Tagung zu europäischer Staatenbildung in Wien
Wien (öaw) - Im Frühmittelalter hat sich die ethnische und politische Landkarte Europas
entwickelt. Fast alle Völker und Staaten, die unser heutiges Europa prägen, entstanden zwischen 400 und
1000 n. Chr. Erstmals beleuchtet eine internationale Historiker-Tagung in Wien "Staat und Staatlichkeit im
europäischen Frühmittelalter". Das viertägige Symposion beginnt kommenden Dienstag. Erwartet
werden 50 Wissenschaftler aus Europa und den USA.Organisiert wird die Tagung vom Institut für Mittelalterforschung
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
"Heute ist viel von ‚failed states', gescheiterten Staaten, die Rede. Aber was macht überhaupt einen
Staat aus, und wo liegen unter unterschiedlichen historischen Bedingungen seine Grenzen? Um das zu verstehen, ist
es wichtig, sich die Ursprünge der europäischen Staaten im Frühmittelalter genau anzusehen. Wie
wird ein stabiler überregionaler Zusammenhang hergestellt?Dabei können wir zugleich feststellen, wie
anders in verschiedenen Ländern über Staaten und Nationen nachgedacht wird. Wir sind sozusagen Staatsgeheimnissen
auf der Spur", erklärt Univ.-Prof. Dr. Walter Pohl, Wittgensteinpreisträger 2004 und Direktor des
Instituts für Mittelalterforschung der ÖAW im Vorfeld der Tagung. Im Zentrum des Interesses steht die
Frage: "Was ist es, das Gesellschaften und Staaten zusammenhält?"
Europa setzte sich seit dem Mittelalter aus einer Vielzahl stabil bestehender Staaten zusammen, die großteils
ethnisch bestimmt sind. In den meisten anderen Kulturräumen der Weltgeschichte, zum Beispiel in der römischen
Antike, der islamischen Welt oder in Indien, entstand kein ähnlich stabiles System von Staaten und Völkern.
Ist Europa tatsächlich anders, und wie kam es dazu? Der Schlüssel liegt in der Epoche nach dem Ende Roms,
als die Reiche der Franken, Angeln, Dänen, Ungarn und viele andere entstanden:Staaten, die nach Völkern
benannt sind. Von hier aus führte ein langer Weg zu den modernen europäischen Nationen, der noch viel
zu wenig erforscht ist.
Das Symposion "Staat und Staatlichkeit im europäischen Frühmittelalter, 500-1050 - Grundlagen, Grenzen,
Entwicklungen" wird vom Institut für Mittelalterforschung der ÖAW in Zusammenarbeit mit einer internationalen
Projektgruppe veranstaltet. Die Tagung ist Teil des Wittgensteinprojektes "Ethnische Identitäten im frühmittelalterlichen
Europa" unter Leitung von Walter Pohl. Dieses bis 2009 laufende Großforschungsvorhaben wurde 2005 mit
den Mitteln des Wittgensteinpreises des Wissenschaftsfonds FWF eingerichtet.Diesen höchstdotierten Wissenschaftspreis
Österreichs erhielt Walter Pohl 2004. Mit dem Preisgeld von 1,5 Millionen EUR werden bis 2009 umfangreiche
Forschungen zum bislang international in der Wissenschaft noch wenig berücksichtigten Frühmittelalter
geleistet. Derzeit leitet Walter Pohl ein zwölfköpfiges Team, wobei das Wittgenstein-Projekt in der Bundeshauptstadt
das Herzstück eines neuen, internationalen Netzwerkes für Frühmittelalterforschung ist, das Wien
mit Cambridge, Paris, Utrecht, Los Angeles und anderen Forschungszentren verbindet.
Terminaviso:
„Staat und Staatlichkeit im europäischen Frühmittelalter, 500-1050 –
Grundlagen, Grenzen, Entwicklungen”, Dienstag, 18. September 2007, 09.00 Uhr
(bis 21. September 19.15 Uhr)
Ort: Aula Unicampus • Altes AKH • Hof 1 • Spitalgasse 2-4 oder Alserstraße 4 |