Burgstaller bei Eröffnung des Stammzellenlabors: Weitere wichtige Ergänzung für
das Salzburger Tumorzentrum
Salzburg (lk) - Mit der Eröffnung des Stammzellen-Labors an der III. Medizinischen Universitätsklinik
wird es erstmals möglich, in Salzburg selbst Stammzellen zu gewinnen und diese unter höchsten Sicherheitsauflagen
zu bearbeiten und bis zum Gebrauch zu lagern. "Erstmals müssen sich damit Patienten bei höchst dosierten
Chemotherapien ihrer Tumorerkrankung in dieser verletzlichen und infektionsgefährdeten Phase der Behandlung
nicht mehr nach Wien zur Stammzellgewinnung bemühen und umgekehrt das Stammzellprodukt nicht mehr einen langen
und gefahrvollen Weg zurück nach Salzburg nehmen“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Richard Geil, Vorstand
der III. Medizinischen Universitätsklinik, am 13.08. bei einem Informationsgespräch.
"Vor zwei Jahren konnte ich hier das Krebsforschungslabor eröffnen. In dieser speziellen Einrichtung
wird seither zur weiteren Sicherung der spitzenmedizinischen Leistungen in den Landeskliniken intensiv geforscht.
Das neue Stammzellenlabor ist eine weitere, wesentliche Ergänzung für das Salzburger Tumorzentrum. Modernste
Behandlungsmethoden werden hier damit ermöglicht. Besonders freut mich, dass schwerkranke Krebspatienten und
ihre Angehörigen nicht mehr länger gezwungen sind, belastende Fahrten und Aufenthalte in Wien auf sich
zu nehmen. Diese Qualitätssteigerung für die Salzburger Patienten ist aus meiner Sicht als Gesundheitspolitikerin
besonders hervorzuheben", stellte Gesundheitsreferentin Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller fest, die sich
bei Primar Greil und seinem Team für den großen persönlichen Einsatz für die Krebspatienten
bedankte.
Das Stammzellenlabor stellt ein so genanntes GMP-Labor dar (Good Manufacturing Practice nach Industriestandard)
und bedeutet für die Behandlung Salzburger Tumorpatienten eine wesentliche Verbesserung der Behandelbarkeit.
Gleichzeitig stellt die Möglichkeit zur Gewinnung und Bearbeitung von Blut- und allenfalls auch anderen Gewebsstammzellen
eine wesentliche Entwicklungsmöglichkeit der Spitzenmedizin und anspruchsvollen klinischen Forschung für
den Universitäts- und Medizinstandort Salzburg dar. Die technischen und baulichen Errichtungskosten für
das 85 Quadratmeter große Labor betragen 925.000 Euro und wurden zur Gänze vom Land Salzburg über
das Spitalsbudget finanziert.
Was ist eine "Stammzelle"?
Stammzellen (in diesem Fall des blutbildenden Systems) sind in der Lage, in einem Organismus dauerhaft sowohl weitere
Stammzellen zu bilden, als auch zu den spezifischen Zellen des jeweiligen Organs auszureifen bzw. dieses aufzubauen.
Die Kraft und das Potenzial dieser Stammzellen wird dadurch erkennbar, dass eine einzige Stammzelle genügen
sollte, um zumindest im Tierversuch, das gesamte Organ aufzubauen. Diese Stammzellen sind im Knochenmark selten
und bedürfen der Kombination aus Chemotherapie und Behandlung mit bestimmten Botenstoffen, um in ausreichender
Menge mit Spezialmethoden im Blut nachgewiesen werden und anschließend abgeerntet werden zu können (Apherese).
