiele 2007
Salzburg (lk) - Mit einer Festveranstaltung in der Felsenreitschule wurden am 27.07. die Salzburger
Festspiele 2007 eröffnet. Festspielpräsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler begrüßte die Anwesenden,
darunter Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer mit Mitgliedern der Bundesregierung, Nationalratspräsidentin
Mag. Barbara Brammer an der Spitze der Mitglieder gesetzgebender Körperschaften von Bund und Land und EU-Kommissarin
Dr. Benita Ferrero-Waldner, im Namen des Kuratoriums und des Direktoriums, im Namen der Mitarbeiter der Festspiele,
"die das Unmögliche möglich machen, nämlich 205 Veranstaltungen auf 15 Spielstätten in
36 Tagen". Sie sei heuer geradezu glücklich über die Möglichkeit zu einer eindeutigen Antwort
auf die Frage, welches Programm einem Festspielbesucher zu empfehlen sei. "Lassen Sie sich auf das Abenteuer
ein, mit Daniel Barenboim und seinem West-Eastern Divan Orchester eine Woche in Salzburg zu verbringen. Vergessen
Sie unsere romantischen Seen, unsere verlockenden Golfplätze, unsere herrlichen Gasthäuser. Nützen
Sie die Chance, ein Friedensprojekt zu erleben, das hoffentlich von der Kunst in den anderswo blutigen Alltag überschwappen
wird. Das war doch genau die Gründungsidee der Festspiele als Friedenswerk in Salzburg, im Herz vom Herzen
Europas. Für mich wäre es die schönste Erfüllung unseres einzigartigen Gründungsauftrages,
wenn die "Schule des Hörens" von den Salzburger Festspielen 2007 aus in die ganze Welt wirkte",
so die Festspielpräsidentin.
Burgstaller: Olympische Spiele der Kunst in Salzburg
"Wir können den Wert der Salzburger Festspiele für unser wunderschönes Land, für
ganz Österreich und weit darüber hinaus gar nicht hoch genug einschätzen", machte Landeshauptfrau
Mag. Gabi Burgstaller in ihren Begrüßungsworten deutlich. Für die Olympischen Spiele der Kunst
sei Salzburg der "logische" Austragungsort. "Damit das auch so bleibt, müssen wir uns kräftig
anstrengen. Es gilt nicht nur die besten Künstler der Welt zusammenzuführen und einen Spannungsbogen
mit einem einzigartigen Programm aufzubauen, sondern den Auftrag hinter diesen Festspielen zu erkennen, der sich
nicht auf schöne Unterhaltung reduzieren lässt", so Burgstaller. Sie sprach sich dafür aus,
der grassierenden "Globalisierung der Hoffnungslosigkeit" und ihren gewaltsamen Konsequenzen eine nachhaltige
"Globalisierung der Hoffnung" entgegenzusetzen.
Die Kunst könne das verantwortungsvolle eigene Handeln im Kleinen und Großen, insbesondere auch die
Politik nicht ersetzen. "Denn sie, die Kunst, vermag in gewisser Hinsicht ja noch viel mehr: Sie kann berühren
und bewegen. Alle und alles. Sie kann uns den Spiegel vorhalten und uns dabei abgrundtief erschrecken. Sie kann
uns im nächsten Augenblick aber in freudiges Staunen versetzen". Wenn die Kunst jedoch, so die Landeshauptfrau
weiter, beginnen würde, sich selbst zu inszenieren, zur bloßen Ablenkung vom Wesentlichen zu werden,
dann ginge sie vom Nichts ins Leere. In ihren Sternstunden aber lasse die Kunst im Spiel vom menschlichen Bemühen
zwischen den ewigen Motiven des Lebens etwas wie Orientierung erkennen.
Schmied: Mut zu mehr Investition in Kultur und Bildung
"Aufklärung" und "Vernunft" – das sind zentrale Themen der Salzburger Festspiele. "Als
Bildungs- und Kulturministerin dieses Landes will ich alles tun, um die Helligkeit der Aufklärung in unseren
Schulen und Kultureinrichtungen zu verstärken, damit die Sonne der Vernunft auf viele, auf alle unsere jungen
Menschen trifft. Wir müssen sie darin stärken, für ein friedliches Miteinander, für Toleranz
und Respekt einzutreten". Dies erklärte die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr.
