Schmied
sieht dringenden Reformbedarf bei Strukturen
"Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir international den Anschluss!"
Wien (sk) - "Die Ausgaben sind zu hoch, die Ergebnisse mittelmäßig", so fasst
IHS-Chef Bernhard Felderer die Ergebnisse einer IHS-Studie zur ökonomischen Effizienz des österreichischen
Bildungswesens zusammen, die am 17.09. gemeinsam mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied präsentiert wurde.
Das Grundproblem sei, dass das heimische Bildungssystem auch im internationalen Vergleich "extensiv bürokratisch"
sei, vor allem die Kompetenzzersplitterungen zwischen Bund und Ländern seien wenig effizient, konstatiert
die Studie. Für Ministerin Schmied belegt auch diese Studie den dringenden Reformbedarf. "Wenn wir jetzt
nicht handeln, verlieren wir international den Anschluss." Schmied will in den Finanzausgleichsverhandlungen
und bei der Verfassungs- und Verwaltungsreform auf klare Kompetenzen drängen, etwa dass das Personalmanagement
beim Bund angesiedelt wird.
Die Studie "ökonomische Bewertung der Struktur und Effizienz des österreichischen Bildungswesens
und seiner Verwaltung" wurde im April vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegeben; ihr Ziel, so Schmied,
sei, eine "faktenbezogene Bildungspolitik". Die Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS)
hat heimische und internationale Vergleichsdaten herangezogen und bewertet. Zentrales Ergebnis sei, dass die Effizienz
des heimischen Schulsystems im Vergleich zu den Ausgaben nicht besonders hoch sei. Dies zeige sich auch daran,
dass neun Prozent der SchülerInnen eines Jahrganges keinen Abschluss außer der Pflichtschule haben -
"das kann sich ein reiches Land wie Österreich nicht leisten".
Ausgabensteigerungen im Bildungsbereich ohne Reformen in Richtung mehr Effizienz seien deshalb nicht empfehlenswert,
so Felderer. Hauptprobleme seien u.a. der hohe Anteil an Kosten für das Personalmanagement - hier gebe es
Einsparungspotential von zehn bis 12 Prozent -, und kostenwirksame aber nicht kontrollierte Faktoren wie Klassenwiederholungen
oder das Zulagensystem. Ein leistungsorientierteres System wäre hier besser, so Felderer.
Internationale Vergleichsstudien zeigen, dass die Schulergebnisse besser sind in Schulen mit Autonomie, Lehrende
Anreize haben, angemessene Lehrmethoden selbst auszuwählen, wenn die Eltern in die Schule eingebunden sind,
wenn der Lernfortschritt durch regelmäßige Prüfungen kontrolliert wird, die Schulen extern geprüft
werden. Vor allem die Kombination von externer Prüfung und Schulautonomie sei von Vorteil.
IHS: Mehr Autonomie für Schulen; Personalverwaltung beim Bund
Die Grundprobleme des heimischen Schulwesens seien die extrem bürokratische Schulverwaltung und Mehrfachzuständigkeiten
von Bund und Ländern. "Der geeignete Ort, um über die Reform des österreichischen Schulwesens
zu sprechen, ist der Finanzausgleich", konstatiert Felderer. Das IHS schlägt konkret vor, dass die Schulen
mehr Autonomie bekommen - etwa bei der LehrerInnenauswahl - und dass es zu einer "formalbasierten" Finanzierung
kommt. Das heißt, die Schulen bekämen ihr Budget nach der SchülerInnenanzahl. "Dann entwickelt
sich ein Wettbewerb zwischen den Schulen." Die Bezahlung der LehrerInnen solle Bundessache sein, die Gebäude
von verschiedenen Trägern - Bund, Land oder private Träger - erhalten werden. Auch der Rechnungshof hat
unlängst empfohlen, die Kompetenzen für die LehrerInnen beim Bund zu konzentrieren. Inhalte und Ziele
des Bildungssystems sollten zentral gesteuert werden, auch die Überprüfung der Ergebnisse sollte von
extern erfolgen. Landes- und Bezirksschulräte hält Felderer für verzichtbar.
"Bildungsökonomisch zu hinterfragen" sei die frühe Trennung in Hauptschule und AHS, sagt die
Studie. Wenn neun Prozent eines Jahrgangs über keinen Abschluss verfügen, dann "funktioniert das
derzeitige System nicht", so Felderer.
Für Bildungsministerin Schmied ergibt sich auch aus dieser Studie ein klarer Handlungsauftrag: "Wir sind
an einem ganz entscheidenden Punkt in der Bildungspolitik angelangt. Es geht um die Chancen für eine ganze
Generation. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann verlieren wir den Anschluss an internationale Entwicklungen",
so Schmied. Für Schmied bestätigt die Studie auch das Regierungsprogramm, das das Ziel formuliert, Doppelgleisigkeiten
zu beseitigen. Dies werde sie auch in die Verfassungs- und Verwaltungsreform einbringen.
"Die Zersplitterung der Kompetenzen ist ineffizient." Es müsse klar sein, wer Verantwortung trägt.
"Im Wir verwischt sich Vieles und auch Ressourcen verpuffen", so Schmied. So sollte das Personalmanagement
beim Bund angesiedelt sein, das Gebäudemanagement bei den Ländern und Gemeinden. Bei den LehrerInnen
müsse es neben Fragen der Entlohnung und der Gehaltskurve vor allem um Rahmenbedingungen wie die Arbeitsplätze
und die Motivation gehen - vor allem durch Karrierechancen für die Lehrenden. Schmied wiederholte ihre Forderung
nach einer gemeinsamen Ausbildung aller Lehrenden in einem Stufensystem, so dass sich die LehrerInnen durch zusätzliche
Qualifikation weiterentwickeln können. Hier will Schmied den Dialog mit der Lehrergewerkschaft suchen, wie
sie betonte. |
Brosz: Zusätzliche Investitionen in Bildung notwendig
Grüne: Einsparungen bei Verwaltung können Schulsystem nicht retten
Wien (grüne) - Als "kurzsichtig" bezeichnet Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen,
die Forderung von Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien, die Bildungsausgaben nicht
weiter zu steigern. "Es gibt bestimmt Einsparungsmöglichkeiten bei der Verwaltung," bestätigt
Brosz, "doch reichen diese bei weitem nicht aus, um den grundsätzlichen Problemen des österreichischen
Schulsystems zu begegnen". Der internationale Trend gehe in Richtung Mehrinvestition. Während international
die staatlichen Bildungsausgaben steigen, sinken diese in Österreich immer weiter. Würde Österreich
den gleichen Anteil am BIP für Bildung aufwenden wie 1995, gebe es für Schulen und Universitäten
mehr als eine Milliarde Euro mehr pro Jahr. Gleichzeitig sind die privaten Bildungsausgaben in Österreich
etwa in Form von Studiengebühren und Nachhilfe, aber auch für Unterrichtsmaterial und ähnliches
um 50 Prozent gestiegen. "Dadurch kommt es zu einer Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeiten",
stellt Brosz fest.
"Um eine Verbesserung der Bildungssituation in Österreich zu erreichen bedarf es deutlicher Mehrinvestition
in den Bereichen Kindergarten und Vorschule, individuelle Förderung und Senkung der Klassenschülerzahlen
an mittleren und höheren Schulen" fordert Brosz. Nur so könne die Zahl derer, die am Ende der Schulpflicht
keine ausreichende Lesekompetenz haben und die Zahl der SchulabbrecherInnen gesenkt werden und gleichzeitig mehr
Jugendliche für den Abschluss einer höheren Bildung befähigt und motiviert werden, so Brosz abschließend. |