Wien (rk) - Ein innovatives Gemeinschaftsprojekt für Wiens Spitäler
präsentierten die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely und WGKK-Obmann Franz Bittner am 08.08.
in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Ziel des Projekts ist die systematische Implementierung von EntlassungsmanagerInnen
in den Wiener Spitälern. Jährlich werden in Wien mehr als 580.000 Spitalsaufnahmen registriert. Bei rund
jeder zehnten Entlassung (12 Prozent) sind die PatientInnen nicht in der Lage, ihr Leben nach dem Spitalsaufenthalt
alleine zu meistern. Die Unterstützung durch FreundInnen oder Familie fehlt oft oder reicht nicht aus. Zumeist
kommen ältere, multimorbide Personen in diese Lage. Ihre Zahl nimmt auf Grund der Altersstruktur unserer Gesellschaft
weiter zu.
Die Aufgabe der eigens ausgebildeten Entlassungsmanagerinnen ist es, PatientInnen vor der Entlassung aus dem Spital
optimal auf die Rückkehr in die eigenen vier Wände vorzubereiten. Sie stellen eine umfassende und individuell
abgestimmte ambulante Pflegeversorgung zu Hause sicher. "'Versorgungslücken' an der Nahtstelle zwischen
Krankenhaus und extramuralen Bereich werden so vermieden, Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung
lassen sich steigern", ist Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, überzeugt.
Die Bedürfnisse der PatientInnen stehen dabei im Vordergrund. Unnötige Pflegeheim- einweisungen können
durch das professionelle Entlassungsmanagement vermieden werden. Gesundheitsstadträtin Wehsely: "Die
Stadt Wien gibt für Pflege und Betreuung jährlich rund 681 Millionen Euro aus. Neben der stationären
Pflege gibt es ein vielfältiges ambulantes Pflege- und Betreuungsangebot: Es reicht von der Heimhilfe, der
medizinischen Hauskrankenpflege, über Essen auf Rädern bis hin zu Tageszentren für SeniorInnen und
PensionistInnen-Klubs." Die neuen EntlassungsmanagerInnen werden alle Patientinnen und Patienten, die nach
dem Aufenthalt im Spital noch Hilfe brauchen, über geeignete Angebote informieren und bei deren Organisation
helfen, so Wehsely.
Bislang haben ÄrztInnen und Pflegepersonal zu entlassende PatientInnen neben ihrer eigentlichen Arbeit betreut.
Nun haben Stadt Wien und die Wiener Sozialversicherungsträger mit "PIK" ein innovatives Projekt
ins Leben gerufen. PIK steht für "PatientInnenorientierte integrierte Krankenbetreuung" und umfasst
eine ganze Reihe von Unterprojekten, die alle eine umfassende, nahtlose Versorgung der Wiener PatientInnen zum
Ziel haben und der Optimierung des Gesundheitssystems dienen. Das neue Entlassungsmanagement ist ein wesentlicher
Teil davon. Weitere Detailprojekte sind z. B. "Selbsthilfegruppen greifbar im Spital" und das neue Gesundheitsportals
"LebensSeiten.at".
Das Projekt "Entlassungsmanagement" startete mit einer Bedarfserhebung. Mittlerweile ist auch die Testphase
erfolgreich abgeschlossen: Die ersten EntlassungsmanagerInnen wurden im Hanusch-Krankenhaus der WGKK, im Wilhelminenspital
und im Göttlichen Heiland eingesetzt. Das dort entwickelte Modell wurde dann auf andere Spitäler ausgedehnt,
darunter das Kaiser-Franz- Josef-Spital, das St. Josef Krankenhaus und das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern.
Um die nötigen Fachkräfte auszubilden, wurde ein eigenes Curriculum entwickelt. "Das ist von fundamentaler
Bedeutung, denn EntlassungsmanagerInnen sind derzeit noch rar und werden in zunehmendem Ausmaß gebraucht.
Ihre Aufgaben sind sehr umfassend, sie müssen hohen Anforderungen gerecht werden", so Wehsely.
