Wesentliche Verbesserung für Salzburger Tumorpatienten   

erstellt am
13. 08. 07

Burgstaller bei Eröffnung des Stammzellenlabors: Weitere wichtige Ergänzung für das Salzburger Tumorzentrum
Salzburg (lk) - Mit der Eröffnung des Stammzellen-Labors an der III. Medizinischen Universitätsklinik wird es erstmals möglich, in Salzburg selbst Stammzellen zu gewinnen und diese unter höchsten Sicherheitsauflagen zu bearbeiten und bis zum Gebrauch zu lagern. "Erstmals müssen sich damit Patienten bei höchst dosierten Chemotherapien ihrer Tumorerkrankung in dieser verletzlichen und infektionsgefährdeten Phase der Behandlung nicht mehr nach Wien zur Stammzellgewinnung bemühen und umgekehrt das Stammzellprodukt nicht mehr einen langen und gefahrvollen Weg zurück nach Salzburg nehmen“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Richard Geil, Vorstand der III. Medizinischen Universitätsklinik, am 13.08. bei einem Informationsgespräch.

"Vor zwei Jahren konnte ich hier das Krebsforschungslabor eröffnen. In dieser speziellen Einrichtung wird seither zur weiteren Sicherung der spitzenmedizinischen Leistungen in den Landeskliniken intensiv geforscht. Das neue Stammzellenlabor ist eine weitere, wesentliche Ergänzung für das Salzburger Tumorzentrum. Modernste Behandlungsmethoden werden hier damit ermöglicht. Besonders freut mich, dass schwerkranke Krebspatienten und ihre Angehörigen nicht mehr länger gezwungen sind, belastende Fahrten und Aufenthalte in Wien auf sich zu nehmen. Diese Qualitätssteigerung für die Salzburger Patienten ist aus meiner Sicht als Gesundheitspolitikerin besonders hervorzuheben", stellte Gesundheitsreferentin Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller fest, die sich bei Primar Greil und seinem Team für den großen persönlichen Einsatz für die Krebspatienten bedankte.

Das Stammzellenlabor stellt ein so genanntes GMP-Labor dar (Good Manufacturing Practice nach Industriestandard) und bedeutet für die Behandlung Salzburger Tumorpatienten eine wesentliche Verbesserung der Behandelbarkeit. Gleichzeitig stellt die Möglichkeit zur Gewinnung und Bearbeitung von Blut- und allenfalls auch anderen Gewebsstammzellen eine wesentliche Entwicklungsmöglichkeit der Spitzenmedizin und anspruchsvollen klinischen Forschung für den Universitäts- und Medizinstandort Salzburg dar. Die technischen und baulichen Errichtungskosten für das 85 Quadratmeter große Labor betragen 925.000 Euro und wurden zur Gänze vom Land Salzburg über das Spitalsbudget finanziert.

Was ist eine "Stammzelle"?
Stammzellen (in diesem Fall des blutbildenden Systems) sind in der Lage, in einem Organismus dauerhaft sowohl weitere Stammzellen zu bilden, als auch zu den spezifischen Zellen des jeweiligen Organs auszureifen bzw. dieses aufzubauen. Die Kraft und das Potenzial dieser Stammzellen wird dadurch erkennbar, dass eine einzige Stammzelle genügen sollte, um zumindest im Tierversuch, das gesamte Organ aufzubauen. Diese Stammzellen sind im Knochenmark selten und bedürfen der Kombination aus Chemotherapie und Behandlung mit bestimmten Botenstoffen, um in ausreichender Menge mit Spezialmethoden im Blut nachgewiesen werden und anschließend abgeerntet werden zu können (Apherese).