Autologe Stammzelltransplantation
Zahlreiche Tumorerkrankungen können mit einer konventionellen Chemotherapie und allenfalls einer zusätzlichen
zielgerichteten Antikörper- also Immuntherapie mit ausgezeichnetem Erfolg und hoher Heilungswahrscheinlichkeit
behandelt werden. Tritt aber bei diesen Erkrankungen (wie etwa bestimmten Lymphknotenkrebserkrankungen hoher und
niedriger Malignität, Morbus Hodgkin, akuten und chronischen Leukämien, multiplen Myelomen, metastasierten
Keimdrüsentumoren und anderen) entweder keine ausreichende primäre Tumorschrumpfung ein oder kommt es
in kurzem Zeitabstand zu einem Rückfall der Erkrankung, so ist die Prognose dieser Patienten extrem ernst
und die weitere Therapie mit häufig geringen Heilungsaussichten und kurzer Lebenszeit verbunden. In diesen
Situationen kann durch eine extrem hochdosierte Chemotherapie zum Teil noch eine Heilung erzwungen werden. Dabei
ist die Dosis der Chemotherapie, die zur Überwindung der Tumorerkrankung verwendet wird, so hoch, dass die
normale Knochenmarksblutbildung dauerhaft und langfristig geschädigt oder vollständig zerstört wird
und die daraus resultierende Sterblichkeit der Eingriffe extrem hoch wird. Dieses Dilemma kann erfolgreich überwunden
werden, indem vor einem solchen Hochdosiseingriff normale blutbildende Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn
gelenkt, dort gesammelt und kontrolliert bei -180 Grad Celsius tiefgefroren werden und somit vor der toxischen
Wirkung der Chemotherapie geschützt werden. Diese Stammzellen werden dann nach der erfolgten Chemotherapie
wieder aufgetaut, den Patienten zurück infundiert, sie suchen sich ihren Weg ins normale Knochenmark zurück,
wachsen dort an, beginnen mit der Blutbildung. Auf diese Weise kann die Gefährlichkeit der Chemotherapie reduziert
und die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Chemotherapie in den genannten Situationen geschaffen werden.
Stammzellen als Medikament und Teil einer Biobank
Die Herstellung von Stammzellen wird heute gesetzlich als Herstellung eines Medikamentes verstanden und unterliegt
daher strengsten Industriestandards an Sicherheit, Hygiene, Genauigkeit und Reproduzierbarkeit des Prozesses. Es
müssen somit Anforderungen an die Prozessierung erfüllt werden, wie diese auch von der Pharmaindustrie
bei der Herstellung von Medikamenten eingehalten werden müssen. Dies gilt umso mehr, als diese Stammzellprodukte
zum Teil im Labor weiter manipuliert werden müssen, indem etwa kontaminierende Tumorzellen durch Spezialmethoden
eliminiert werden, oder in experimentellen Ansätzen, diese Stammzellen genetisch verändert oder zu bestimmten
die Immunabwehr dirigierenden Zellen ausgereift werden.
Alle genannten Prozesse müssen im vorhinein exaktest definiert, in einem Probebetrieb getestet und von den
nationalen Behörden (AGES) zertifiziert und zum Betrieb freigegeben werden. Zudem ist geplant, das Stammzellen-Labor
der III. Medizin nach den so genannten JACIE-Kriterien der EBMT (European Bone Marrow Transplantation Organization)
zertifizieren zu lassen. Damit soll höchste Produktsicherheit gewährleistet werden.
Häufigkeit von autologen Stammzelltransplantationen in Salzburg
Die Zahl der autologen Transplantationen im Rahmen hochdosierter Chemotherapien von Tumorerkrankungen hat in Salzburg
sehr stark zugenommen. So wurden die Zahl der Transplantationen (trotz der Notwendigkeit zur schwierigen Gewinnung
über Wien) seit 2003 von zehn auf 40 im Jahre 2006 gesteigert, es kann zudem damit gerechnet werden, dass
bei ca. 70 bis 100 Patienten pro Jahr zusätzlich eine vorbeugende Ernte und Einfrierung von Stammzellen durchgeführt
werden wird, um für die Möglichkeit des Rückfalls der Tumorerkrankung insbesondere im Knochenmark
selbst gerüstet zu sein.
