Wiener Kammeroper startet in ihre neue Saison  

erstellt am
18. 09. 07

Österreichische Erstaufführung der Kammerorchester-Fassung Leos Janácek: Das schlaue Füchslein – Premiere: 2. Oktober 2007
Wien (kammeroper) - Am 2. Oktober ist es soweit: die Wiener Kammeroper startet in ihre neue Saison. Ihrem Ruf als „Biotop für Rares“ (Salzburger Nachrichten) wird sie auch diese Saison wieder gerecht, stehen doch erneut vier österreichische Erstaufführungen in den Sparten „Barockoper“, „Kammer-Musical“, „zeitgenössisches Musiktheater“ und dem neuen Themenschwerpunkt „Unerhört Neu Gehört“ auf dem Programm.

„Unerhört Neu Gehört“ soll in Zukunft große Meisterwerke in Erinnerung rufen, die zu Unrecht noch keinen Platz im Standardrepertoire der sogenannten „grossen Häuser“ gefunden haben, oder die noch nie in einer Kammerbesetzung aufgeführt wurden, wie etwa Leoš Janáceks „Das schlaue Füchslein“, das wir Ihnen als Österreichische Erstaufführung in der Fassung für Kammerorchester von Jonathan Dove als erste Produktion dieser Spielzeit präsentieren. Das Erfolgsteam (unserer „Agrippina“-Produktion in der vergangenen Spielzeit) Peter Pawlik und Cordelia Matthes zeichnen für Inszenierung und Ausstattung verantwortlich, die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Daniel Hoyem-Cavazza.

«Tiere sind schon darum merkwürdiger als wir, weil sie ebenso viel erleben, es aber nicht sagen können. Ein sprechendes Tier wäre nicht mehr als ein Mensch»
(Elias Canetti)


Premiere: 2. Oktober 2007

Weitere Vorstellungen: 4., 6., 9., 11., 13., 16., 18., 20., 23., 25., 27. Oktober 2007
Beginn: 19.30 Uhr
(Vorstellungen in deutscher Sprache)

Tiere, die sich wie Menschen benehmen - das tönt gefährlich nach Verniedlichung oder Stilisierung à la Disneyland. Nicht bei Regisseur Peter Pawlik. Er führt Mensch und Tier als Parabel vom ewigen Kreislauf der Natur (Werden & Vergehen) vor sowie als Parabel von Freiheit und Gefangenschaft: Freiheit, wie sie in erfülltem Eros - bei allen Gefahren - dem Naturgesetz innewohnt, Gefangenschaft, welche aus gesellschaftlicher Konvention und bürgerlicher Moral resultiert. So verschmilzt die Füchsin und ihr Alter Ego Terynka für den Förster, den Schulmeister und den Pfarrer mit den unterdrückten Wunschbildern ihres sexuellen Verlangens.
Beim schlauen Füchslein handelt es sich in erster Linie um eine Geschichte, die uns durch einen Mikrokosmos der Existenz führt. Es ist eine Parabel über den immerwährenden Zyklus vom Leben: Liebe, Tod und Wiedergeburt, gespickt mit viel Humor aber auch Tragik und kritischer Natur- bzw. Menschenwahrnehmung. Wobei mit dem Tod sehr ehrlich umgegangen wird; er verliert seine Tragik dadurch, daß er als notwendiges Element eines immerwährenden Kreislaufes auf die Tier- und Naturwelt projiziert wird. Obwohl jede Note im Prinzip ein Stück Natur ist, liefert uns die Geschichte aber doch letztendlich auch ein Sinnbild unseres eigenen Lebens.

Der Ursprung von Leos Janáceks «schlauem Füchslein» ist eine Bilderserie. Der Brünner Journalist und Schriftsteller Rudolf Tsnohlídek schrieb dazu eine frei erfundene Erzählung, die seine Zeitung in Fortsetzungen veröffentlichte. Einer der begeisterten Leser war Janácek, der aus der Bildergeschichte eine Oper machte. Er, der andächtige und genaue Beobachter der Natur, sah in dem Stoff mehr als eine Tiergeschichte. Leo Janácek (1854-1928) hörte in die Natur hinein und verband mit ihren Geräuschen Charaktere, Gefühle, ja sogar eine gewisse Dramatik; er fand im Mikrokosmos ein Universum und spürte den ewigen Lebenszyklen nach.

Als Janácek 1920 im Brünner Tagblatt auf Stanislaw Loleks Tier-Comic «Die Füchsin Bystrouschka» stiess, ging er bereits auf die 70 zu. Drei Jahre zuvor erst hatte er die fast vierjahrzehnte jüngere Kamila Stösslová kennen gelernt, eine hübsche Frau, die ihre Freiheit liebte und nonkonformistisch lebte. Janácek setzte ihr in Gestalt der Füchsin Bystrouška ein Denkmal. Die junge Frau - bereits verheiratet - wurde seine letzte (unerfüllte) Liebe, was ihn das eigene Älter- und Abgeschobenwerden umso gewaltiger spüren liess. Einsamkeit machte sich breit um ihn, ein Gefühl der Isolation, der Gespaltenheit der menschlichen Existenz. Die Menschen in seiner Oper «Das schlaue Füchslein» (1924 in Brünn uraufgeführt) leiden alle unter dieser Gespaltenheit - der Förster und seine Frau, der Schulmeister und der Pfarrer, der Gastwirt und die Gastwirtin. Dieser moralisierenden, in die Jahre gekommenen Menschenwelt, der es nur in ihren Wunschvorstellungen gelingt, zu einer unverkrampften Lebensweise zu kommen, stellt Janácek seine Tierwelt gegenüber. Diese haust in den Weiten des Waldes frei und ungebunden und mahnt in ihrem kreatürlich ungespaltenen Dasein den Menschen daran, was ihm zur Ganzheitlichkeit seiner Existenz fehlt.

Mit dem „schlauen Füchslein“ hinterließ uns Janácek ein Bekenntniswerk: Über das Altwerden und die Sehnsucht nach Jugend und Freiheit, über das Einssein des Menschen mit der Natur, über deren ewigen Kreislauf des Geborenwerdens, des Älter- und Reiferwerdens, des Abschieds und der Ankunft einer neuen Generation. Er hinterließ uns damit aber auch eine weitere Botschaft: auch wenn die Menschen in der Natur etwas zerstören, so geht das Leben im Walde immer weiter – es erneuert sich stets. Ein Perpetuum mobile!

Freuen Sie sich auf einen einzigartigen Opernabend in der Wiener Kammeroper!

Informationen: http://www.kammeroper.at
 
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