Autologe Stammzelltransplantation
Zahlreiche Tumorerkrankungen können mit einer konventionellen Chemotherapie und allenfalls einer zusätzlichen zielgerichteten Antikörper- also Immuntherapie mit ausgezeichnetem Erfolg und hoher Heilungswahrscheinlichkeit behandelt werden. Tritt aber bei diesen Erkrankungen (wie etwa bestimmten Lymphknotenkrebserkrankungen hoher und niedriger Malignität, Morbus Hodgkin, akuten und chronischen Leukämien, multiplen Myelomen, metastasierten Keimdrüsentumoren und anderen) entweder keine ausreichende primäre Tumorschrumpfung ein oder kommt es in kurzem Zeitabstand zu einem Rückfall der Erkrankung, so ist die Prognose dieser Patienten extrem ernst und die weitere Therapie mit häufig geringen Heilungsaussichten und kurzer Lebenszeit verbunden. In diesen Situationen kann durch eine extrem hochdosierte Chemotherapie zum Teil noch eine Heilung erzwungen werden. Dabei ist die Dosis der Chemotherapie, die zur Überwindung der Tumorerkrankung verwendet wird, so hoch, dass die normale Knochenmarksblutbildung dauerhaft und langfristig geschädigt oder vollständig zerstört wird und die daraus resultierende Sterblichkeit der Eingriffe extrem hoch wird. Dieses Dilemma kann erfolgreich überwunden werden, indem vor einem solchen Hochdosiseingriff normale blutbildende Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn gelenkt, dort gesammelt und kontrolliert bei -180 Grad Celsius tiefgefroren werden und somit vor der toxischen Wirkung der Chemotherapie geschützt werden. Diese Stammzellen werden dann nach der erfolgten Chemotherapie wieder aufgetaut, den Patienten zurück infundiert, sie suchen sich ihren Weg ins normale Knochenmark zurück, wachsen dort an, beginnen mit der Blutbildung. Auf diese Weise kann die Gefährlichkeit der Chemotherapie reduziert und die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Chemotherapie in den genannten Situationen geschaffen werden.

Stammzellen als Medikament und Teil einer Biobank
Die Herstellung von Stammzellen wird heute gesetzlich als Herstellung eines Medikamentes verstanden und unterliegt daher strengsten Industriestandards an Sicherheit, Hygiene, Genauigkeit und Reproduzierbarkeit des Prozesses. Es müssen somit Anforderungen an die Prozessierung erfüllt werden, wie diese auch von der Pharmaindustrie bei der Herstellung von Medikamenten eingehalten werden müssen. Dies gilt umso mehr, als diese Stammzellprodukte zum Teil im Labor weiter manipuliert werden müssen, indem etwa kontaminierende Tumorzellen durch Spezialmethoden eliminiert werden, oder in experimentellen Ansätzen, diese Stammzellen genetisch verändert oder zu bestimmten die Immunabwehr dirigierenden Zellen ausgereift werden.

Alle genannten Prozesse müssen im vorhinein exaktest definiert, in einem Probebetrieb getestet und von den nationalen Behörden (AGES) zertifiziert und zum Betrieb freigegeben werden. Zudem ist geplant, das Stammzellen-Labor der III. Medizin nach den so genannten JACIE-Kriterien der EBMT (European Bone Marrow Transplantation Organization) zertifizieren zu lassen. Damit soll höchste Produktsicherheit gewährleistet werden.

Häufigkeit von autologen Stammzelltransplantationen in Salzburg
Die Zahl der autologen Transplantationen im Rahmen hochdosierter Chemotherapien von Tumorerkrankungen hat in Salzburg sehr stark zugenommen. So wurden die Zahl der Transplantationen (trotz der Notwendigkeit zur schwierigen Gewinnung über Wien) seit 2003 von zehn auf 40 im Jahre 2006 gesteigert, es kann zudem damit gerechnet werden, dass bei ca. 70 bis 100 Patienten pro Jahr zusätzlich eine vorbeugende Ernte und Einfrierung von Stammzellen durchgeführt werden wird, um für die Möglichkeit des Rückfalls der Tumorerkrankung insbesondere im Knochenmark selbst gerüstet zu sein.

