Berlin (idw) - Mit Algorithmen, die von Wissenschaftlern des DFG-Forschungszentrum MATHEON entwickelt wurden,
ist es möglich, mittels eines einzigen Bluttropfens eine eventuelle Krebserkrankung festzustellen. Jetzt ist
es Tim Conrad, Mitarbeiter im Projekt, gelungen, die Auswertungszeiten erheblich zu verkürzen. Geholfen hat
ihm dabei eine normale Playstation.
Ein Tropfen Blut genügt, um bei Patienten eine eventuelle Krebserkrankung zu diagnostizieren. Mathematiker
des Berliner DFG- Forschungszentrums MATHEON beschießen hierzu mit dem Laserstrahl eines Massenspektrometers
die Moleküle im Blut, wodurch diese sich lösen und zu fliegen beginnen. Je schwerer die Moleküle
sind, umso länger fliegen sie. Hieraus entwickeln die MATHEON-Forscher Tabellen, in denen die Verteilung der
Moleküle nach Gewicht und Menge dargestellt sind erstellen. Bei krebserkrankten Patienten können dann
bestimmte Signale, sogenannte Peaks, erkannt werden. Aus diesen Peaks errechnet Tim Conrad, der das Projekt gemeinsam
mit Prof. Christof Schütte betreut, Spektren, die die Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Patientengruppen
darstellen.
Dieser "blutige Fingerabdruck" ist erheblich billiger als beispielsweise ein Blutbild und lässt
die Diagnose von weitaus mehr Parametern zu. Trotzdem dauert auch die Analyse dieser Daten im Computer noch relativ
lange. "Mit unserer herkömmlichen Methode benötigt der Computer etwa zwei bis drei Stunden für
die Untersuchung eines Datensatzes. Ein Datensatz besteht aus etwa 1.500 Einzelspektren. Das sind etwa 5 Sekunden
für ein Spektrum", sagt Tim Conrad,.
Zu lange, wie Conrad meint. Deshalb suchte der Wissenschaftler nach einer Methode, um die Berechnungen zu beschleunigen
und er fand eine ebenso simple wie wirkungsvolle Lösung: "Der Anspruch an moderne Spielkonsolen hinsichtlich
realistischer Grafik und der Schnelligkeit wird immer höher. Daher hat Sony in seine neueste Playstation 3
einen von IBM entwickelten neuen Prozessor eingebaut, der acht Einheiten - SPE genannt - zum Durchführen von
Berechnungen hat. Im Gegensatz zum normalen PC arbeitet dieser Cell Prozessor nicht mit einzelnen Zahlen, sondern
mit Gruppen von Zahlen (Vektoren). Für knapp unter 600 Euro bekommt man damit einen Hochleistungsrechner,
der sonst ein Vielfaches kosten würde", erklärt Conrad. Der Haken dabei: Der Rechner hat wenig Speicherkapazität.
Außerdem ist ein Power PC Prozessor vorgeschaltet, der eine spezielle Programmierung erfordert, um auf die
SPE zugreifen zu können.
Gemeinsam mit den beiden Informatikern Marco Ziegert und Christoph Thöns entstand schließlich die Idee,
die Playstations und den Prozessor für den blutigen Fingerabdruck nutzbar zu machen und Tim Conrad startete
einen studentischen Wettbewerb. Es war klar, dass Voraussetzung für die Nutzung der SPE die Anpassung von
Algorithmen an den Cell Prozessor ist, die den Zugang "durch den Power PC hindurch" direkt zu den SPE
frei machen. Diese Anpassung eines vorhandenen Algorithmus ist dem MATHEON-Mitarbeiter schließlich gelungen.
Vom Ergebniss zeigt sich selbst Tim Conrad beeindruckt: "Die Spielekonsole ermöglicht eine extreme Senkung
der Analysezeit. Brauchten wir bisher 5 Sekunden, um ein Spektrum zu analysieren, können wir jetzt 20 Spektren
in einer Sekunde berechnen".
Angewendet auf die Untersuchung möglicher Krebspatienten bedeutet dies, dass die Ergebnisse in kürzester
Zeit nach der Blutentnahme vorliegen. "Die größte Verbesserung aber liegt darin, dass die Zuverlässigkeit
der Ergebnisse steigt und wir jetzt mehr und sehr viel umfangreichere Studien durchführen können. Und
natürlich könnte man die gleichen Ergebnisse auch auf PC Clustern erhalten, die Kosten hierfür würden
aber einige Hunderttausend von Euro betragen gegenüber ein paar tausend Euro mit der Playstation", sagt
Conrad.
Microsoft prämiert Arbeit von Tim Conrad
Europaweit vergibt Microsoft jährlich 10 Stipendien und fördert weitere 10 Projekte von Doktoranden.
Einmal im Jahr lädt die Firma diese 20 Personen nach Cambridge zur Summer School ein, wo sie eine Woche lang
gemeinsam mit 20 weiteren Doktoranden der Uni Cambridge ihre Erfahrungen austauschen. Tim Conrad gehörte in
diesem Jahr zu diesem illustren Kreis, und nicht nur das: Im Rahmen dieser Summer Scholl gibt es eine Posterausstellung
der einzelnen Projekte, verteilt auf die drei Gebiete "Computer" "Bioinformatik" und "Formale
Sprachen". Im Bereich Bioinformatik wurde Tim Conrads Projekt der Auswertung des "Blutigen Fingerabdrucks"
mit einer Playstation als das Beste befunden und ausgezeichnet. Als Preis darf sich Tim Conrad jetzt irgendwo auf
der Welt eine Konferenz aussuchen, deren Besuch und Teilnahme vollständig von Microsoft bezahlt wird. |