Chemiker von der Universität Jena koordiniert europäische Arbeitsgruppe
zur Entwicklung einer neuen Generation von Krebs- Medikamenten
Jena (idw) - Eine Krebserkrankung gleicht einem Wettlauf zwischen Hase und Igel: Die Tumorzellen
wachsen und vermehren sich in hohem Tempo, das die übrigen Körperzellen nicht mithalten können.
Dadurch entzieht der Krebs anderen Zellen mehr und mehr die Lebensgrundlage, blockiert schließlich Organe
und deren Funktionen. Ohne "List" ist der Wettlauf mit dem Krebs nicht zu gewinnen. Jetzt haben Chemiker
aus sieben europäischen Ländern die Verfolgung aufgenommen: Im Rahmen des von der Europäischen Union
geförderten Netzwerks "COST" (European Cooperation in the field of Scientific and Technical Research)
haben sie sich zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie neue Medikamente auf der Basis
von Platin-Verbindungen entwickeln, die das Tumorwachstum stoppen.
Prof. Dr. Wolfgang Weigand von der Friedrich-Schiller-Universität Jena koordiniert die Gruppe "Platinum-based
metallo-Drugs; beyond Cisplatin and its Analogues" in den kommenden drei Jahren und erläutert, warum
gerade das Metall Platin dem Krebs Einhalt gebieten kann. "Bestimmte Platinverbindungen (z. B. Cisplatin)
lagern sich an die Moleküle der Erbsubstanz DNA ein und verhindern so, dass diese bei der Zellteilung korrekt
,gelesen' werden", so der Professor für Anorganische Chemie. Dadurch kommt die Zellteilung insgesamt
zum Erliegen, wovon besonders die sich sehr schnell teilenden Tumorzellen betroffen sind.
Seit der zufälligen Entdeckung ihrer Wirkung Ende der 1960er Jahre, sind Platin-haltige Medikamente in der
Krebstherapie im Einsatz. Doch die gängigen Präparate verursachen teilweise schwere Nebenwirkungen wie
etwa Nieren- oder Nervenschäden. "Die Nebenwirkungen beruhen u. a. darauf, dass die Medikamente nicht
nur die DNA in den Tumorzellen unbrauchbar machen, sondern auch mit anderen körpereigenen Substanzen interagieren",
weiß Prof. Weigand, der kürzlich auch als ordentliches Mitglied in die Akademie gemeinnütziger
Wissenschaften zu Erfurt aufgenommen wurde. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Slowenien, Spanien, den Niederlanden,
Italien, Österreich und der Schweiz plant der Chemiker von der Jenaer Universität, eine neue Generation
von Platin-Wirkstoffen zu entwickeln, die sehr spezifisch nur in den Tumorzellen wirkt. "Dazu analysieren
wir die Wechselwirkung verschiedener neuer Platin-Verbindungen mit Eiweißen und anderen körpereigenen
Substanzen, um gezielt die Verbindungen auszuwählen, die sehr effizient DNA blockieren und dabei möglichst
wenig Nebenwirkungen zeigen", umreißt Weigand die Strategie.
Um ihr Forschungsvorhaben voranzutreiben, treffen sich die Wissenschaftler zu jährlichen Meetings, um über
den aktuellen Stand ihrer Untersuchungen zu diskutieren. Auch der Austausch von Wissenschaftlern ist geplant. Vor
allem Nachwuchsforscher sollen zu mehrwöchigen Forschungsaufenthalten in jeweils andere Institutionen reisen.
Ihre Ergebnisse wollen die Wissenschaftler der "COST" Arbeitsgruppe dann in gemeinsamen Publikationen
in Fachjournalen vorstellen. |