Außenministerin Plassnik bei der Eröffnung der Alpbacher Politischen Gespräche
Alpbach (bmeia) - "Meine Generation von Politikern ist die erste, die hoffen darf, dass die
blutigen Konflikte am Balkan die letzten gewesen sind auf europäischem Boden. Die Kosovofrage ist die Reifeprüfung
für die Außenpolitik der EU" skizzierte Außenministerin Ursula Plassnik am 26.08. bei ihrer
Rede zur Eröffnung der Politischen Gespräche im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach eindrücklich
die anspruchsvolle Aufgabe der "Europäischen Union als globaler Partner" in der Welt. "Es ist
kein einfacher Test. Es geht um viel, in erster Linie für die Menschen im Kosovo und in Serbien, und am gesamten
Balkan. Wir werden den schwierigen Fragen auf Dauer nicht ausweichen können. Die Region hat schon zuviel Zeit
und Energie verloren. Die wirtschaftliche Entwicklung steht auf 'Warten'. Die Menschen wollen und brauchen Klarheit",
so die Ministerin.
Die EU müsse - so Plassnik - in der Kosovofrage Einheit und Entschlossenheit an den Tag legen und selbstbestimmt
eine klare eigene europäische Linie halten. "Noch ist uns allen die bittere Erfahrung der Gespaltenheit,
ja Zerrissenheit Europas im Irakkrieg in Erinnerung. Damals hieß die Herausforderung, ein europäisches
Eigenprofil im Verhältnis zu den USA zu finden, mit denen wir in einer jahrzehntelangen transatlantischen
Partnerschaft verbunden sind. Heute heißt die Herausforderung, ein europäisches Eigenprofil gegenüber
dem Partner Russland zu finden", unterstrich die Außenministerin.
Plassnik hob in ihrer Eröffnungsrede den dynamischen, genuin neuartigen Charakter der gemeinsamen europäischen
Außenpolitik hervor. Mitunter habe allerdings die Sprache Schwierigkeiten, mit dieser Entwicklung Schritt
zu halten. "Die Entstehung von Neuem braucht zunächst die Bereitschaft zu neuen Worten, neuen Begriffen.
In der Wissenschaft, aber auch in der Mode ist das gang und gebe. Allein in der Politik, besonders in der Außenpolitik,
quälen wir uns mit dem alten einschränkenden 'Sprachschatz' im Kreis herum und wundern uns, dass wir
den alten Denkkäfigen nicht entkommen."Plassnik forderte daher "mehr Mut zu neuen Begriffen",
die nicht aus den Requisitentruhen verstaubter Staatskanzleien stammen.
Das gelte auch für die traditionelle Einteilung der Außenpolitik in "soft powers" und "hard
powers". "Die neue Qualität der europäischen Außenpolitik ist weder mit 'soft' noch mit
'hard', sondern wohl am ehesten mit 'new skills' zu beschreiben", so die Außenministerin. Die Ministerin
verwies dabei auf die konkreten weltweiten EU-Beiträge, etwa in den Bereichen Konfliktprävention, Dialogarbeit,
Krisenmanagement, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die institutionelle, soziale und wirtschaftliche Wiederaufbauarbeit
in Post-Konfliktsituationen.
Als zentralen Leitbegriff des 21. Jahrhunderts sah Plassnik die "Partnerschaft". Der EU, dem "gelungensten
Kind des Multilateralismus", sei es gelungen, mit der "Methode Partnerschaft" ein ausgeklügeltes
System des permanenten Interessensausgleichs und des Managements von Vielfalt zu entwickeln. "Diese neue Qualität
im Umgang mit einer lebendigen, dynamischen Vielfalt ist ein Novum in der Weltgeschichte. Das ist mittlerweile
zum Exportgut geworden. Hier liegt die wahre Unverwechselbarkeit der in Entstehung begriffenen europäischen
Außenpolitik. Wo andere in der Sackgasse der Gewalt oder des Schweigens landen, pflegt die EU mit schier
unendlichen Geduldsfäden den Dialog für inklusive multilaterale Lösungen. Manchmal belächelt,
immer aber - bei Licht besehen - alternativenlos. Aktuelles Beispiel siehe Iran", unterstrich Plassnik.
Diese "unique selling proposition" der EU als "globaler Partner" schaffe Neugierde und generiere
eine stetig wachsende Nachfrage nach Europa. Plassnik gab aber auch zu bedenken, dass diese Nachfrage nicht ohne
Risiko sei: "Das birgt die Gefahr, dass die EU fahrlässig wird im 'Management der Erwartungen': Wir dürfen
nicht den Eindruck vermitteln, überall Krisenmanager und Zahlmeister sein zu können, ohne unser kostbarstes
Gut zu verlieren - unsere Glaubwürdigkeit. Augenmaß und Hausverstand sind gefragt."
Klimaschutz, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen seien nur einige der Themenkomplexe, bei
denen effektiver Multilateralismus gefordert sei, erklärte die Ministerin, die an ihren Vorschlag zur Schaffung
multilateraler Brennstoffbanken unter Kontrolle der IAEO erinnerte. Plassnik sprach sich auch deutlich für
eine "Weltpartnerschaft für die Arktis" aus. "Das absurde Rennen zum Nordpol, einschließlich
Flaggenhissen, erinnert frappant an Macho-Rituale längst vergangener Zeiten. Als seien die Vereinten Nationen
nicht erfunden, als gäbe es nicht das Seerechtsübereinkommen der UNO, die Kommission zur Begrenzung des
Festlandsockels und die Internationale Meeresbodenbehörde. Als gäbe es nicht Klimawandel und gemeinsame
Interessen jenseits der national-egoistischen Ressourcenjagd." |