WKÖ- und ÖGB- Präsident diskutieren in Alpbach zum Thema "Erleben wir ein
Sozialpartner- Revival?"
Wien (pkw) - "Erleben wir ein Sozialpartner- Revival ?" - diese Frage stand am Abend des
21.08. im Mittelpunkt eines Diskussionsrunde im Rahmen der Alpbacher Reformgespräche. Die Antwort von Wirtschaftskammerpräsident
Christoph Leitl und ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer fiel eindeutig aus: "Nein, denn die Sozialpartnerschaft
war nie weg, sondern ständig aktiv und präsent. Allerdings war der Stellenwert der Sozialpartnerschaft
auch immer von der Zusammensetzung der jeweiligen Regierung abhängig" Dass eine große Koalition
der Sozialpartnerschaft gut tue, sei aber kein Geheimnis.
Einig zeigten sich beide Sozialpartner auch bei der Frage ob sie seit dem Start der Großen Koalition, wie
lange Jahrzehnte in der Zweiten Republik, wieder als eine Art Nebenregierung agieren. Die Siebzigerjahre, in denen
Anton Benya und Rudolf Sallinger faktisch gesagt hätten, wo es lang geht, seien eben "eine andere Zeit
gewesen", betonten Leitl und Hundstorfer unisono. Die Sozialpartner seien Manager des Wandels und Partner
der Regierung.
Aufgabe der Sozialpartner ist es, auch das "langfristige Denken" zu pflegen und Strategien für die
Zukunft zu entwickeln, betonte Leitl. Die Sozialpartner ihrerseits sollten der Politik "partnerschaftlich"
gegenüber stehen, aber auch "mit Distanz", so Leitl,"es geht um einen ordentlichen und konstruktiven
Dialog mit jeder demokratisch gewählten Regierung. Denn die Sozialpartnerschaft ist nicht nur ein erfolgreiches
Gesellschaftsmodell der Vergangenheit, sondern ein gutes Modell auch für die Zukunft, um die neuen Herausforderungen
sowohl in Österreich, in der EU als auch in einer global vernetzten Welt zu bewältigen".
Leitl legte eine Reihe von Kriterien dar, die für eine "funktionierende Sozialpartnerschaft" neuen
Zuschnitts gelten müssen. So sollte sie vom "Willen zur sachlichen Problemlösung" und von der
Bereitschaft getragen sein, Themen von sich aus aktiv anzugehen. In diesem Zusammenhang verweist Leitl auf gemeinsame
Erfolge wie die Abfertigung NEU, Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes, den Mindestlohn oder die Leiharbeiterregelung.
Als die große Herausforderung für die Zukunft sieht Leitl den gesamten Bildungsbereich. "Hier gibt
es für die Sozialpartnerschaft noch viel zu tun. Ob nun bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung, dem Problem
des Fachkräftemangel oder bei der Reform des gesamten Bildungssystems - diese Themen müssen wir rasch
in Angriff nehmen um Österreich auch in Zukunft in einer globalen Welt gut positionieren zu können",
so Leitl.
Hundstorfer führte in seinem Statement aus, die Sozialpartnerschaft wäre tatsächlich "überflüssig",
wenn sie "sich auf ihre 50-jährige Erfolgsgeschichte zurückziehen würde". Dies wäre
aber der falsche Weg, tatsächlich sei die Sozialpartnerschaft heute "notwendiger denn je". Und zwar,
so unterstrich der ÖGB-Präsident, "nicht als Ersatzpartei oder als Nebenregierung", die Sozialpartner
sind vielmehr ein fixer Bestandteil des gesellschaftspolitischen Lebens. Die Sozialpartner sind aufgerufen, Wirtschaft
und Gesellschaft mitzugestalten, sowohl in den großen Strukturen als auch auf betrieblicher Ebene. Beispielsweise
gehe es darum, dass die Sozialpartner ihren Beitrag zu einem "lebensbegleitenden Lernen" leisten und
damit zur Qualifikation von Fachkräften für die Wirtschaft, so Hundstorfer. Auch die sozialen Rahmenbedingungen
müssen ein wesentliches Anliegen im Rahmen der Sozialpartnerschaft sein.
"Es laufe zwischen den Sozialpartnern nicht immer alles konfliktfrei ab, man trage es nur nicht nach außen
sondern präsentiert dann die gemeinsamen Lösungen wenn diese auch am Tisch liegen", so die beiden
Präsidenten.
Als nächstes Vorhaben wollen die Sozialpartner Anfang Oktober eine gemeinsame Strategie für lebenslanges
Lernen vorlegen. Und sie wollen auch im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen einige Vorschläge unterbreiten.
WKÖ-Chef Leitl betonte, dass es keine weitere Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge ohne Spitalsreform
geben werde und urgierte auch eine umfassende Verfassungs- und Verwaltungsreform. ÖGB-Chef Hundstorfer geht
bei Spitals- und Verwaltungsreform von niedrigeren Einsparungspotentialen als die Wirtschaft aus. In den kommenden
10 Jahren werde es daher zusätzlich wertschöpfungsorientierte Formen der Besteuerung geben müssen.
Dies sei schon aus demographischen Gründen nötig. Einig sind sich beide Sozialpartnerpräsidenten,
dass in Zukunft die Wohnbauförderungsmittel von den Ländern nicht mehr zweckwidrig etwa für Infrastruktur
verwendet werden sollen. Aus Klimaschutzgründen solle etwa die thermische Sanierung im Wohnbau stark forciert
werden. |