Göttingen (idw) - Individualisten sind die Membranproteine von Nervenzellen eher selten, Zusammenarbeit
wird großgeschrieben. Göttinger Forscher des Max- Planck-Instituts für biophysikalische Chemie
haben einen neuen Mechanismus herausgefunden, wie sich diese Proteine aktiv zu Gruppen zusammenschließen.
Dies könnte ein entscheidender Trick der Natur sein, dass Denkprozesse im Gehirn kontrollierter - und damit
schneller ablaufen. (Science, 24. August 2007)
Nervenzellen kommunizieren miteinander über so genannte Synapsen, an denen zwei benachbarte Zellen einen Kontakt
ausbilden. Die "sendende" Zelle produziert winzige Bläschen ("Vesikel") mit Botenstoffen.
Diese verschmelzen mit der Membran und setzen dabei ihre chemischen Botenstoffe frei, wodurch die "empfangende"
Nachbarzelle aktiviert wird. Vermittelt wird diese Verschmelzung durch SNARE-Proteine, die auf der Nervenzellmembran
sitzen. Für diese Aufgabe organisieren sie sich in Gruppen, auch Cluster genannt. Wie sich die einzelnen Proteine
jedoch zu einer Gruppe zusammenfinden, darüber war bis jetzt nur wenig bekannt.
Bisher wurde angenommen, dass die Membranproteine dabei auf die Hilfe fremder Proteine oder Lipide angewiesen sind.
"Wir konnten nun zeigen, dass sich die Membranproteine vielmehr selbst organisieren, indem sie miteinander
wechselwirken", erklärt Projektleiter Thorsten Lang vom Max-Planck-Institut für biophysikalische
Chemie in Göttingen. "Als molekulare Plattformen stehen sie bereit, damit Vesikel schnell andocken und
dadurch Signale rasch weitergeleitet werden können".
Zu diesem überraschenden Ergebnis gelangten die Forscher, indem sie unterschiedliche Methoden und Ansätze
kombinierten, denn so ohne weiteres lassen sich die SNARE-Proteine in Aktion nicht beobachten. "Uns hat besonders
interessiert, was die Proteine bewegt, sich zusammen zu tun, und wie flexibel diese Cluster hinsichtlich der Anzahl
ihrer Proteine sind", erläutert Thorsten Lang. Dazu haben sich die Wissenschaftler das Verhalten eines
bestimmten SNARE-Proteins, des Syntaxin-1, genauer angeschaut.
Etwa 1000 Syntaxin-1-Cluster passen auf die Breite eines Haares Doch sind Syntaxin-1-Cluster in der Zelle so klein
und zahlreich, dass man sie unter einem gewöhnlichen Lichtmikroskop nicht einzeln ausmachen kann. Erst mit
Hilfe der am Institut entwickelten ultra- hochauflösenden STED-Mikroskopie konnten die Wissenschaftler die
einzelnen Syntaxin-1-Büschel sehen und ihre Größe bestimmen - ein Cluster misst gerade ein Tausendstel
des Durchmessers eines einzelnen Haares. Durch Kombination von Experiment und Computer-Simulation konnten die Forscher
schließlich auch die Anzahl der Proteine im Cluster genau bestimmen. Dazu haben sie zunächst experimentell
die Beweglichkeit der Syntaxin-1-Proteine zwischen einzelnen Clustern gemessen. Führten die Wissenschaftler
dann Computer-Simulationen mit unterschiedlicher Proteinanzahl pro Cluster durch und verglichen diese mit der gemessenen
Beweglichkeit der Proteine im Experiment, so stimmten Experiment und Simulation nur dann überein, wenn sich
im Mittel 75 Syntaxine pro Cluster zusammenballten. Um diese 75 Syntaxine auf nur einem Tausendstel des Durchmessers
eines Haares unterzubringen, müssen sie damit äußerst dicht gepackt sein.
Einzelne Proteine wandern hin und her
Allerdings sind nicht alle Syntaxin-1-Proteine in Clustern organisiert. Etwa ein Fünftel der Syntaxin-1-Proteine
wechselt zwischen unterschiedlichen Proteingruppen in der Membran hin und her. Ob und welche Funktion sie haben,
ist noch ungeklärt. Doch sind es vermutlich die Proteincluster, die schnelles Denken ermöglichen. Die
Göttinger Forscher wollen nun in Zukunft herausfinden, wie sich das Team aus Proteinen innerhalb des Syntaxin-1-Clusters
die Informationsweiterleitung aufteilt.
Die neuen Erkenntnisse haben noch einen interessanten Nebeneffekt. Die wichtige Funktion der SNARE-Proteine in
Nervenzellen macht sie zu einem idealen Angriffspunkt für Nervengifte wie die Botulinus- Neurotoxine, kurz
Botox genannt. Diese schneiden Syntaxine ab, was direkt auch die Clusterbildung dieser Proteine verhindern würde.
Die Arbeiten der Wissenschaftler tragen dazu bei, die Wirkungsweise dieser Nervengifte genauer aufzuklären,
so dass diese auch zu unserem Nutzen angewendet werden können. Botox wird bereits erfolgreich bei der Behandlung
von Spasmen eingesetzt. In feiner Dosierung werden die Nervenleitungen dazu an der gewünschten Stelle blockiert
und dadurch die Muskelspannungen gelöst. Auch die eine oder andere Hautfalte lässt sich auf diese Weise
glätten. |