Der Carry Trade ist noch am Leben  

erstellt am
22. 08. 07

EZB wird den Normalisierungsprozess im Einklang mit der Verfassung der Finanzmärkte fortsetzen – Die Renditen von Staatsanleihen steigen bis Jahresende auf ein leicht höheres Niveau
Wien (ba-ca) - Carry Trades - also Veranlagungen mit geliehenem Geld in höher verzinslichen Währungen - waren bis vor kurzem in aller Munde. Konnten sich Carry-Trade-Strategien bis tief in den Juli hinein noch von der Schwäche in anderen risikobehafteten Assetklassen abklinken und neue Höchststände erreichen, setzte zuletzt ein massiver Rückschlag ein. Mittelfristig erwartet Michael Rottmann, Leiter Zins- und Währungsanalyse, UniCredit, aber eine Gegenbewegung: "Da sich die Zinsdifferenzen wahrscheinlich nicht deutlich verschieben werden, die Währungsvolatilitäten allerdings im Einklang mit dem globalen Risikoappetit mittelfristig sinken dürften, wird auch der Appetit auf Hochzinswährungen zurückkehren."

Die Wechselkurse waren laut Rottmann nicht der Ausgangspunkt der laufenden Finanzmarktkrise, sondern vielmehr der zuletzt fallende Dominostein. Andererseits zeigen Währungsstrategien - verglichen mit andern Assetklassen - seit Jahresbeginn noch immer die höchsten Erträge. Kurzfristig sind weitere Verluste der Hochzinswährungen bzw. eine weitere Befestigung der Niedrigzinswährungen wahrscheinlich.

Zum Jahresende sehen die UniCredit-Analysten einen EUR-JPY Wechselkurs von 161. EUR-USD und EUR-CHF dürften bei einem Niveau von 1,33 bzw. 1,63 handeln.

Notenbanken geben dem Druck nach: Finanzmarktvolatilität wichtiger als höhere Risikoprämien
Die Senkung des Diskontsatzes in den USA von 6,25% auf 5,75% hat den Marktteilnehmern vor Augen geführt, dass der US-Notenbank letztlich Finanzmarktvolatilität wichtiger ist als der zuvor von den Notenbanken artikulierte Wunsch nach höheren Risikoprämien. Ob es letztlich zu Senkungen in der Fed Funds Target Rate kommen wird, hängt von der weiteren Reaktion der Finanzmärkte bis zur nächsten Sitzung der US-Notenbank am 18. September ab.

Ein erneuter Schwächeanfall würde wie in 1998 geldpolitische Gegenmaßnahmen folgen lassen. Gerne wird die Fed eine Zinssenkung nicht vornehmen, trägt ihr dies letztlich doch den Vorwurf ein, spekulative Finanzmarktteilnehmer erneut "rauszuhauen" und damit eine Politik fortzusetzen, die erst zu dem extremen Risk-Taking und den aktuellen Problemen geführt hat. Da die Finanzmärkte allerdings extrem eng mit der Konjunkturdynamik verknüpft sind, bleibt ihr letztlich trotz aller Bedenken nichts anderes übrig.

Auch für die EZB hat sich die Situation verändert. So ist der Zeitpunkt der nächsten Leitzinserhöhung unsicher geworden. Hat die Aktion der US-Notenbank genügt um die Finanzmärkte zu stabilisieren, wird eine Erhöhung um 25 Basispunkte im September erfolgen. Bleibt die Konstellation allerdings weiterhin labil, wird der geplante Zinsschritt verschoben.

Inflationsumfeld ebenfalls neutral
Inflation ist unverändert kein Thema. Dominiert von den noch immer anhaltenden positiven Impulsen der Globalisierung liegt die Inflationsrate im Euroraum bereits seit 9 Monaten exakt im Einklang mit dem EZB-Mandat von knapp unter 2%. Für 2008 sehen wir nur einen leichten Anstieg auf ein durchschnittliches Niveau von 2.1%.

Die Steigerung in der Kernrate dürfte sich um 2% belaufen. Ebenfalls überschaubar bleibt die Situation in den USA. Zwar wird der Deflator der persönlichen Konsumausgaben leicht über den imaginären Zielkorridor von 1-2% steigen, dies dürfte allerdings nicht zu Verwerfungen in der Geldpolitik führen.

Nur leicht ansteigende Anleiherenditen
Allerdings sind die Markterwartungen bzgl. der weiteren Geldpolitik überzogen. In den amerikanischen Geldmarktinstrumenten sind inzwischen Leitzinssenkungen von 100 Basispunkten bis Mitte 2008 vorweggenommen. Im Euroraum ist bis Mitte 2008 keine weitere Leitzinsanhebung mehr eingepreist. Sobald diese extrem aggressiven Erwartungen zurückgeführt werden, kommt es auch zu einem Renditeanstieg am langen Ende der Kurve.

10-jährige amerikanische Staatsanleihen dürften zum Jahresende erneut auf 5 Prozent ansteigen. 10-jährige Renditen von österreichischen Staatsanleihen sollten auf ein Niveau von 4,50/4,60 Prozent steigen.
 
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