Die Experten des Stammzellenlabors
Die Gewinnung, Bearbeitung und Behandlung mit Stammzellen ist ein extrem komplexes Geschehen, in dem eine adäquate Gesamtplanung des chemo- und immuntherapeutischen Konzeptes mit der Stammzellgewinnung koordiniert werden muss. Der klinische Teil der Behandlung muss in einer ebenfalls strengsten Sicherheitskriterien standhaltenden Einheit (Aplasieeinheit) durchgeführt werden, Stammzellen und Tumorzellen müssen im Labor der III. Medizin ausreichend charakterisiert und quantifiziert werden um Zahl und richtigen Zeitpunkt der Ernte der Stammzellen zu definieren. An diesen Prozessen sind zahlreiche spezialisierte Ärzte, Mitglieder des Pflegepersonals sowie Medizinisch Technische Assistenten/innen (MTA) und Biologen der III. Medizinischen Klinik beteiligt. Im Stammzell-Labor selbst arbeiten zwei MTA und zwei Ärzte. Bei der Ernte der Zellen besteht engste Kooperation mit der Blutbank. Sämtliche Voraussetzungen für medizinische, organisatorische und technische Qualifikation wurden an der III. Medizin in den letzten drei Jahren hergestellt bzw. ausreichend ausgebaut.

Anwendungsmöglichkeiten für Stammzelltherapien
Die in Salzburg geschaffene Einheit eines zertifizierten Stammzellenlabors erlaubt für die Zukunft, ausreichenden quantitativen und qualitativen Bedarf vorausgesetzt, auch die Entwicklung und Etablierung der allogenen Stammzelltransplantation, bei der die Stammzellen eines passenden und gesunden Spenders und nicht wie bei der autologen Transplantation des betroffenen Patienten selbst auf den Tumorpatienten übertragen werden. Durch die Mitübertragung des Immunsystems des Spenders kann dadurch eine lebenslange Tumorabstoßung ausgelöst werden und zum Teil eine Heilung von anders nicht mehr behandelbaren Tumorerkrankungen erreicht werden. Ein besonderer Schwerpunkt der basiswissenschaftlichen Forschung liegt an der III. Medizin im Bereich der Tumorstammzellenforschung bei Leukämien und Brustkrebs. Tatsächlich scheint die Langlebigkeitseigenschaft von Tumoren auf der Fähigkeit sehr weniger Tumor(stamm)zellen zu beruhen, den gesamten Tumor dauerhaft aufrecht erhalten zu können. Diese Tumorstammzellen entstehen zum Teil in normalen Gewebsstammzellen oder nehmen Eigenschaften normaler Stammzellen an. Die Erforschung dieser Stammzelleigenschaften von Tumoren und des Unterschiedes gegenüber normalen Stammzellen ist von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung des Verständnisses von Tumorbiologie und Behandlungskonzepten bösartiger Erkrankungen. Das Nebeneinander von Stammzellenlabor, avanciertem Diagnoselabor und Forschungslabor an der III. Medizin ermöglicht durch Integration und Fokussierung der Expertise eine konkurrenzfähige Entwicklung dieser Forschung, bei der auch enge Kooperation mit der naturwissenschaftlichen Universität gegeben ist.

Die jüngsten Erkenntnisse, dass blutbildende Stammzellen die Möglichkeit besitzen zu anderen Geweben wie Herz- und Skelettmuskel-, Leber- oder Nervenzellen auszureifen, haben zu mutigen Ansätzen geführt blutbildende Stammzellen für Aspekte des tissue engineering einzusetzen, also verbrauchtes oder zerstörtes Gewebe von Organen neu bilden zu können bzw. zu ersetzen. Auch wenn diese Methoden derzeit noch in klinischen Studien entwickelt werden und die Entwicklung zu klinischer Reife noch viele Jahre in Anspruch nehmen kann, ist mit der Etablierung der Ressource und der Schaffung der Expertise in Salzburg die Voraussetzung dafür gegeben, an dieser wesentlichen klinischen Forschungsentwicklung teilhaben zu können.
 
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