Vizekanzler Molterer im ORF-Sommergespräch  

erstellt am
29. 08. 07

 Molterer: Als verantwortlicher Teamchef sage ich: Das Regierungsprogramm ist die Basis dieser Koalition
Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann nimmt im ORF- Sommergespräch Stellung
Sierning (övp-pd) - "Als verantwortlicher Teamchef sage ich: Das Regierungsprogramm ist die Basis dieser Koalition. Die Arbeit der Regierung wird am Regierungsprogramm gemessen", bekräftigt ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer im ORF- Sommergespräch am 28.08. In Bezug auf die ÖVP hält Molterer fest: "Wir schaffen jetzt eine solide Basis, denn wir wollen wieder Nummer eins werden." Bei der ÖVP- Perspektivengruppe geht es für den ÖVP-Bundesparteiobmann "um den Mut zur Öffnung und um den Mut zur Diskussion. Es braucht aber auch den Mut zur Entscheidung." Weitere Themen im Gespräch mit Elmar Oberhauser (ORF) sowie Herbert Lackner (profil) waren u.a. die Steuerreform 2010, die Mitarbeiterbeteiligung, Gewalt an Schulen sowie Integration.

"Wir haben ein hervorragendes Regierungsprogramm, das klar die Handschrift der ÖVP trägt", betont der Vizekanzler. Es hat lange gedauert, bis beide Parteien - also ÖVP und SPÖ - es geschafft haben, Regierungsverantwortung zu übernehmen, räumt Molterer ein. Problematisch ist für ihn weiterhin, dass "Teile der SPÖ täglich das Regierungsübereinkommen in Frage stellen", so Molterer, der in diesem Punkt "Koordinationsnotwendigkeit bei Alfred Gusenbauer" sieht. Denn weder das Aufweichen der Pensionsreform noch die Einführung der Vermögenssteuer stehen im Regierungsprogramm. "Bei linken Träumereien muss ich die Stopptaste drücken", so der Vizekanzler. "Als verantwortlicher Teamchef in der Regierung sage ich: Das Regierungsprogramm ist die Basis dieser Koalition und darin sind hervorragende Ideen verankert", nennt Molterer stellvertretend die 130.000 neuen Lehrverträge, die Bildungsgarantie für Jugendliche sowie die Verlängerung des "Blum- Bonus". Jetzt geht es bei der Staats- und Verwaltungsreform "ans Eingemachte". Beim Thema Klimaschutz hält Molterer fest: "Dieses wichtige Thema lässt sich nicht ‚outsourcen'. Umweltminister Pröll hat diese Aufgabe - da ist keine Delegation möglich, da muss man selbst Verantwortung übernehmen."

Die Steuerreform kommt wie geplant und im Regierungsübereinkommen festgeschrieben mit 1. Jänner 2010, denn Finanzminister Molterer hält fest: "Das Budget muss den Spielraum haben, so dass wir uns die Steuerreform auch leisten können." Österreich hat immer noch ein Budgetdefizit und zahlt jährlich rund sieben Milliarden Euro an Zinsen, so Molterer zur Ausgangslage. "Wirtschaftspolitische Vernunft ist mein Maßstab", sagt der Finanzminister. Auch namhafte Ökonomen verweisen darauf, dass eine Steuerreform in einer Hochkonjunktur nicht klug ist. Bei der geplanten Steuerreform stehen für Molterer der Mittelstand sowie die Mehrkindfamilien im Vordergrund. Gerade letztere sind "besonders von sozialen Fragen betroffen". Über die Höhe der geplanten Entlastung kann er, Molterer, erst etwas sagen, "wenn ich die Wirtschaftsentwicklung und Verwaltungsreformergebnisse kenne". Für Molterer ist im Rahmen der Steuerreform auch wichtig, mehr Unternehmen anzusiedeln, die in Österreich investieren wollen.

"Mehr Menschen müssen am Erfolg des Betriebes beteiligt sein", ging Molterer im ORF-Sommergespräch auch auf sein Modell der Mitarbeiterbeteiligung ein. Sein Ziel: "Ich will, dass der Anteil der Mitarbeiterbeteiligung bis 2010 von sechs auf zwölf Prozent verdoppelt wird." Molterer freut sich auch, dass seine Initiative in Europa "auf fruchtbaren Boden gestoßen ist".

Beim Thema Bildung bekräftigt Molterer: "Eine flächendeckende zwangsweise Gesamtschule wird es mit der ÖVP nicht geben." Molterer legt aber folgenden Vorschlag auf den Tisch: Es sollen nicht mehr als 30 Prozent fremdsprachige Kinder in einer österreichischen Schulklasse sitzen. Eine der größten Herausforderungen sieht Molterer in der zunehmenden Gewalt an Schulen. "Es braucht wieder mehr Respekt vor den Lehrern und für die Lehrer", fordert Molterer. Zur laufenden Diskussion rund um Betreuungsplätze für unter 3- jährige Kinder sagt Molterer: "Wir wollen das, weil es wichtig und richtig ist. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert entsprechende Kinderbetreuungsangebote." Molterer verweist auch auf die Zustimmung von Bundeskanzler Gusenbauer zur verpflichtenden Sprachförderung für all jene, die es brauchen.

