AK-Studie über "Benimmregeln" an der Börse  

erstellt am
30. 08. 07

AK fordert verpflichtende Regeln
Viele Unternehmen ignorieren den Corporate Governance Kodex
Wien (ak) - Wie wichtig ist österreichischen Unternehmen gutes Benehmen an der Börse? Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer zeigt, dass ein Drittel der Unternehmen den Corporate Governance Kodex ignorieren. So veröffentlichen nur 14 Unternehmen individuelle Vorstandsbezüge, den öffentlichen Diskussionen um Managergehälter zum Trotz. "Bei Managementfehlern und Unternehmenskrisen zahlen immer die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drauf! Wir brauchen statt dem zahnlosen, unverbindlichen Kodex klare gesetzliche Regeln zur besseren Unternehmenskontrolle", fordert Heinz Leitsmüller, Studienautor und Leiter der AK Abteilung Betriebswirtschaft.

Der Kodex, der bereits vor fünf Jahren vorgestellt wurde, soll vor allem die Unternehmenskontrolle verbessern. Wie die Studie der Arbeiterkammer zeigt, verpflichten sich erst 60 Prozent der börsenotierten Unternehmen dem Kodex. "Das ist vor allem auf die seit 2004 geltende verpflichtende Erklärung für alle Prime-Market-Teilnehmer zurückzuführen. Im Prime-Market konnten seither auch die meisten Unternehmen gewonnen werden", so Leitsmüller: "In den anderen Segmenten wird der Kodex jedoch ignoriert. Ohne verbindliche Regelungen kann hier keine Weiterentwicklung erreicht werden."

Auch Unternehmen, die sich dem Corporate Governance Kodex verpflichtet haben, halten sich nur teilweise an die Empfehlungen. In den Geschäftsberichten sind immer wieder Abweichungen vom Kodex aufgelistet. Besonders Transparenz nach außen ist noch immer sehr unbeliebt: Die Veröffentlichung von einzelnen Vorstandsgehältern bleibt ein Tabuthema, nur 14 Unternehmen sind dieser Empfehlung nachgekommen. Und obwohl der Kodex die Unternehmen zum nachhaltigen wirtschaften verpflichten soll, veröffentlichen nur knapp ein Dutzend Nachhaltigkeitsberichte.

Für Studienautor Leitsmüller ist der Corporate Governance Kodex ein Schritt in die richtige Richtung: "Freiwilligkeit alleine ist jedoch zu wenig. Kaum jemand hält sich an bloße Empfehlungen. Wir verlangen klare gesetzliche Regelungen. Außerdem ist Good Governance auch in anderen Bereichen wichtig, beispielsweise bei Banken und Versicherungen. Hier müssen ebenfalls verpflichtende Regelungen gelten."

Die AK fordert:

  • Die Weiterentwicklung der Corporate Governance auf gesetzlicher Ebene. Verbindliche Regelungen für Unternehmen müssen geschaffen werden.
  • Eine verpflichtende Entsprechungserklärung über die Einhaltung des Corporate Governance Kodex im UGB bzw Gesellschaftsrecht und die Berichterstattung über die Einhaltung im Geschäftsbericht und auf der Homepage.
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Akzeptanz des Kodex außerhalb des Prime Markets. Entsprechende Maßnahmen muss der Kapitalmarktbeauftragte der Regierung entwickeln.
  • Die Verbesserung der Transparenz nach außen, beispielsweise durch die Veröffentlichung der Einzelgehälter der Vorstände und der Veröffentlichung der Eigentümerstruktur ab 5 Prozent.
  • Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfern.
  • Die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Kodex auf alle Unternehmen im Finanzsektor und Unternehmen mit öffentlicher Bedeutung.
  • Eine verpflichtende jährliche Evaluierung in Verbindung mit der Einhaltung des Kodex.
  • Die Aufnahme von sozialen und ökologischen Aspekten in den Kodex und die Berichterstattung über die gesellschaftliche Verantwortung, etwa im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten.

 

Schenz über den Erfolg des Corporate Governance Kodex
Anmerkungen zur Corporate Governance Studie der Arbeiterkammer
Wien (bmf) - Zur von der der Arbeiterkammer präsentierten Corporate Governance Studie und die in diesem Zusammenhang aufgestellten Forderungen der AK hält der Regierungsbeauftragte für den Kapitalmarkt und Vorsitzende des österreichischen Arbeitskreises für Corporate Governance Richard Schenz folgendes fest:

Mit dem Österreichischen Corporate Governance Kodex in der Fassung Juni 2007 verfügt der österreichische Kapitalmarkt über ein modernes, leistungsfähiges, international herzeigbares Corporate Governance Regelwerk. Der österreichische Kodex wird regelmäßig vor dem Hintergrund der nationalen und internationalen Entwicklungen überprüft und angepasst. Insbesondere wurden die EU - Corporate Governance - Empfehlungen vorbildlich und fristgerecht umgesetzt.

Eine Erklärung zum Österreichischen Corporate Governance Kodex ist seit August 2004 eine so genannte Prime Market Folgepflicht. Wie beispielsweise bei der Londoner Börse ist damit eine Erklärungspflicht zum Kodex in den Listing Rules der Wiener Börse verankert. Alle Unternehmen, die im Prime Market der Wiener Börse notieren, müssen sich daher mit dem Österreichischen Corporate Kodex auseinandersetzen und eine Erklärung über die Einhaltung oder Nicht-Einhaltung des Kodex im jährlichen Geschäftsbericht abgeben.

