Nachfrage nach Molkereiprodukten nimmt zu - Höhere Erlöse für Milchbauern
Wien (bmlfuw/aiz) - Die Lage am globalen Milchmarkt hat sich radikal verändert. Seit mehreren
Wochen steigen die Preise für Milchprodukte stark, mit Preissprüngen, die man so bisher nicht kannte.
Der Hauptgrund: Die Nachfrage steigt schneller als das Angebot. Das US-Landwirtschaftsministerium geht davon aus,
dass der globale Frischmilchverbrauch heuer um gut 3%, der Konsum von Butter um 6% und der Verbrauch von Vollmilchpulver
um über 7% ansteigen. Diese Situation wird dazu führen, dass die Milchpreise weiterhin fest bleiben und
über dem Niveau der vergangenen Jahre liegen werden.
Bevölkerungswachstum und neue Ernährungsgewohnheiten wirken sich aus
Die Nachfrage nach Milchprodukten ist in den vergangenen Jahren weltweit stärker gestiegen als zuvor. Der
Zuwachs ist auf die größere Weltbevölkerung und die weltweit steigende Beliebtheit westlicher Ernährungsgewohnheiten
zurückzuführen. Beim raschen Anstieg der Nachfrage spielt das starke Wirtschaftswachstum in Schwellenländern
wie China, Brasilien, Russland, Indien und zahlreichen südostasiatischen Ländern eine wichtige Rolle,
stellt die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in ihrer jüngsten Analyse fest. Teilweise wurde der
steigende Milchkonsum dort durch die Einführung von Schulmilchprogrammen gefördert. Die nachhaltig gestiegenen
Ölpreise verhelfen den Erdöl exportierenden Ländern, die wichtige Importeure von Milchprodukten
sind, zu steigender Kaufkraft. Auch das führt zu einem höheren Verbrauch an Molkereiprodukten.
China als wichtiger Einflussfaktor
China, das in den vergangenen Wochen vielfach als Auslöser der deutlichen Preisanstiege auf dem Weltmarkt
genannt wurde, verzeichnet entgegen manchen Medienberichten keine sinkende, sondern eine stark steigende Kuhmilcherzeugung:
Sie lag laut ZMP im Jahr 2001 noch bei rund 10 Mio. t und wurde bis 2006 auf rund 32 Mio. t mehr als verdreifacht.
Das US-Landwirtschaftsministerium geht in seiner jüngsten Prognose davon aus, dass heuer eine weitere Steigerung
der chinesischen Produktion um 16% auf 38 Mio. t erfolgt.
Dies wird auch notwendig sein, denn einerseits wird von staatlicher Seite der Milchkonsum stark propagiert und
forciert. Gleichzeitig haben steigende Einkommen zu einer neuen Mittelschicht geführt, die sich auch bei der
Ernährung an westlichen Konsummustern orientiert und insbesondere auch vermehrt Milchprodukte im Supermarkt
einkauft. Nach Angaben der Economist Intelligence Unit beliefen sich die Ausgaben Chinas für Nahrungsmittel,
Getränke und Tabak im Jahr 2006 auf USD 276 Mrd., bis 2011 sollen sie auf USD 470 Mrd. steigen. Im gleichen
Zeitraum wird von den Analysten eine Zunahme des Pro-Kopf-Milchkonsums von 19 auf 22 kg erwartet, das entspricht
einem Plus von 15%.
Um den steigenden Bedarf zu decken, wurden von China bereits 2006 mehr Milchprodukte importiert, nachdem die Einfuhren
2005 kurzfristig etwas zurückgegangen waren. Die höchsten Zuwachsraten auf der Importseite waren 2006
bei Magermilchpulver und bei Käse festzustellen. Das mengenmäßig bedeutendste Milchprodukt beim
Import ist Molkenpulver mit einer Menge von rund 185.000 t.
Nachfrage hat Angebot überholt
Insgesamt hat das globale Wachstum der Nachfrage nach Milchprodukten in den vergangenen Jahren die Steigerung
des Angebots überholt, und es wurde mehr Milch verbraucht als erzeugt. Dies war nur möglich, weil einige
Jahre zuvor Überschüsse an Milch erzeugt wurden. Die Mengen, die nicht abgesetzt werden konnten, wurden
zu haltbaren Produkten wie Butter und Milchpulver verarbeitet und als Bestände gelagert, insbesondere in der
EU, den USA und in gewissem Umfang auch in Ozeanien. Seit 2004 wurden die Bestände kontinuierlich verringert
und zur globalen Marktversorgung mit herangezogen. So lange man das Angebot durch den Abbau von Beständen
ergänzen konnte, wurde die Nachfrage befriedigt und die Preise änderten sich kaum.
Leere Lager ließen Preise in die Höhe schnellen
Im Laufe des Jahres 2006 wurden die Bestände an Magermilchpulver überall vollständig abgebaut,
in den ersten Monaten 2007 auch die von Butter. Nun gibt es zwischen Angebot und Nachfrage eine Lücke. Dies
hat zu einem starken, bisher nicht gekannten Anstieg der Preise für Milchprodukte am Weltmarkt geführt.
So haben sich etwa die Notierungen für Magermilchpulver in den vergangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt.
Der Preisanstieg wurde laut ZMP durch die Senkung der EU-Exporterstattungen auf Null noch verstärkt.
