Wien: Asiatisches Reich im Pharaonenland  

erstellt am
02. 08. 07

Wien (universität) - Im 17. Jahrhundert v. Chr. geriet Ägypten in die Abhängigkeit einer fremden Dynastie aus Vorderasien: Die Hyksos eroberten vom nordöstlichen Nildelta aus ganz Ägypten. Die Hauptstadt dieser Fremddynastie wurde von Manfred Bietak, Ägyptologe an der Universität Wien, 1966 auf einem Ruinenhügel namens Tell el-Dab'a im Nordosten Ägyptens entdeckt. Der Palast der Hyksos blieb trotz jahrzehntelanger Grabungsarbeiten unbekannt. 2005 stießen Bietak und sein Team schließlich zum ersten Mal auf einen ausgedehnten Palastbezirk der Hyksos-Zeit. Seitdem konnten die ArchäologInnen etwa ein Viertel eines Palastes freilegen und spannende Einblicke in die Alltagswelt dieser Zeit gewinnen.

Bisher ist nicht viel über Herkunft, Kultur- und Ereignisgeschichte der Hyksos in Ägypten bekannt. Sie regierten zwischen 1640 und 1530 v. Chr. von ihrer Hauptstadt Auaris im östlichen Nildelta aus Ägypten, bis die Pharaonen der 17./18. Dynastie die Hyksos besiegten und die Hauptstadt eroberten.

Der Ort rund um die heutige Stadt Tell el-Dab'a hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Nach den Hyksos nützte die Regierung von Tuthmosis III. und Amenophis II. (15. Jahrhundert v. Chr./18. Dynastie) in der Zeit des Neuen Reiches diesen strategisch günstig gelegenen Platz für die größte ägyptische Militär- und Marinebasis "Perunefer". Zuletzt war die Siedlung als "Ramses-Stadt" und Residenz von Ramses II. bekannt.
Univ.-Prof. Dr. Manfred Bietak, Vorstand des Instituts für Ägyptologie und Gründer des Österreichischen Archäologischen Instituts in Kairo, arbeitet gemeinsam mit Dr. Irene Forstner-Müller und einem großen Team seit 2005 an der Freilegung dieses vorderasiatischen Herrschersitzes der Hyksos.

Ein Palast über dem anderen
"Architektonisch handelt es sich dabei eindeutig nicht um einen ägyptischen Palast. Die Anlage hat eher Ähnlichkeiten zu großen Palastanlagen in Nordsyrien und Mesopotamien", erklärt der Ägyptologe. Bis heute konnte das Team um Bietak 100 mal 20 Meter des insgesamt 8.000 Quadratmeter großen Palastes freilegen. Durch geomagnetische Untersuchungen ist den ÄgyptologInnen aber der genaue - fast quadratische - Grundriss der Anlage bekannt. Das Ziel der nächsten Jahre: die vollständige Freilegung dieses vorderasiatischen Herrschersitzes. "Wir suchen außerdem noch einen zweiten Palast der Hyksos, der existieren muss, da der erste - wie unsere Funde zeigen - so plötzlich in der Mitte der Hyksoszeit verlassen wurde", so Bietak.

Festliche Fundstücke
Im Zuge der Freilegung des Hyksos-Palastes machten die ForscherInnen einen Sensationsfund: eine Grube mit rund sechs Meter Durchmesser, gefüllt mit über 1.000 Tongefäßen und Tierknochen. "Es muss ein großes Festmahl stattgefunden haben. Wir nehmen an, dass es sich dabei um ein Abschiedsritual handelte, da das Bauwerk unmittelbar danach verlassen wurde. Möglicherweise könnte der Tod des Palastinhabers die Ursache gewesen sein. Die Speiserelikte und zahlreichen beigesetzten Tongefäße sprechen für ein rituelles Totenmahl, wie man es in vielen Fällen auch in einem früher ausgegrabenen Tempel- und Gräberbezirk der Hyksoszeit nachweisen konnte. Bei solchen Festen wurden normalerweise 200 Tongefäße in zerbrochenem Zustand beigesetzt, doch im vorliegenden Fall fanden wir an die 1.300 Stück Tafelgeschirr und Ritualkeramik. Anschließend scheint der Palast aufgegeben worden zu sein", schlussfolgert Prof. Bietak. Eine zweite Grube gleicher Größe konnte durch geomagnetische Untersuchungen geortet werden, blieb aber bisher unangetastet.

Mitte August fährt Manfred Bietak wieder ins östliche Nildelta, um seine Forschungen fortzusetzen: "Wir suchen nach dem zweiten Palast der Hyksos. Möglicherweise haben wir davon schon einen Mauerrest entdeckt, doch genaueres können wir erst nach weiteren Grabungen sagen."
 
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