Zur aktuellen Integrationsdebatte meint Molterer: "Österreich war kein islamisches Land, ist kein islamisches Land und wird kein islamisches Land sein." Die nun diskutierte Bauordnung rund um den Bau von Moscheen ist aus seiner Sicht "nicht die Antwort auf Integrationsfragen. Es geht um Gleichberechtigung von Frau und Mann, um demokratische Freiheitsrechte, um Werteordnungen und darum, dass es keine Zwangsehen und natürlich keine Gewalt geben darf." Denn: "Bei manchen Entwicklungen dürfen wir nicht wegschauen - es muss klare Grenzen geben", fordert Molterer.

Die ÖVP-Perspektivengruppe, die nach der Nationalratswahl 2006 eingesetzt wurde, leistet aus Sicht von Molterer "essenzielle Arbeit für die Zukunft Österreichs und der ÖVP". Und: "Sie ist nicht dazu da, dass alles so bleibt wie es ist." Die Perspektivengruppe ist der größte Diskussionsprozess - es gibt mehr als 10.000 direkte Teilnehmer/innen sowie eine Million Menschen, die sich via Homepage an der Diskussion beteiligen. Beispielsweise wurde Wählen mit 16 auch im Rahmen des Perspektivenprozesses vorgeschlagen wurde. Molterer räumt ein, dass die Diskussion "nicht immer einfach" ist. Aber: Umweltminister Josef Pröll, der die Perspektivengruppe leitet, "macht das ganz exzellent. Das ist der Politiker, den ich mir wünsche in dieser Diskussion."

Im Herbst wird Pröll das Perspektivenpapier präsentieren - "das werden wir offen zur Diskussion stellen", kündigt Molterer an. "Es geht um den Mut zur Öffnung, es geht um den Mut zur Diskussion. Es braucht aber auch den Mut zur Entscheidung. Jetzt ist die Zeit der Diskussion - dann kommt die Zeit der Entscheidung. Da liegt die Verantwortung bei mir." Es geht für Molterer auch darum, sich den essenziellen Fragestellungen der Zukunft zu widmen - "diese Arbeit tu' ich mir an. Denn die ÖVP muss breiter sein." Zum jüngsten Vorschlag, die Neutralität zu überdenken, stellt Molterer aber unmissverständlich klar: "Die Neutralität steht für mich nicht zur Disposition."

Gefragt nach einem möglichen EU-Beitritt der Türkei hielt Molterer fest: "Wir sind mitten in einer spannenden Diskussion, die Verhandlungen mit der Türkei laufen." Es gilt zu beachten, ob die Türkei dem Wertemaßstab der EU gerecht wird und ob die Türkei die entsprechenden Wertekriterien und die europäische Perspektive erfüllt. Entscheidend wird auch sein, wie der heute gewählte Präsident Abdullah Gül mit dem Spannungsfeld Islamisierung vs. Säkularisierung umgeht.

Angesprochen auf die Scheidung von Familienministerin Andrea Kdolsky betont Molterer: "Das ist eine schwere Situation für sie, das muss man respektieren. Mir tut es leid für sie, denn es ist eine sehr leidvolle Erfahrung." Für ihn persönlich kommt seine Familie in der Politik nicht vor - "das bin ich meiner Frau und meinen beiden Söhnen schuldig und das haben wir so vereinbart".

Zur Funktion von ÖVP-Klubobmann Dr. Wolfgang Schüssel merkt Molterer an: "Ich bin froh, dass Wolfgang Schüssel mit an Bord ist." Schließlich habe er ihn darum gebeten. "Es gab Zeiten in der ÖVP, wo Wechsel anders verlaufen sind. Ich will starke Leute - denn nur dadurch kann die ÖVP stark sein."

 

 Kalina: Molterer zeigt zu wenig Bereitschaft für neuen, gerechteren Kurs für Österreich
Die ÖVP ist nicht in der Lage, eine einheitliche Linie zu finden
Wien (sk) -
"Vizekanzler Molterer kann sich aus der Umklammerung Wolfgang Schüssels nicht lösen und zeigt noch immer zu wenig Bereitschaft einen neuen, gerechteren Kurs für Österreich einzuschlagen", reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina am Abend des 28.08. auf die Aussagen ÖVP-Obmann Molterer im ORF-"Sommergespräch". Für die internen Querelen und das Chaos in der ÖVP rund um die Perspektivengruppe sind ÖVP-Molterer und Landwirtschaftsminister Josef Pröll allein verantwortlich, stellte Kalina klar.

