Wien (tu) - Metallographische Gefügeuntersuchungen an zwei ausgewählten
Sarkophagen der Kapuzinergruft in Wien sollten Aufschluss über mögliche Ursachen für die fortschreitende
Korrosion an den Zinnsärgen geben. Eine Chemikerin der Technischen Universität (TU) Wien untersuchte,
ob die mit Blei und Kupfer legierten Zinnsärge durch Korrosion in feuchter Umgebung gefährdet sind und
ob es die gefürchtete "Zinnpest" in der Kapuzinergruft tatsächlich gibt.
"Unsere Kollegin Elli Hösl von der Universität für angewandte Kunst entnahm kleine Proben aus
zwei bisher noch nie untersuchten Särgen in der Kapuzinergruft", erläutert Susanne Strobl, die gemeinsam
mit Professor Ettmayer (Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien) die Analysen durchführte.
Zum einen handelt es sich dabei um den Sarkophag Nr. 38 von Maria Elisabeth (1741) und jenen von Leopold Wilhelm
(1662) mit der Nr. 115. "Bei der Probenpräparation braucht man ein bisschen Fingerspitzengefühl,
denn die metallischen Stücke werden in Kunststoff eingebettet und nach dem Aushärten der Einbettmasse
vorsichtig geschliffen und poliert. Unter dem Lichtmikroskop wird das Gefüge der Zinnlegierung sichtbar und
einzelne Korngrenzen voneinander unterscheidbar", so Strobl. Bei den Untersuchungen kam unter anderem zum
Vorschein, dass das Material der Sarkophage neben dem Hauptbestandteil Zinn abwechselnd harte intermetallische
Gefügebestandteile und weichere bleireiche eutektische Phasen aufweist.
Vor allem entlang der Korngrenzen der bleireichen Phasen kommt es zu gehäufter Korrosion. In der Fachsprache
bezeichnen die WissenschafterInnen dies als intergranulare Korrosion. Strobl: "Im polarisierten Licht kann
man das sehr schön verfolgen. Die Zerstörung schreitet zunächst entlang der Korngrenzen voran und
geht dann in den Werkstoff hinein. Schließlich entstehen kompakte, dicke 'wegkorrodierte' Schichten. Die
intermetallischen Phasen werden kaum angegriffen." Im Zuge der Analysen stellte Strobl fest, dass der ältere
der beiden Särge stärker korrodiert war, was nicht unbedingt nur mit dem Alter des Sarkophages zu tun
hat, sondern auch mit dessen Standort. Bisher gab es immer wieder den Verdacht, dass es die Zinnpest wäre,
die die Särge in Mitleidenschaft zieht. Von Zinnpest ist die Rede, wenn sich die Dichte des Metalls ändert
und das metallische Beta-Zinn sich in nichtmetallisches Alpha-Zinn umwandelt. "Das ist wiederum nur unterhalb
von 13,2 Grad Celsius möglich. Das Volumen vergrößert sich und die Objekte bekommen seltsame 'Beulen'
und zerbröckeln", erläutert Strobl. Bisher hat man immer vermutet, dass die Zinnpest nicht auftritt,
wenn Blei in den Legierungen vorhanden ist. "Wir konnten weder Alpha-Zinn nachweisen, noch die These erhärten,
dass es bei Auftreten von Blei weniger Korrosion gibt. Die Zinnpest dürfte nach unseren Erkenntnissen nicht
die Ursache der Schäden an den Zinnsärgen in der Kapuzinergruft sein", betont Strobl.
Als Hauptursache für die fortschreitende Korrosion an den beiden Särgen nannte die Chemikerin die hohe
Luftfeuchtigkeit in der Gruft. Zum Ausgleich wurde im Jahr 2003 eine Klimaanlage installiert. "Nun ist einmal
abzuwarten, ob sich über einen längeren Zeitraum eine Besserung einstellt", sagt Strobl. Neben den
Untersuchungen mit dem Lichtmikroskop wurden die Proben auch im Rasterelektronenmikroskop sowie mit Hilfe der energiedispersiven
Röntgenanalytik untersucht. Das Projekt entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Universität für
angewandte Kunst Wien. |