Innsbruck (universität) - Aufbauend auf ihre bisherigen Forschungserfolge konnte die Molekularbiologin
Dr. Alexandra Lusser vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck gemeinsam mit amerikanischen Kollegen
nun anhand von Untersuchungen an der Fruchtfliege Interessantes nachweisen: Ein von ihr identifiziertes Protein,
das wichtig ist für die "Verpackung" des Erbguts in der Zelle, spielt eine entscheidende Rolle dabei,
dass sich nach der Befruchtung lebensfähige Embryos entwickeln können. Die Zeitschrift "Science"
berichtet darüber in ihrer aktuellen Ausgabe.
Bereits vor zwei Jahren gelang es Dr. Alexandra Lusser gemeinsam mit amerikanischen Kollegen "im Reagenzglas"
ein molekulares Motorprotein, CHD1, zu identifizieren und zu charakterisieren, das die Packung der DNA und Histone
vermittelt, sodass Chromatin entstehen kann. Nun konnte Lusser anhand von Versuchen an der Fruchtfliege (Drosophila),
wiederum mit amerikanischen Forscherkollegen, auch die biologische Rolle dieses Motorproteins CHD1 nachweisen.
Dabei stellte sich heraus, dass CHD1 notwendig ist, um die Verschmelzung von mütterlichem und väterlichem
Genom zu ermöglichen. Die aktuelle Arbeit wird in dem bedeutenden Wissenschaftsmagazin "Science"
veröffentlicht.
Gut "verpacktes" Erbgut
Als lange Kette betrachtet kann die DNA mehrere Meter lang sein. Im Zellkern ist aber nur sehr wenig Platz,
deshalb muss die DNA "verpackt" werden. Dies geschieht mittels basischer Proteine, so genannter Histone,
um die die DNA herumgewickelt wird. Dadurch kann die Länge um das 50.000-fache verkürzt werden. Außerdem
wird auf diese Weise eine übergeordnete Ebene der Regulation geschaffen, die all jene Prozesse beeinflusst,
die Zugang zur DNA benötigen. Die Forschung zur Struktur dieser "Verpackung", des so genannten Chromatins,
hat sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt und großes wissenschaftliches und medizinisches
Interesse hervorgerufen. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass viele der Faktoren, die für
die Modulation der Chromatinstruktur verantwortlich sind, auch bei der Entstehung einer großen Anzahl von
Krebserkrankungen wie Leukämien, Brust- und Lungenkrebs aber auch Erbkrankheiten wie dem Williams Syndrom
involviert sind. Die Prozesse, die die Packung der DNA und Histone regulieren ("Chromatin Assembly"),
spielen eine zentrale Rolle bei der Verdoppelung der Chromosomen, bei Transkription, der Reparatur von DNA Schäden
und bei der Rekombination des genetischen Materials.
Keine Vermehrung mehr möglich
Im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeit hat das Forschungsteam um Alexandra Lusser Exemplare der Fruchtfliege
Drosophila gezüchtet, bei denen das Motorprotein CHD1 nicht vorhanden ist, so genannte "Knock-out"-Fliegen.
In der folgenden Generation haben die entsprechenden Drosophila-Weibchen zwar befruchtete Eier gelegt, es entstanden
daraus jedoch keine lebens- und entwicklungsfähigen Embryos, weil keine geordnete Ver- und in der Folge Entpackung
des männlichen Erbmaterials mehr möglich ist. Im speziellen Fall konnte das Histon H3.3, das in verschiedenen
Phasen der Entstehung einer Zygote notwendig ist, nicht mehr eingebaut werden.
Grundlage für weitere Forschungsarbeiten
Diese Entdeckung ist deshalb sehr bemerkenswert, weil es sich dabei um einen sehr grundsätzlichen
Prozess bei der Entstehung von neuem Leben handelt und dies damit auch bei höher entwickelten Lebewesen, somit
auch beim Mensch, relevant ist. Alexandra Lusser bereitet daher bereits ein Projekt vor, ihre Erkenntnisse auch
an Mäusen zu testen. Ihr Ziel ist es dabei, möglicherweise einen prognostischen Marker zu entwickeln,
der bei der Ursachenforschung und der Behandlung von unerfülltem Kinderwunsch eine Rolle spielen könnte.
Ganz grundsätzlich ist ein besseres Verständnis dieser Prozesse entscheidend, um die Diagnose, Behandlung
und Therapie von Erkrankungen zu verbessern, da diese Prozesse und ihre möglichen Störungen nach heutigem
Wissensstand eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Erbkrankheiten und der Entartung von Zellen und damit bei
der Entstehung von Krebs spielen. Dr. Alexandra Lusser ist Assistenzprofessorin an der Sektion für Molekularbiologie
des Biozentrums der Medizinischen Universität Innsbruck. Sie erhielt 2005 den START-Preis des österreichischen
Wissenschaftsfonds (FWF), die höchste nationale Auszeichnung für NachwuchswissenschaftlerInnen. |