"Die SPÖ ist Garant für die Neutralität Österreichs, mehr Bildungschancen für alle und eine gerechte Verteilung des Wohlstandes für alle ÖsterreicherInnen. Hier wird die SPÖ nicht locker lassen und wenn nötig, Schritt für Schritt der ÖVP die Zustimmung dazu abringen", so Kalina.

Egal ob es die Neutralität, Sicherheitspolitik, Bildung oder Wirtschaftspolitik ist, die ÖVP ist nicht in der Lage, eine einheitliche Linie zu finden. Molterer sollte endlich Führungsstärke zeigen und diesem heillosem Durcheinander an unausgegorenen Vorschlägen aus der Perspektivengruppe nicht länger tatenlos zusehen. Bemerkenswert sei auch, dass Molterer keine klaren Worte zu seiner Kandidatur als ÖVP-Spitzenkandidat bei der Wahl 2010 finden könne, so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer abschließend.

 

 Petrovic: Molterer ist in Schüssel-Ära stecken geblieben
Grüne: ÖVP-Nein zu moderner Klima-, Bildungs- oder Integrationspolitik. Molterer will Schüssel-Kurs fortsetzen
Wien (grüne) - "ÖVP-Obmann Molterer erweckt den Eindruck, als sei er in der Ära der Kanzlerschaft von Wolfgang Schüssel stecken geblieben und noch nicht im hier und heute angelangt", bilanziert die stv. Bundessprecherin der Grünen, Madeleine Petrovic, das ORF-Sommergespräch mit Wilhelm Molterer. Das einzige, was vom Sommergespräch hängen bleibe, sei Molterers "Da sage ich nein..."-Gerede. "Die ÖVP scheint genauso außer Tritt wie ihr Obmann. Einer modernen Politik im Bildungs-, Klimaschutz- oder Integrationsbereich wird von Molterer einmal mehr eine klare Absage erteilt. Molterer will offenkundig jenen Kurs Schüssels fortsetzen, für den die ÖVP bei der letzten Nationalratswahl abgewählt worden ist", so Petrovic.

 

 Kickl: Inhaltsleere ÖVP ist würdiger Koalitionspartner für SPÖ
Zukunftsperspektiven habe Molterer keine bieten können
Wien (fpd) - Nichts Neues hat für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl das ORF-Sommergespräch mit ÖVP-Obmann Molterer gebracht. Die Aussagen von Schüssels Platzhalter zur Neutralität seien unglaubwürdig gewesen, er habe nicht darüber hinwegtäuschen können, dass in den Reihen der ÖVP eifrig an diesem wesentlichen Bestandteil der österreichischen Identität gesägt werde. Zukunftsperspektiven habe Molterer keine bieten können. In ihrer Inhaltsleere sei die ÖVP ein wahrhaft würdiger Koalitionspartner der SPÖ. Unterschiede gebe es zwischen diesen beiden Parteien praktisch keine mehr.

 

 Grosz: Molterer entgleitet das Ruder
Inhaltlich fordert das BZÖ eine sofortige Steuerentlastung
Wien (bzö) - "ÖVP Obmann Wilhelm Molterer hat sich in seinem heutigen Sommergespräch als leidender Direktor eines Flohzirkus präsentiert. Gerade das beinahe tägliche blamable Schauspiel rund um die obskuren Vorschläge der sogenannten ÖVP-Perspektivengruppen, wie die Abschaffung der Neutralität und des Nationalfeiertages, zeigen, dass Molterer immer mehr die Diskussion entgleitet, wie ihm auch die Führung der ÖVP entgleitet", so BZÖ Generalsekretär Gerald Grosz in einer Reaktion auf das Sommergespräch von Wilhelm Molterer.

"Es wird immer deutlicher, dass ÖVP Obmann Molterer zunehmend das Ruder innerhalb der ÖVP aus der Hand läuft. Gerade die überaus zurückhaltende Aussage zu einer Spitzenkandidatur zeigt klar, dass sich die ÖVP in ihren Grundzügen wieder dort beginnt wo sie 1999 aufgehört hat, nämlich als inhomogene Bündepartei", betont Grosz.

Inhaltlich fordert das BZÖ den ÖVP Obmann und Finanzminister auf, sich für eine sofortige Steuerentlastung der Österreicherinnen und Österreicher einzusetzen und BZÖ Forderungen wie die Mitarbeiterbeteiligung nicht nur zu kopieren, sondern auch zu verwirklichen. Enttäuscht zeigt sich Grosz davon, dass Molterer als Obmann einer sich selbst als christlich-sozial definierenden Partei, sich nicht für das seitens des BZÖ vorangetriebene Bauverbot für Moscheen und Minarette eingesetzt habe und einen EU-Beitritt der Türkei nicht kategorisch ausgeschlossen hat. "Insgesamt keine neue Ideen, nur altbekannte Positionen gepaart mit zahlreichen Rückzugsgefechten. Die ÖVP ist mittlerweile eine verstaubte Partei, die die Interessen und Anliegen der bürgerlichen Wähler am Altar der großen Koalition geopfert hat", fasst Grosz abschließend zusammen.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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