Plassnik: "Feindbilder überwinden durch Verständigung über gemeinsame Ziele"  

erstellt am
13. 08. 07

Außenministerin Plassnik bei Podiumsdiskussion des sechsten Salzburger Triolgs
Salzburg (bmeia) - "Daniel Barenboim schärft unseren Möglichkeitssinn: Er zeigt, was wir ungenützt lassen, er führt eindringlich vor, dass Feindbilder - ja Kriege - überwindbar sind. Nicht durch Verzicht auf die eigene Identität, wohl aber durch Verständigung über gemeinsame Ziele. Daniel Barenboim hat es uns erklärt: Der Kern der Musik ist der Dialog, aber der Dialog kommt nicht von selbst, er erfordert hartes Bemühen. Es geht dabei darum, die Balance zu finden zwischen kompromissoffenem Zuhören und den eigenen Standpunkt einzubringen", so Außenministerin Ursula Plassnik am 12.08. bei der Podiumsdiskussion des sechsten Salzburger Trilogs. Faszinierend am West Eastern Divan Orchestra sei dessen Versuch aus dem Käfig der Sprache des Alltags und der politischen und gesellschaftlichen Erfahrung hinauszukommen, ein gemeinsames übergeordnetes Ziel zu definieren und diesem Ziel in einer vereinbarten Methode, nämlich dem musikalischen Dialog, zuzuarbeiten.

Ausgangspunkt der diesjährigen Veranstaltung der Bertelsmann Stiftung und des Außenministeriums war das Zitat des muslimischen Theologen und Philosophen Mohammad al-Ghazzali (1058-1111) "Vernunft ist die Waage Gottes auf Erden".

"Vernunft ist eine jederzeit verfügbare natürliche Ressource in jedem von uns. Sie ist trainierbar und erweiterbar, etwa durch Erziehung und Bildung. Sie erlaubt uns, Zugänge zu finden, zu sich selbst aber auch zur Welt des jeweils anderen", so Plassnik, die fortfuhr: "Vernunft als Werkzeug ist unverzichtbar für einen echten Dialog, der ernsthaft gemeinsam erreichbare Ziele sucht. Das wird wohl kaum Einigung über Glaubensinhalte sein. Wohl aber über Fragen des Umgangs miteinander. Mit angewandter Vernunft lässt sich ein Raum öffnen für Kompromisse und Verständigung.

Bildung und der Zugang dazu seien auch zentrale Aspekte der Nahostfrauenkonferenz im Mai in Wien gewesen, bei der Frauen aus verschiedensten Lebensbereichen zusammengekommen sind: "Mich hat dabei das bei allen Teilnehmerinnen vorherrschende Gefühl brennender Dringlichkeit beeindruckt. Wir müssen den Dialog auf konkrete Ziele richten, denn es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Sonst laufen wir Gefahr, von radikalen Kräften mit vordergründig religiösen Argumenten gefangen genommen zu werden. Noch haben wir es beim Nahostkonflikt mit einem politischen und mit politischen Mitteln wie dem Dialog lösbaren Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu tun. Über Sicherheit und Grenzen lässt sich verhandeln, über Gott nicht", so die Außenministerin, die fortfuhr: "Ich glaube an die Kraft des Dialogs. Kein Konflikt ist zu komplex oder zu tief um dem Dialog auf Dauer zu widerstehen. Die Alternative ist das Schweigen, die Leere oder - noch schlimmer - die Gewalt. Jeder Dialog hat eine sehr feine, gestaltbare Mechanik und die gilt es zu fördern, gerade unter scheinbar aussichtslosen Bedingungen."

Zum Nahostkonflikt sagte die Außenministerin: "Ich bemühe mich, einen nüchternen Zugang zu wahren. Es gibt auch in der jetzt so verfahrenen Situation noch Voraussetzungen, die zur Zuversicht berechtigen: In der Region gibt es enormes menschliches, wirtschaftliches und politisches Potential. Es tut uns weh zu sehen, dass es nicht genutzt wird. Sich vorzustellen, dass Israelis und Palästinenser gemeinsam arbeiten, forschen, studieren, wirtschaften und einander Sicherheit und Vertrauen geben, ist trotz allem eine nahe liegende Vorstellung. Sie muss uns antreiben. Die Zwei-Staaten-Lösung ist rational und erreichbar. Die internationale Staatengemeinschaft tut alles, um Bemühungen auf dem Weg dorthin zu unterstützen. Wir können den direkten Dialog zwischen Israelis und Palästinensern aber nur fördern, ersetzen können wir ihn nicht."

In Bezug auf Europa und die Aufklärung sagte Plassnik: "In Europa haben wir die Erfahrung der Aufklärung auch als Reaktion auf die Religionskriege gemacht. Die Religionsfreiheit ist eines ihrer Kinder. Die Erfahrung des "frei glauben Dürfens" ist sehr kostbar für unser Lebensmodell in Europa. Es ist wichtig, jedem die Wahl zu lassen zu glauben oder nicht zu glauben, seine Religion öffentlich zu leben oder privat oder aber religionsfrei zu sein. Oder entscheiden zu können, die Religion zu ändern."

"Religionen tun sich nicht immer leicht mit Frauen. Wir müssen den Dialog gerade auch dort versuchen, wo er besonders schwierig ist und dafür traditionelle Muster des miteinander Redens durchbrechen", so die Außenministerin.

Plassnik appellierte auch an die Glaubensführer, klarzustellen, wo die Grenzen zwischen Religion und Tradition verlaufen und zu Themen wie Gewaltverzicht, Gleichstellung zwischen Mann und Frau, Ehrenmorde oder Genitalverstümmelung klar Stellung zu beziehen. Die Außenministerin hob in diesem Zusammenhang den positiven Beitrag der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich hervor, die nötigen Klarstellungen nicht ausweiche.

"Die Menschenrechte sind letztlich die gelungenste Verbindung zwischen Vernunft und Glaube. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen eint uns. Die Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten, ist unteilbar", so die Außenministerin abschließend.

Teilnehmer der Diskussion waren neben Außenministerin Ursula Plassnik und Dr. Wolfgang Schüssel auch Maestro Daniel Barenboim, Walter Kardinal Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, der frühere palästinensische Außenminister Dr. Ziad Abu Amr, Dr. Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien-Herzegowina, und der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer.
 
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