Der weitere Fahrplan: Bis 2009 Entlassungsprofis in allen Spitälern
Im Herbst 2007 starten im KAV (Akademie für Fort- und Sonderausbildung) und im Krankenhaus Göttlicher
Heiland Lehrgänge mit 20 bzw. 16 Ausbildungsplätzen, sodass 36 ausgebildete Entlassungsmanager Ende 2008
zur Verfügung stehen. Im KAV werden bis 2010 schrittweise 77 Dienstposten geschaffen. Damit können bereits
rund 80 Prozent des Bedarfs gedeckt werden. Insgesamt werden für ein flächendeckendes Entlassungsmanagement
in allen an PIK teilnehmenden Krankenanstalten 95 Vollzeitkräfte benötigt. Mit dem jährlichen Angebot
der Entlassungsmanagement-Ausbildung ist damit zu rechnen, dass mit Ende 2009 alle Krankenanstalten über professionelle
EntlassungsmanagerInnen verfügen.
Das Projekt PIK gehört zu den sogenannten "Reformpoolprojekten". Diese Projekte werden jeweils zur
Hälfte von der Stadt Wien und der Sozialversicherung realisiert. Ziel aller Reformpoolprojekte ist es, Leistungen,
wo es sinnvoll und für beide Seiten vorteilhaft ist, zwischen intramuralem und extramuralem Bereich zu verschieben.
"Das Gesundheitssystem bewegt sich zwischen zwei Polen, die oft als widersprüchlich erlebt werden: Auf
der einen Seite steht der Wille, die PatientInnen bestmöglich zufrieden zu stellen, auf der anderen Seite
der Zwang zur Wirtschaftlichkeit. Tragende Finanziers des Gesundheitswesens wie die Stadt Wien und die Wiener Sozialversicherungsträger
kennen diesen Spagat nur zu gut. Mit der systematischen Einrichtung eines Entlassungsmanagements schaffen wir diesen
Spagat", unterstrich WGKK-Obmann Franz Bittner.
Investitionen von 1,9 Millionen rechnen sich
Die Implementierung des Entlassungsmanagements kostet beide ReformpoolpartnerInnen zusammen rund 1,9 Mio. Euro,
verteilt über zwei Jahre. Dieser Betrag, so Bittner, werde sich jedoch kurzfristig in Form von größerer
PatientInnenzufriedenheit bezahlt machen. Mittel- und langfristig werde diese Investition für mehr Effizienz
sorgen und sich auch volkswirtschaftlich rechnen, so Bittner.
Vorteile für PatientInnen
* Umfassende Information über bestehende Betreuungs- und
Pflegemöglichkeiten und Organisation geeigneter mobiler
Angebote; PatientInnen bzw. deren Angehörige ersparen sich
dadurch viel Zeit und Mühe
* Raschere poststationäre Gesundung durch vermehrte
Mitentscheidung, reduzierte Unsicherheit und besseres
Krankheitsmanagement
* Vermeidung von unnötigen Hospitalisierungseffekten
* Geringere Kosten durch weniger Spitalskostenbeiträge für
stationäre Betreuung
* Erhöhte PatientenInnenzufriedenheit durch Einbeziehung von
PatientInnen und Angehörigen in die poststationäre
Betreuungsplanung
Vorteile für die Sozialversicherung
* Vermeidung von Doppeluntersuchungen durch besseres
Schnittstellenmanagement
* Kostenreduktionen im intramuralen Bereich könnten à la longue zu
zusätzlichen finanziellen Mitteln im extramuralen Bereich
führen
Vorteile für die Stadt Wien
* Bessere Planbarkeit der ambulanten Hilfsleistungen;
* Einsparung von Spitalstagen in öffentlichen Spitälern durch
verkürzte Aufenthaltsdauern und reduzierte Wiederaufnahmeraten
- hochqualifiziertes medizinisches Personal wird der
Qualifikation gemäß eingesetzt, "berufsfremde" Tätigkeiten wie
"Entlassungsmanagement nebenbei" werden reduziert (ein
Turnusarzt muss nicht "Essen auf Rädern" organisieren)
- Entlastung des Stationspersonals, höhere Arbeitszufriedenheit;
Krankenhauspersonal hat mehr Zeit für Kernaufgaben
- es wird vermieden, dass PatientInnen, die keiner Spitalspflege
mehr bedürfen, länger als nötig im Krankenhaus bleiben müssen,
weil sich noch keine extramurale Lösung gefunden hat.
- Reduktion des administrativen Aufwands in der Aufnahme und
Entlassung durch optimierte Abläufe |