Plassnik: "Europäisches Eigenprofil schärfen"  

erstellt am
27. 08. 07

Außenministerin Plassnik bei der Eröffnung der Alpbacher Politischen Gespräche
Alpbach (bmeia) - "Meine Generation von Politikern ist die erste, die hoffen darf, dass die blutigen Konflikte am Balkan die letzten gewesen sind auf europäischem Boden. Die Kosovofrage ist die Reifeprüfung für die Außenpolitik der EU" skizzierte Außenministerin Ursula Plassnik am 26.08. bei ihrer Rede zur Eröffnung der Politischen Gespräche im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach eindrücklich die anspruchsvolle Aufgabe der "Europäischen Union als globaler Partner" in der Welt. "Es ist kein einfacher Test. Es geht um viel, in erster Linie für die Menschen im Kosovo und in Serbien, und am gesamten Balkan. Wir werden den schwierigen Fragen auf Dauer nicht ausweichen können. Die Region hat schon zuviel Zeit und Energie verloren. Die wirtschaftliche Entwicklung steht auf 'Warten'. Die Menschen wollen und brauchen Klarheit", so die Ministerin.

Die EU müsse - so Plassnik - in der Kosovofrage Einheit und Entschlossenheit an den Tag legen und selbstbestimmt eine klare eigene europäische Linie halten. "Noch ist uns allen die bittere Erfahrung der Gespaltenheit, ja Zerrissenheit Europas im Irakkrieg in Erinnerung. Damals hieß die Herausforderung, ein europäisches Eigenprofil im Verhältnis zu den USA zu finden, mit denen wir in einer jahrzehntelangen transatlantischen Partnerschaft verbunden sind. Heute heißt die Herausforderung, ein europäisches Eigenprofil gegenüber dem Partner Russland zu finden", unterstrich die Außenministerin.

Plassnik hob in ihrer Eröffnungsrede den dynamischen, genuin neuartigen Charakter der gemeinsamen europäischen Außenpolitik hervor. Mitunter habe allerdings die Sprache Schwierigkeiten, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. "Die Entstehung von Neuem braucht zunächst die Bereitschaft zu neuen Worten, neuen Begriffen. In der Wissenschaft, aber auch in der Mode ist das gang und gebe. Allein in der Politik, besonders in der Außenpolitik, quälen wir uns mit dem alten einschränkenden 'Sprachschatz' im Kreis herum und wundern uns, dass wir den alten Denkkäfigen nicht entkommen."Plassnik forderte daher "mehr Mut zu neuen Begriffen", die nicht aus den Requisitentruhen verstaubter Staatskanzleien stammen.

Das gelte auch für die traditionelle Einteilung der Außenpolitik in "soft powers" und "hard powers". "Die neue Qualität der europäischen Außenpolitik ist weder mit 'soft' noch mit 'hard', sondern wohl am ehesten mit 'new skills' zu beschreiben", so die Außenministerin. Die Ministerin verwies dabei auf die konkreten weltweiten EU-Beiträge, etwa in den Bereichen Konfliktprävention, Dialogarbeit, Krisenmanagement, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die institutionelle, soziale und wirtschaftliche Wiederaufbauarbeit in Post-Konfliktsituationen.

Als zentralen Leitbegriff des 21. Jahrhunderts sah Plassnik die "Partnerschaft". Der EU, dem "gelungensten Kind des Multilateralismus", sei es gelungen, mit der "Methode Partnerschaft" ein ausgeklügeltes System des permanenten Interessensausgleichs und des Managements von Vielfalt zu entwickeln. "Diese neue Qualität im Umgang mit einer lebendigen, dynamischen Vielfalt ist ein Novum in der Weltgeschichte. Das ist mittlerweile zum Exportgut geworden. Hier liegt die wahre Unverwechselbarkeit der in Entstehung begriffenen europäischen Außenpolitik. Wo andere in der Sackgasse der Gewalt oder des Schweigens landen, pflegt die EU mit schier unendlichen Geduldsfäden den Dialog für inklusive multilaterale Lösungen. Manchmal belächelt, immer aber - bei Licht besehen - alternativenlos. Aktuelles Beispiel siehe Iran", unterstrich Plassnik.

Diese "unique selling proposition" der EU als "globaler Partner" schaffe Neugierde und generiere eine stetig wachsende Nachfrage nach Europa. Plassnik gab aber auch zu bedenken, dass diese Nachfrage nicht ohne Risiko sei: "Das birgt die Gefahr, dass die EU fahrlässig wird im 'Management der Erwartungen': Wir dürfen nicht den Eindruck vermitteln, überall Krisenmanager und Zahlmeister sein zu können, ohne unser kostbarstes Gut zu verlieren - unsere Glaubwürdigkeit. Augenmaß und Hausverstand sind gefragt."

Klimaschutz, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen seien nur einige der Themenkomplexe, bei denen effektiver Multilateralismus gefordert sei, erklärte die Ministerin, die an ihren Vorschlag zur Schaffung multilateraler Brennstoffbanken unter Kontrolle der IAEO erinnerte. Plassnik sprach sich auch deutlich für eine "Weltpartnerschaft für die Arktis" aus. "Das absurde Rennen zum Nordpol, einschließlich Flaggenhissen, erinnert frappant an Macho-Rituale längst vergangener Zeiten. Als seien die Vereinten Nationen nicht erfunden, als gäbe es nicht das Seerechtsübereinkommen der UNO, die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels und die Internationale Meeresbodenbehörde. Als gäbe es nicht Klimawandel und gemeinsame Interessen jenseits der national-egoistischen Ressourcenjagd."
 
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