Verschärft wurde heuer die Situation durch den Ausfall wichtiger Exporteure: Auf dem Weltmarkt stehen wenige
große Anbieter wie die EU, Neuseeland, Australien, die USA und Argentinien einer großen Zahl von Importeuren
gegenüber. Neuseeland, das als weltweit größter Exporteur von Milchprodukten gilt, musste aufgrund
der Dürreprobleme seine Lieferungen vorübergehend verringern. Australien, drittgrößter Lieferant
von Milchprodukten, erlitt 2006 eine Jahrhundertdürre, die einen starken Rückgang des Milchaufkommens
nach sich zieht und sich wohl noch über einen längeren Zeitraum hinweg auswirken wird. Aus Argentinien,
dem fünftgrößten Exporteur von Milchprodukten, wurden im April 2007 extreme Niederschläge
mit Überflutungen in wichtigen Milcherzeugungsregionen und kürzlich ein extremer Kälteeinbruch gemeldet.
Auch politische Maßnahmen wie die Anhebung von Exportsteuern können hier das weitere Wachstum der Produktion
dämpfen.
Erzeugerpreise weltweit gestiegen
Die stark gestiegenen Notierungen für Molkereiprodukte haben sich mittlerweile auch auf die Erzeugerpreise
positiv ausgewirkt. Wie aus der jüngsten Einhebung des niederländischen Landwirteverbandes LTO hervorgeht,
ist der durchschnittliche Auszahlungspreis der Markt bestimmenden EU-Molkereien im Juni 2007 auf 27,98 Cent je
kg (ohne Umsatzsteuer, bei 4,20% Fett und 3,35% Eiweiß) gestiegen, ein Jahr zuvor wurden 26,08 Cent gezahlt.
Bemerkenswert ist vor allem, dass sich der Erzeugerpreis in Neuseeland im selben Zeitraum von 15,43 auf 23,72 Cent
und in den USA sogar von 22,16 auf über 36 Cent erhöhte.
Österreich: Trend zeigt nach oben
In Österreich haben die Molkereien ebenfalls ihre Auszahlungspreise erhöht, für Juni 2007 liegen
aber noch keine Vergleichszahlungen zur LTO-Erhebung vor. Nach zum Teil sehr harten Verhandlungen mit den Lebensmittelketten
werden jetzt die Erhöhungen schrittweise an die Bauern weitergegeben. Die Berglandmilch, Österreichs
größtes Milch verarbeitendes Unternehmen, hebt den Erzeugermilchpreis ab September 2007 um brutto 5,26
Cent pro kg Milch an, der Auszahlungspreis beträgt dann brutto 41,04 Cent pro kg. Andere Molkereien peilen
ebenfalls die 40-Cent-Hürde an. So wird etwa die Alpenmilch Salzburg die Erzeugerpreise rückwirkend ab
Anfang August 2007 um brutto 2 Cent erhöhen, ab September erfolgt eine weitere Anhebung um 1,26 Cent auf 40
Cent je kg. Bei erfolgreichen Preisgesprächen mit dem Handel im Käsebereich schließt die Alpenmilch
eine weitere Steigerung der Auszahlungspreise im 4. Quartal nicht aus.
Weitere Preisentwicklung von Nachfrage-Deckung abhängig
Die weitere Preisentwicklung wird nach Ansicht der Experten davon abhängen, inwiefern der zunehmende Verbrauch
durch entsprechende Produktionssteigerungen gedeckt werden kann. Die EU als weltweit größter Erzeuger
wird heuer mit 131 Mio. t eine stagnierende Milchproduktion aufweisen. Zum einen lässt das Quotensystem (das
in den vergangenen Jahrzehnten für einen stabilen Markt sorgte) keinen Spielraum, mehr Milch zu erzeugen,
zum anderen werden die Quoten in manchen Mitgliedsländern seit einigen Jahren stets unterliefert. Die Nachfrage
nach Milchprodukten in der EU steigt aber kontinuierlich an, vor allem Käse und Joghurt werden immer mehr
verbraucht. So verbleibt immer weniger Milch für den Export in Drittländer. Die Nachfrage vom Weltmarkt
war aber in den vergangenen Monaten groß. Im April und Mai wurden laut ZMP größere Mengen exportiert
als in den entsprechenden Vorjahresmonaten.
Wenn sich die Grundfutterversorgung in den ozeanischen Ländern nach den dürrebedingten Ausfällen
wieder normalisiert, könnte laut Prognosen des US-Agrarressorts die Milchproduktion in den weltweit wichtigsten
Ländern heuer um 3% auf 427,6 Mio. t steigen. Insbesondere die USA (+3,6%), Argentinien (+4,9%), Russland
(+2,9%), Indien (+3,4%) sowie China (+16%) werden ihre Kuhmilcherzeugung voraussichtlich spürbar anheben.
Gleichzeitig sagen die US-Experten für 2007 eine Zunahme des globalen Frischmilchkonsums um 3,3% auf knapp
168 Mio. t sowie eine Steigerung des Butterkonsums um 6% auf gut 7 Mio. t voraus. Ebenfalls höher soll der
Verbrauch von Vollmilchpulver (+7,6%), Magermilchpulver (+1,1%) und Käse (+1,7%) ausfallen. "Sofern die
Weltwirtschaft weiter wächst, werden sich die Preise für Milchprodukte auf längere Sicht über
dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen Jahre bewegen", stellt die ZMP in Übereinstimmung mit Prognosen
der FAO und der OECD fest. |