Claudia Schmied.
Es liege eine faszinierende Breite an künstlerischen Angeboten vor uns. Viele Stücke wurden hier in Salzburg
noch nie zuvor realisiert, und das gilt nicht nur für zeitgenössische Werke, die etwa im Young Directors'
Project zur Aufführung gelangen werden. "Bildung und Kultur müssen öffentlicher Auftrag mit
höchstem Qualitätsanspruch sein. Es geht um die Ermutigung des Einzelnen, sich neuen Herausforderungen
selbstbewusst zu stellen und um den breiten, teilhabenden Zugang zu den Bildungs- und Kultureinrichtungen. Am Beginn
des 21. Jahrhunderts gehört es zu der 'Nachtseite der Vernunft', dass großzügige Investitionen
und Veränderungen in Bildung und Kultur oft nicht als Chancen – manche sagen die einzigen, die wir haben –
verstanden werden, sondern als Bedrohung", machte Schmied deutlich, die bemängelte, dass wir für
die heutigen und kommenden Herausforderungen zu wenig Geld und zu wenig Mut investieren: "Noch haben wir Zeit,
die Dunkelheit in unserer Gesellschaft durch eine Fackel für mehr Bildung und Kultur zu beseitigen. Auch die
Salzburger Festspiele würden davon profitieren", so die Ministerin.
Fischer: Erfolgreicher Weg zwischen Tradition und Erneuerung
Es sei eindrucksvoll festzustellen, wie weit der Weg sei, den die Salzburger Festspiele seit 1945 zurückgelegt
haben – ein Weg, der bei allen Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen letzten Endes doch ein erfolgreicher Weg
gewesen sei. Das betonte Bundespräsident Dr. Heinz Fischer bei seiner Eröffnungs-Rede. Erfolgreich sei
der Weg deshalb, weil es gelungen sei, sich Schritt für Schritt dem Ziel anzunähern, europäische
Kunst auf höchstem künstlerischem Niveau zu präsentieren und dabei die Balance zwischen Tradition
und Erneuerung nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Spannung durch mehr als sechs Jahrzehnte aufrecht zu erhalten,
sei eine Leistung, die Anerkennung und weiteren Ansporn verdiene.
Nach dem Feuerwerk Mozart'scher Werke, das vergangenes Jahr gezündet wurde, müsse man sich fragen, ob
nach dieser Kraftanstrengung noch Vergleichbares geboten werden könne. Es gehe aber nicht um Vergleichbares,
sondern um das Andere, um neue Themen und neue Ziele. Die "Nachtseite der Vernunft", das Motto der diesjährigen
Festspiele, könnte demnach als Kontrapunkt zur Lichtmetaphorik der Opern Mozarts mit ihrem bedingungslosen
Vertrauen in die Aufklärung verstanden werden, sagte Fischer.
Die Salzburger Festspiele seien eine tragende Säule in der Architektur der österreichischen und der europäischen
Kultur. Sie haben einer großen Zahl von Kulturschaffenden Entfaltungsmöglichkeiten geboten, künstlerische
Karrieren begründet und auf höchste Höhen geführt. Darüber hinaus haben sie einer großen
Zahl von Menschen aus allen Teilen der Welt Freude bereitet, so Fischer abschließend.
Flimm: Die Uhr geht nach vorne
Ein Plädoyer für das Zeitgenössische in der Kunst hielt Festspielintendant Prof. Jürgen
Flimm in seinen Eröffnungsworten: "Selten sind wir wie heute von Altem so überflutet worden, wir
müssen klug sein, dass uns die Gegenwart nicht abhanden kommt. Wir wissen, wie unerlässlich kreatives
Denken, Schaffen heute für morgen sein muss. Die Uhr geht nach vorne. Unsere Zukunft wird vom Heute gespeist.
