IHS-Studie: Österreichs Bildungssystem zu bürokratisch  

erstellt am
18. 09. 07

 Schmied sieht dringenden Reformbedarf bei Strukturen
"Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir international den Anschluss!"
Wien (sk) - "Die Ausgaben sind zu hoch, die Ergebnisse mittelmäßig", so fasst IHS-Chef Bernhard Felderer die Ergebnisse einer IHS-Studie zur ökonomischen Effizienz des österreichischen Bildungswesens zusammen, die am 17.09. gemeinsam mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied präsentiert wurde. Das Grundproblem sei, dass das heimische Bildungssystem auch im internationalen Vergleich "extensiv bürokratisch" sei, vor allem die Kompetenzzersplitterungen zwischen Bund und Ländern seien wenig effizient, konstatiert die Studie. Für Ministerin Schmied belegt auch diese Studie den dringenden Reformbedarf. "Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir international den Anschluss." Schmied will in den Finanzausgleichsverhandlungen und bei der Verfassungs- und Verwaltungsreform auf klare Kompetenzen drängen, etwa dass das Personalmanagement beim Bund angesiedelt wird.

Die Studie "ökonomische Bewertung der Struktur und Effizienz des österreichischen Bildungswesens und seiner Verwaltung" wurde im April vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegeben; ihr Ziel, so Schmied, sei, eine "faktenbezogene Bildungspolitik". Die Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hat heimische und internationale Vergleichsdaten herangezogen und bewertet. Zentrales Ergebnis sei, dass die Effizienz des heimischen Schulsystems im Vergleich zu den Ausgaben nicht besonders hoch sei. Dies zeige sich auch daran, dass neun Prozent der SchülerInnen eines Jahrganges keinen Abschluss außer der Pflichtschule haben - "das kann sich ein reiches Land wie Österreich nicht leisten".

Ausgabensteigerungen im Bildungsbereich ohne Reformen in Richtung mehr Effizienz seien deshalb nicht empfehlenswert, so Felderer. Hauptprobleme seien u.a. der hohe Anteil an Kosten für das Personalmanagement - hier gebe es Einsparungspotential von zehn bis 12 Prozent -, und kostenwirksame aber nicht kontrollierte Faktoren wie Klassenwiederholungen oder das Zulagensystem. Ein leistungsorientierteres System wäre hier besser, so Felderer.

Internationale Vergleichsstudien zeigen, dass die Schulergebnisse besser sind in Schulen mit Autonomie, Lehrende Anreize haben, angemessene Lehrmethoden selbst auszuwählen, wenn die Eltern in die Schule eingebunden sind, wenn der Lernfortschritt durch regelmäßige Prüfungen kontrolliert wird, die Schulen extern geprüft werden. Vor allem die Kombination von externer Prüfung und Schulautonomie sei von Vorteil.


IHS: Mehr Autonomie für Schulen; Personalverwaltung beim Bund
Die Grundprobleme des heimischen Schulwesens seien die extrem bürokratische Schulverwaltung und Mehrfachzuständigkeiten von Bund und Ländern. "Der geeignete Ort, um über die Reform des österreichischen Schulwesens zu sprechen, ist der Finanzausgleich", konstatiert Felderer. Das IHS schlägt konkret vor, dass die Schulen mehr Autonomie bekommen - etwa bei der LehrerInnenauswahl - und dass es zu einer "formalbasierten" Finanzierung kommt. Das heißt, die Schulen bekämen ihr Budget nach der SchülerInnenanzahl. "Dann entwickelt sich ein Wettbewerb zwischen den Schulen." Die Bezahlung der LehrerInnen solle Bundessache sein, die Gebäude von verschiedenen Trägern - Bund, Land oder private Träger - erhalten werden. Auch der Rechnungshof hat unlängst empfohlen, die Kompetenzen für die LehrerInnen beim Bund zu konzentrieren. Inhalte und Ziele des Bildungssystems sollten zentral gesteuert werden, auch die Überprüfung der Ergebnisse sollte von extern erfolgen. Landes- und Bezirksschulräte hält Felderer für verzichtbar.

"Bildungsökonomisch zu hinterfragen" sei die frühe Trennung in Hauptschule und AHS, sagt die Studie. Wenn neun Prozent eines Jahrgangs über keinen Abschluss verfügen, dann "funktioniert das derzeitige System nicht", so Felderer.

Für Bildungsministerin Schmied ergibt sich auch aus dieser Studie ein klarer Handlungsauftrag: "Wir sind an einem ganz entscheidenden Punkt in der Bildungspolitik angelangt. Es geht um die Chancen für eine ganze Generation. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann verlieren wir den Anschluss an internationale Entwicklungen", so Schmied. Für Schmied bestätigt die Studie auch das Regierungsprogramm, das das Ziel formuliert, Doppelgleisigkeiten zu beseitigen. Dies werde sie auch in die Verfassungs- und Verwaltungsreform einbringen.

"Die Zersplitterung der Kompetenzen ist ineffizient." Es müsse klar sein, wer Verantwortung trägt. "Im Wir verwischt sich Vieles und auch Ressourcen verpuffen", so Schmied. So sollte das Personalmanagement beim Bund angesiedelt sein, das Gebäudemanagement bei den Ländern und Gemeinden. Bei den LehrerInnen müsse es neben Fragen der Entlohnung und der Gehaltskurve vor allem um Rahmenbedingungen wie die Arbeitsplätze und die Motivation gehen - vor allem durch Karrierechancen für die Lehrenden. Schmied wiederholte ihre Forderung nach einer gemeinsamen Ausbildung aller Lehrenden in einem Stufensystem, so dass sich die LehrerInnen durch zusätzliche Qualifikation weiterentwickeln können. Hier will Schmied den Dialog mit der Lehrergewerkschaft suchen, wie sie betonte.

 

 Brosz: Zusätzliche Investitionen in Bildung notwendig
Grüne: Einsparungen bei Verwaltung können Schulsystem nicht retten
Wien (grüne) - Als "kurzsichtig" bezeichnet Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen, die Forderung von Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien, die Bildungsausgaben nicht weiter zu steigern. "Es gibt bestimmt Einsparungsmöglichkeiten bei der Verwaltung," bestätigt Brosz, "doch reichen diese bei weitem nicht aus, um den grundsätzlichen Problemen des österreichischen Schulsystems zu begegnen". Der internationale Trend gehe in Richtung Mehrinvestition. Während international die staatlichen Bildungsausgaben steigen, sinken diese in Österreich immer weiter. Würde Österreich den gleichen Anteil am BIP für Bildung aufwenden wie 1995, gebe es für Schulen und Universitäten mehr als eine Milliarde Euro mehr pro Jahr. Gleichzeitig sind die privaten Bildungsausgaben in Österreich etwa in Form von Studiengebühren und Nachhilfe, aber auch für Unterrichtsmaterial und ähnliches um 50 Prozent gestiegen. "Dadurch kommt es zu einer Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeiten", stellt Brosz fest.

"Um eine Verbesserung der Bildungssituation in Österreich zu erreichen bedarf es deutlicher Mehrinvestition in den Bereichen Kindergarten und Vorschule, individuelle Förderung und Senkung der Klassenschülerzahlen an mittleren und höheren Schulen" fordert Brosz. Nur so könne die Zahl derer, die am Ende der Schulpflicht keine ausreichende Lesekompetenz haben und die Zahl der SchulabbrecherInnen gesenkt werden und gleichzeitig mehr Jugendliche für den Abschluss einer höheren Bildung befähigt und motiviert werden, so Brosz abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
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