Die Experten des Stammzellenlabors
Die Gewinnung, Bearbeitung und Behandlung mit Stammzellen ist ein extrem komplexes Geschehen, in dem eine adäquate
Gesamtplanung des chemo- und immuntherapeutischen Konzeptes mit der Stammzellgewinnung koordiniert werden muss.
Der klinische Teil der Behandlung muss in einer ebenfalls strengsten Sicherheitskriterien standhaltenden Einheit
(Aplasieeinheit) durchgeführt werden, Stammzellen und Tumorzellen müssen im Labor der III. Medizin ausreichend
charakterisiert und quantifiziert werden um Zahl und richtigen Zeitpunkt der Ernte der Stammzellen zu definieren.
An diesen Prozessen sind zahlreiche spezialisierte Ärzte, Mitglieder des Pflegepersonals sowie Medizinisch
Technische Assistenten/innen (MTA) und Biologen der III. Medizinischen Klinik beteiligt. Im Stammzell-Labor selbst
arbeiten zwei MTA und zwei Ärzte. Bei der Ernte der Zellen besteht engste Kooperation mit der Blutbank. Sämtliche
Voraussetzungen für medizinische, organisatorische und technische Qualifikation wurden an der III. Medizin
in den letzten drei Jahren hergestellt bzw. ausreichend ausgebaut.
Anwendungsmöglichkeiten für Stammzelltherapien
Die in Salzburg geschaffene Einheit eines zertifizierten Stammzellenlabors erlaubt für die Zukunft, ausreichenden
quantitativen und qualitativen Bedarf vorausgesetzt, auch die Entwicklung und Etablierung der allogenen Stammzelltransplantation,
bei der die Stammzellen eines passenden und gesunden Spenders und nicht wie bei der autologen Transplantation des
betroffenen Patienten selbst auf den Tumorpatienten übertragen werden. Durch die Mitübertragung des Immunsystems
des Spenders kann dadurch eine lebenslange Tumorabstoßung ausgelöst werden und zum Teil eine Heilung
von anders nicht mehr behandelbaren Tumorerkrankungen erreicht werden. Ein besonderer Schwerpunkt der basiswissenschaftlichen
Forschung liegt an der III. Medizin im Bereich der Tumorstammzellenforschung bei Leukämien und Brustkrebs.
Tatsächlich scheint die Langlebigkeitseigenschaft von Tumoren auf der Fähigkeit sehr weniger Tumor(stamm)zellen
zu beruhen, den gesamten Tumor dauerhaft aufrecht erhalten zu können. Diese Tumorstammzellen entstehen zum
Teil in normalen Gewebsstammzellen oder nehmen Eigenschaften normaler Stammzellen an. Die Erforschung dieser Stammzelleigenschaften
von Tumoren und des Unterschiedes gegenüber normalen Stammzellen ist von größter Bedeutung für
die weitere Entwicklung des Verständnisses von Tumorbiologie und Behandlungskonzepten bösartiger Erkrankungen.
Das Nebeneinander von Stammzellenlabor, avanciertem Diagnoselabor und Forschungslabor an der III. Medizin ermöglicht
durch Integration und Fokussierung der Expertise eine konkurrenzfähige Entwicklung dieser Forschung, bei der
auch enge Kooperation mit der naturwissenschaftlichen Universität gegeben ist.
Die jüngsten Erkenntnisse, dass blutbildende Stammzellen die Möglichkeit besitzen zu anderen Geweben
wie Herz- und Skelettmuskel-, Leber- oder Nervenzellen auszureifen, haben zu mutigen Ansätzen geführt
blutbildende Stammzellen für Aspekte des tissue engineering einzusetzen, also verbrauchtes oder zerstörtes
Gewebe von Organen neu bilden zu können bzw. zu ersetzen. Auch wenn diese Methoden derzeit noch in klinischen
Studien entwickelt werden und die Entwicklung zu klinischer Reife noch viele Jahre in Anspruch nehmen kann, ist
mit der Etablierung der Ressource und der Schaffung der Expertise in Salzburg die Voraussetzung dafür gegeben,
an dieser wesentlichen klinischen Forschungsentwicklung teilhaben zu können. |