Würzburg (idw) - Wissenschaftler von der Universität Würzburg haben erforscht, wie in Lungentumoren
das Wachstum neuer Blutgefäße zu einer Ausbreitung der Krebszellen ins Knochenmark und in die Lymphknoten
führt. Ihre Ergebnisse beschreiben sie in der neuen Online-Ausgabe der Zeitschrift Cancer Cell vom 13. August
2007.
Bei etwa 90 Prozent aller Krebserkrankungen sind Metastasen für den Tod der Patienten verantwortlich: Vom
Tumor trennen sich Tochtergeschwülste ab, verbreiten sich im Körper und wuchern an anderen Stellen weiter.
In diesem Stadium ist die Krankheit kaum noch zu behandeln.
Was auf molekularer Ebene passiert, wenn ein Tumor zur Metastasierung übergeht, ist für viele Krebsarten
nur wenig bekannt. Das gilt auch für Lungenkrebs. Ihn haben sich die Würzburger Forscher Rudolf Götz
und Ulf R. Rapp vorgenommen, weil er mit etwa 40.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland zu den häufigsten
bösartigen Erkrankungen zählt und nur selten heilbar ist.
Die Forscher etablierten in genetisch veränderten Mäusen zuerst ein Modell für die häufigste
Lungenkrebsform, das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom. Wenn die Tiere zwei Wochen alt sind, entstehen bei ihnen
automatisch gutartige, langsam wachsende Geschwülste, die sich im Lungengewebe ausbreiten, ohne es zu zerstören.
Die Wissenschaftler brachten dann das harmlose Gewebe dazu, bösartig zu werden, und studierten diesen Vorgang
mit Unterstützung von Kollegen aus der Kinderklinik und dem Anatomischen Institut.
Sie blockierten zuerst das Protein E-Cadherin, das für die Anheftung der Zellen auf Oberflächen wichtig
ist. Dadurch kam es in der Geschwulst zu einer massiven Neubildung von Blutgefäßen - "und das war
dann entscheidend für die folgende Metastasierung", erklärt Professor Rapp. Durch die intensivere
Versorgung mit Blut wuchsen die Tumoren schneller, drangen ins umliegende Lungen-Gewebe ein und bildeten dort Metastasen.
Lungentumor-Zellen nisteten sich auch in Lymphknoten und im Knochenmark ein.
In ihrem Artikel in Cancer Cell beschreiben die Würzburger detailliert, welche molekularen Vorgänge sie
bei diesem Prozess beobachtet haben. Die verstärkte Blutgefäßbildung wird demzufolge durch den
Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) ausgelöst, der zuvor über den ß-Catenin-Signalweg
aktiviert wurde. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die zunächst gutartigen Zellen durch die Inaktivierung
des Proteins E-Cadherin neu programmiert worden sind. Das heißt, dass sie vorübergehend Eigenschaften
eines anderen Zelltyps angenommen haben", so Rapp. Dabei handle es sich durchaus nicht um beliebige Eigenschaften.
Vielmehr fallen die Lungenkrebszellen auf eine primitivere Entwicklungsstufe zurück: "Sie bekommen leberähnliche
Eigenschaften und können darum in die Leber metastasieren", erklärt Rapp. Das sei möglich,
weil bei der Entwicklung des Organismus sowohl die Lunge als auch die Leber aus ein und derselben Struktur gebildet
werden: Beide entstehen als Ausstülpungen des so genannten Darmschlauchs.
Die Wissenschaftler planen jetzt, weitere Einzelheiten des Zusammenspiels verschiedener Signalwege bei der Tumorentstehung
und Metastasierung zu entschlüsseln. Außerdem wollen sie natürlich Angriffspunkte finden, die für
die Entwicklung zukünftiger molekularer Therapien wichtig sein könnten. Ihre Arbeiten werden von der
Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
"Disruption of Tumor Cell Adhesion Promotes Angiogenic Switch and Progression to Micrometastasis in RAF-Driven
Murine Lung Cancer". Fatih Ceteci, Semra Ceteci, Christiaan Karreman, Boris W. Kramer, Esther Asan, Rudolf
Götz, Ulf R. Rapp. Cancer Cell 12, Seiten 145-159, online veröffentlicht am 13. August 2007, DOI 10.1016/j.ccr.2007.06.014 |