Ultrakurzer Laserblitz erzeugt Attosekunden-Röntgenlicht
München (idw) - Kein Lichtblitz kann kürzer als die Zeit sein, die eine Lichtwelle für
eine volle Schwingung benötigt. Einem Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Professor Ferenc Krausz vom
Department für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und dem Max-Planck- Institut
für Quantenoptik in Garching ist es nun gelungen, zum ersten Mal Blitze von intensivem Laserlicht zu erzeugen,
die mehr als die Hälfte ihrer Energie innerhalb eines einzigen gut kontrollierten Wellenzyklus abgeben.
Atome, die diesem extremem Lichtpuls ausgesetzt sind, senden einen Attosekunden-Röntgenpuls aus (eine Attosekunde
ist ein Milliardstel von einem Milliardstel einer Sekunde), dessen Spektrum -- übertragen auf niedrigere Frequenzen
-- beinahe ebenso viele Farben wie sichtbares Lichts umfasst, angefangen bei Blau über Grün und Gelb
bis hin zum Rot. Der resultierende "weiße" Puls hat erwartungsgemäß eine Dauer von etwa
100 Attosekunden und enthält mehr als eine Million Röntgenphotonen. Er ist daher kurz genug, um die Bewegung
der auf Molekül-Orbitalen umlaufenden Elektronen einzufangen. Über die Echtzeitbeobachtung der Elektronen,
die Atome aneinander binden, wird man wertvolle Einsichten gewinnen, wie es zur Bildung und zum Auseinanderfallen
von Molekülen kommt. Die Ergebnisse wurden in der Juli-Ausgabe des New Journal of Physics [1,2] veröffentlicht
und sind das Thema der Titelseite der Fachzeitschrift SCIENCE.
Licht ist eine Welle, in der das schwingende elektromagnetische Feld seine Richtung und Stärke mit verblüffender
Schnelligkeit ändert. Im Fall von sichtbarem Licht treten diese Änderungen einige 100 Billionen Mal (100
000 mal eine Milliarde) in der Sekunde auf. Daher benötigt sichtbares Licht für eine volle Schwingung
nur einige tausend Attosekunden. Das Forscherteam hat es nun geschafft, intensive Blitze von sichtbarem Laserlicht
zu erzeugen, bei denen mehr als die Hälfte der Energie innerhalb eines einzigen Schwingungszyklus steckt.
Mit dieser einzelnen Feldschwingung großer Amplitude kann man auf geladene Teilchen wie Elektronen gezielt
eine extrem starke Kraft ausüben und damit deren Bewegung in und um die Atome mit noch nie da gewesener Präzision
steuern.
Auf dem Maximum dieser hochintensiven Wellenschwingung ist die Kraft stark genug, um ein Elektron mit fast hundertprozentiger
Wahrscheinlichkeit vom Atom wegzuziehen, wobei das Elektron eine Geschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern
pro Sekunde erreicht. Aber selbst mit dieser hohen Geschwindigkeit kommt das freigesetzte Elektron nur einige Nanometer
weit, bevor es während der zweiten Hälfte der Lichtschwingung, die eine Kraft in die entgegengesetzte
Richtung ausübt, gezwungen wird, zum Mutteratom zurückzukehren. Bei dieser so genannten Rekombination,
die bereits etwa zwei tausend Attosekunden nach der Freisetzung des Elektrons stattfindet, sendet das Atom einen
Röntgenpuls aus. In einem konventionellen Laserpuls, der aus vielen Schwingungen besteht, tritt dieser Prozess
der Rekombination und Röntgenemission mehrere Male auf, einmal während jedes halben Wellenzyklus. In
starkem Gegensatz dazu erlaubt der nun erzeugte hochintensive und extrem kurze Laserpuls [1] nur eine einzige hochenergetische
Rekombination. Das Spektrum des dabei emittierten Lichtpulses liegt zwar im Bereich des weichen Röntgenlichts,
ist aber, was seine spektrale Vielfalt betrifft, äquivalent zum gesamten sichtbaren Spektrum. Daher kann der
erzeugte Puls als "weißes" Röntgenlicht betrachtet werden. Der hyperkurze Laserpuls wird auf
einen Gasjet geschickt und setzt dort den Vorgang der Freisetzung und Rekombination von Elektronen bei einer großen
Zahl von Atomen im Gleichtakt in Gang. Die einzelnen Atome senden dann alle zur gleichen Zeit und auf gleiche Weise
einen ultrakurzen Röntgen-Blitz aus, und erzeugen so kollektiv einen leistungsstarken Röntgenpuls in
Form eines stark gebündelten, laserartigen Strahls.
Durch die Filterung des zentralen Bereichs vom erzeugten "weißen" Röntgenspektrum konnte das
Team einen Röntgenpuls mit einer Dauer von 170 Attosekunden erzeugen [2]. Dieses Ergebnis lässt vermuten,
dass man bei Verwendung des gesamten, doppelt so breiten Spektrums Röntgenpulse erzeugen kann, die erheblich
kürzer als 100 Attosekunden sind. Gegenwärtig wird an der Entwicklung von Spiegeln gearbeitet, die Röntgenstrahlen
aus diesem Frequenzbereich reflektieren und fokussieren können. Mit solchen Spiegeln lässt sich wahrscheinlich
die erste Lichtquelle der Welt verwirklichen, die leistungsstarke laserartige Röntgen-Blitze mit einer Dauer
von weniger als hundert Attosekunden erzeugt -- die erste Quelle für die Produktion von sub-100-Attosekunden-Licht.
Solche Röntgenpulse werden es den Forschern erstmals erlauben, von der Bewegung der Elektronen in Molekülen
gewissermaßen "Standbild"-Schnappschüsse zu machen. Dies wird es ermöglichen, Prozesse
zu beobachten, die den Informationstransfer auf molekularer Ebene steuern, sowie auch Strukturveränderungen
von Biomolekülen. Diese Schnappschüsse werden auch aufzeigen, wo die ultimativen Grenzen für die
Geschwindigkeit und die Struktur in elektronischen Bauelementen liegen. Sie werden ferner die Mechanismen des biologischen
Informationstransfers und die mikroskopischen Ursprünge der Funktionen und Fehlfunktionen biologischer Makromoleküle
offenbaren. |