Qualle mit mehreren Köpfen entdeckt
Hannover (idw) - In einer Geschichte aus der griechischen Mythologie besiegt Herkules die vielköpfige,
im Wasser lebende Hydra. Die Geschichte wirkt märchenhaft - mehrköpfige Tiermonster gibt es nicht. Wissenschaftler
aus dem Institut für Tierökologie und Zellbiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
konnten jetzt das Gegenteil beweisen. Sie fanden vielköpfige Medusen (Quallen), die immer dann entstehen,
wenn bestimmte Entwicklungsgene ausgeschaltet werden. Wie das Wissenschaftsmagazin PlosOne im Juli in seiner Online-Ausgabe
berichtet (www.plosone.org/doi/pone.0000694), gelang es den Wissenschaftlern mittels einer für Meerestiere
neuartigen Methode, so genannte Cnox-Gene im lebenden Tier zu blockieren. Diese Gene sind nahe verwandt mit den
Hox-Genen der höheren Tiere und verantwortlich für die Ausbildung der Körpergrundgestalt entlang
der Hauptkörperachse, also von vorne (anterior) nach hinten (posterior).
Während die Entstehung mehrköpfiger Tiere bisher lediglich als seltene Entwicklungsanomalie unbekannter
Ursache bei verschiedenen Tieren bekannt war, wurde jetzt erstmals die Vielköpfigkeit als induzierbare und
reproduzierbare Entwicklung gezeigt, indem ein einziges regulatorisches Gen experimentell ausgeschaltet wurde.
Im Labor ist das Fabelwesen Hydra real geworden und liefert neue Erkenntnisse zur genetischen Steuerung der Kopfbildung
bei Tieren. Wird ein bestimmtes Cnox-Gen ausgeschaltet, können die Wissenschaftler Medusen der Art Eleutheria
dichotoma mit genau zwei Köpfen entstehen lassen, wobei beide Köpfe voll funktionsfähig, beispielsweise
zur Nahrungsaufnahme, sind. In der Natur werden mehrköpfige Medusen oder andere Tiere kaum zu finden sein,
da zusätzliche Köpfe bei sonst gleich bleibendem Körperbau keinen Selektionsvorteil bieten. Die
TiHo-Forscher Dr. Wolfgang Jakob und Prof. Dr. Bernd Schierwater berichten jedoch, dass die gefundenen Bauplanveränderungen
sehr wohl von großem Nutzen für die Evolution gewesen sein könnten. "Denkbar wäre, dass
koloniebildende Nesseltiere, etwa die, die Korallenriffe aufbauen, aus einzeln lebenden Vorfahren hervorgegangen
sind, indem diese parallel mit der Entstehung von mehreren Köpfen ihre hintere Körperregion so vergrößert
und strukturiert haben, dass Tierkolonien entstehen konnten." sagt Schierwater. Hintergrund der Überlegungen
ist, dass Nesseltier-Kolonien aus Einzeltieren entstehen indem zusätzliche Körperteile von einem Muttertier
aus gebildet werden.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den vielköpfigen Medusen der Wissenschaftler im Labor und dem vielköpfigen
Fabelmonster Hydra bleibt erwähnenswert. Jedes Mal wenn Herkules der Hydra einen Kopf abschlug, wuchsen sogleich
zwei neue Köpfe nach. Bei der Eleutheria- Meduse im Labor wächst nach Abtrennung eines Kopfes nur einer
nach. |