Sonst vergreisen wir und sitzen zahnlos in alten Sälen und muffeln vor uns hin. Wenn die alten Griechen so
ängstlich mit Neuem gewesen wären wie wir, fragt ein römischer Philosoph, was hätten wir wohl
heute an Altem?", sagte Flimm.
Wer wolle ernsthaft in Zweifel ziehen, dass in den vergangenen 50 Jahren die leichte Kunst die hohe autonome als
Schatten begleitete, wie ein schlechtes Gewissen derselben. Die ernste Kunst habe sich stets denen verweigert,
deren Druck des Daseins den Ernst zum Hohn machte. "Das können wir uns alle hinter unsere Löffel
schreiben", so Intendant Flimm. Wer will abstreiten, dass diese leichte Kunst längst aus dem Schatten
getreten ist und eine neue und sehr gegenwärtige Kultur, eine vitale Kunstform, die sich ständig nach
vorne bewegt, entwickelt hat, dass Texte und Musik von Bob Dylan, Paul Mc Cartney, Jonny Cash, Tom Waits, Lou Reed,
Laurie Anderson und vielen anderen zur großen Poesie des 20. Jahrhunderts zu zählen sind, fragte Flimm
und thematisierte die unterschiedliche Aufnahme von zeitgenössischem Theater und zeitgenössischer Musik
beim Publikum: "Das zeitgenössische Drama hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung genommen.
Es gibt hunderte von Uraufführungen jedes Jahr im deutschsprachigen Raum. Die wenigsten werden nachgespielt,
aber immerhin sucht ein Teil der Theaterkünste nach einer zeitgenössischen Identität". Die
Musik sei aber – wie wir in Wilhelm Meister lesen können – "vielleicht am eminentesten, weil sie keinen
Stoff hat, der abgerechnet werden müsste. Sie ist ganz Form und Gehalt und veredelt alles, was sie ausdrückt."
Das mache sie für uns Hörer so schwer fassbar, sie suche gerade in den neuen Zeiten nach ihrem Ort und
hat oft die Zuhörer verloren, die in anderen Arenen jubeln. "Die autonome Musik dieser unserer Gegenwart
verlor ihren Boden nicht nur an das flackernde U, sondern auch gegen viel Kommentargeplärre des Theaters,
das aber auch Ausdruck unserer Gegenwart ist. Und doch müssen wir in den alten Stoffen das suchen und retten,
von dem Schönberg gesprochen hat: 'Ich bin auch ein Konservativer, ich bewahrte den Fortschritt'. Vielleicht
auch die Hoffnung, verehrter Meister. Oder wenigstens ein Licht, von dem eben Armida sang. Ein Licht in der Nacht",
so Flimm.
Musikalische Kostproben aus Oper & Brass
Musikalisch standen heuer bei der Eröffnungsveranstaltung Ausschnitte von Festspielproduktionen des Sommers,
musiziert vom Mozarteum Orchester Salzburg unter dem Dirigenten Ivor Bolton, sowie ein Beitrag des Ensembles Mnozil
Brass im Mittelpunkt. Nach der Begrüßung durch Festspielpräsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler, der
Ouvertüre zur Oper "Armida" von Joseph Haydn und Grußworten von Landeshauptfrau Mag. Gabi
Burgstaller sprach die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Claudia Schmied. Es folgten
eine Arie aus Haydns Oper Armida, gesungen von Annette Dasch, sowie die Festrede des Intendanten und Künstlerischen
Leiters der Salzburger Festspiele, Prof. Jürgen Flimm, der sein künstlerisches Konzept der "Nachtseiten
der Vernunft" darlegte. Nach einer Arie aus der Oper "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber,
die Peter Seiffert präsentierte, hat Bundespräsident Dr. Heinz Fischer die Salzburger Festspiele eröffnet.
"Sommerfantasien" von Mnozil Brass bildeten den Abschluss der Veranstaltung, die live in ORF 2 sowie
in 3 SAT übertragen wurde. |