Kapitalmarktbeauftragter Schenz. "Es ist richtig, dass daher vor allem bei den Prime Market Unternehmen eine ausgezeichnete Einhaltung des Kodex feststellbar ist und in den anderen Marktsegmenten der Wiener Börse noch Verbesserungsbedarf besteht. Ich möchte, aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Prime Market - Unternehmen rund 97% der Marktkapitalisierung der Wiener Börse darstellen. Dort wo die überwiegende Mehrheit der Anleger investiert ist, wird der Kodex sehr gut eingehalten."

Wie schon bei der vergangenen Arbeiterkammer-Studien gewinnt man den Eindruck, dass die AK das im österreichischen Kodex zentrale Comply or Explain - Prinzip ignoriert. Schenz: "Ich möchte daher nochmals betonen, dass ein wesentliches Ziel des Kodex die Transparenz ist. Es verhalten sich auch jene Unternehmen kodexkonform, die zwar nicht alle Regeln einhalten, aber begründet erklären, warum eine Abweichung erfolgt."

Mit dieser Studie als auch mit den bisherigen Corporate Governance Studien wird seitens der AK immer nur neuen gesetzlichen Regelungen das Wort geredet. Tatsache ist, dass wir in Österreich, insbesondere nach dem Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005, mit dem eine Reihe von Kodexregeln in das Gesetz übernommen wurden, bereits ein sehr hohes Niveau an gesetzlich fixierten Corporate Governance Regeln haben. Tatsache ist weiters, dass in ganz Europa auf flexible Selbstregulierung durch Kodizes und Soft Law zur Stärkung der Corporate Governance gesetzt wird. Mit einer von der AK geforderten starren gesetzlichen Überregulierung ist die weitere positive Entwicklung am österreichischen Kapitalmarkt, die so wichtig für mehr Wachstum und Beschäftigung ist, gefährdet.

"Insgesamt hat sich der Österreichische Corporate Governance Kodex in den vergangenen fünf Jahren als wirksames Instrument zur Förderung des Anlegervertrauens bewährt" hält Kapitalmarktbeauftragter Schenz abschließend fest.

 

Fichtinger: Arbeiterkammer versteht Corporate Governance noch immer nicht
AK kennt anscheinend auch die europäischen Trends nicht
Wien (aktienforum) - Die heute vorgestellte Studie der Arbeiterkammer über die Einhaltung des Österreichischen Corporate Governance Kodex beruht auf einem grundsätzlichen Missverständnis der Grundsätze der Corporate Governance. Die Forderungen der Studie gehen von einer Unkenntnis der europäischen Trends aus.

"Die Aussagen der AK über die Einhaltung des Österreichischen Corporate Governance Kodex sind ein Schlag ins Gesicht aller heimischen Unternehmen, die seit Jahren an der Verbesserung ihrer Corporate Governance hart und erfolgreich gearbeitet haben" so Mag. Markus Fichtinger, Geschäftsführer des Aktienforums, in einer ersten Reaktion auf die Studie der AK "Die praktische Anwendung des Kodex an der Wiener Börse 2007". Die Forderung nach einer stärkeren gesetzlichen Verbindlichkeit des Kodex ignoriert den Grundgedanken der Freiwilligkeit und die europäischen Trends in diesem Bereich. Das "Comply or Explain"-Prinzip ist die Grundlage des europäischen und damit auch des österreichischen kodexbasierten Ansatzes einer modernen Unternehmensführung und -kontrolle. Es ermöglicht eine flexiblere und effizientere Regulierung als gesetzliche Bestimmungen. Dies wurde mehrmals durch die Europäische Kommission und das Europäische Corporate Governance Forum bestätigt. Ein österreichischer Sonderweg mit noch stärkeren gesetzlichen Regulierungen ist daher weder notwendig noch zweckmäßig.

Ebenso sind die meisten Forderungen der AK bereits erfüllt oder in Umsetzung: Eine gesetzlich verpflichtende Entsprechungserklärung wird durch die Umsetzung einer EU-Richtlinie ebenso vorbereitet, wie die weitere Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer (8. EU-Richtlinie). Die Veröffentlichung der Aktionärsstruktur ist seit einigen Jahren geregelt. Auch der Kodex gilt grundsätzlich für alle AGs. Diese können sich daher jederzeit daran orientieren.

"Die AK sei darin erinnert, dass die schlechteste Corporate Governance in nicht-börsenotierten Unternehmen zu suchen und zu finden ist. Die Beispiele BAWAG oder Konsum belegen dies leider eindrucksvoll. Die heimischen börsenotierten Unternehmen wissen durch ihren täglichen Kontakt mit Investoren und Anlegern, wie wichtig gute Corporate Governance ist. Die hervorragende Kursentwicklung an der Wiener Börse in den letzten Jahren ist der Beweis dafür, dass die Investoren dieses Bekenntnis auch ohne gesetzlichen Zwang anerkennen und honorieren", so Fichtinger abschließend.
 
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