Wie transparent sind die Kapitalmärkte?  

erstellt am
01. 10. 07

Erfahrungsbericht über niedrigere Meldeschwelle bei Beteiligungen
Wien (pk) - Transparenz zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren der Kapitalmärkte. Die Käufer von Aktien wollen in voller Kenntnis geänderter Stimmrechte kaufen oder verkaufen können. Institutionelle Großinvestoren wollen Beteiligungen jederzeit verkaufen können, ohne dadurch Druck auf den Kurs auszulösen. Das setzt Wissen über den Umfang des Streubesitzes voraus. Um Anlegern dieses Wissen zugänglich zu machen, wurde im vergangenen März die EU-Transparenz-Richtlinie in Österreich umgesetzt und als erste Meldeschwelle bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft 5 % eingeführt, weitere Meldeschwellen liegen bei 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40, 45, 50, 75 und 90 %. Da die Mitgliedstaaten einen niedrigeren Schwellenwert oder geringere Abstände zwischen den Schwellen vorschreiben können, hat der Nationalrat bei der Beschlussfassung von Finanzminister Molterer und Justizministerin Berger einen Bericht über internationale Erfahrungen mit Meldeschwellen von 2 % oder 3 % und weitere Verbesserungsvorschläge für das Übernahmerecht verlangt. Dieser Bericht liegt dem Nationalrat nun vor.

Internationale Erfahrungen
Deutschland hat, um die Markttransparenz zu erhöhen und ein unbemerktes "Anschleichen" an börsenotierte Gesellschaften zu erschweren, schon Anfang 2007 eine zusätzliche Meldeschwelle von 3 % eingeführt. Anlass dafür hatten Hedgefonds geboten, die sich 2005 - mit jeweils weniger als 5 % der Stimmrechte - an die Deutsche Börse AG "angeschlichen" hatten, überraschend eine außerordentliche Hauptversammlung einberiefen, zunächst die geplante Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse verhinderten und in weiterer Folge die Ausschüttung von Sonderdividenden sowie Veränderungen im Management und im Aufsichtsrat der Börse erzwangen.

Um solch unbemerktes Anschleichen an Unternehmen zu erschweren, hat Großbritannien über der ersten Meldeschwelle von 3 % für jeden weiteren Prozentpunkt eine neuerliche Meldepflicht eingeführt und damit gute Erfahrungen gesammelt, liest man im Bericht des Finanzministers und der Justizministerin.

Frankreich hält bisher an der 5 %-Meldeschwelle fest. Fast alle börsenotierten französischen Unternehmen haben aber in der Satzung eine Offenlegungsverpflichtung der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft beim Erreichen eines Stimmrechtsanteils von 1 % bis 2 % vorgesehen. Auch in Frankreich wird in absehbarer Zeit mit einer Absenkung der gesetzlichen Meldeschwelle gerechnet.

Italien mit 2 % und demnächst auch Spanien mit 3 % sehen über den Inhalt der Richtlinie hinausgehende Meldeschwellen vor. Die italienischen Erfahrungen werden als positiv beschrieben.

Vorkommnisse bei Oerlikon, Saurer und Sulzer haben den Ruf nach mehr Transparenz und Information der Öffentlichkeit über den Aufbau von Unternehmensbeteiligungen in der Schweiz laut werden lassen. Am 1. Dezember 2007 wird per Novelle des schweizerischen Börsengesetzes unter anderem eine neue Meldeschwelle von 3 % eingeführt.

Auch Portugal (2 %), Irland (3 %) und Tschechien (3 %) messen einem höheren Maß an Transparenz durch Verschärfung der Meldepflichten große Bedeutung zu. In Portugal hat sich die niedrigere Meldeschwelle bei Vollziehung übernahmerechtlicher Regelungen als

nützlich erwiesen. Darüber hinaus ermögliche die 2 %-Schwelle der Aufsichtsbehörde auch eine exaktere Beobachtung des Marktgeschehens, was vor allem auch in Hinblick auf die zunehmende Aktivität von Hedge-Fonds, die zunächst oft Beteiligungen unterhalb der 5 %-Schwelle erwerben, wichtig erscheine.

Empfehlungen von Finanzmarktaufsicht und Übernahmekommission
Die Finanzmarktaufsicht hält die Beteiligungspublizität in ihrer Stellungnahme für ein vordringliches Regelungsanliegen zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt. Ein erster Schwellenwert von 2 % oder 3 % könne Umgehungskonstruktionen, etwa mit Hilfe eines "Strohmannes", zwar nicht verhindern, aber doch wesentlich erschweren, heißt es bei der FMA. Die Aufsichtsbehörde tritt daher grundsätzlich für eine Absenkung der Meldeschwelle zur Erhöhung der Transparenz am Kapitalmarkt ein, weist aber zugleich auf die zu erwartende höheren administrativen Kosten für Emittenten und Aufsicht hin.

Laut Übernahmekommission würde eine niedrigere erste Meldeschwelle die Attraktivität des österreichischen Kapitalmarkts erhöhen, weil eine Meldeschwelle von 2 % bzw. 3 % das geheime "Anschleichen" eines die Kontrolle anstrebenden Aktionärs erschwere und verhindere, dass Anleger längere Zeit "ahnungslos" zu einem niedrigeren Kurs verkaufen. Die niedrigere Schwelle mache das Marktgeschehen transparenter und liege im Interesse des breiten Publikums, einschließlich in- und ausländischer institutioneller Anleger. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten gerade kleinere Kapitalmärkte wie der österreichische dem europaweiten Trend zu erhöhter Markttransparenz folgen, schreibt die Übernahmekommission.

Am Beispiel von Geschehnissen bei Böhler-Uddeholm illustriert die Übernahmekommission, dass massive Kursbewegungen das Anlegervertrauen erheblich erschüttern können und erinnert daran, dass bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte, wer am 16. März 2007 massiv Aktien der Böhler-Uddeholm AG zugekauft und einen Kurssprung von über 30 % gegenüber dem Vortag ausgelöst hat. An diesem Handelstag seien insgesamt 4,5 % der Aktien dieser Gesellschaft gehandelt worden, ohne dass nach geltendem Recht eine Meldepflicht entstanden sei. Der durch eine geringere Meldeschwelle verursachte Mehraufwand für Anleger und Banken dürfte demgegenüber insgesamt gering und vertretbar sein. Weder in Deutschland noch in den anderen europäischen Ländern habe die Einführung der 3 %-Meldeschwelle zur Anpassung von Indizes geführt. Daher spricht sich die Übernahmekommission dafür aus, auch in Österreich eine Meldeschwelle von 2 % bzw. 3 % bei gleichzeitiger Beibehaltung der 5 %-Schwelle einzuführen.

Weiters wird in dem Bericht festgehalten, wie wichtig transparente Eigentümerstrukturen bei börsenotierten Gesellschaften auch für die Anwendung übernahmerechtlicher Schutzmechanismen sind. Die Übernahmekommission müsse sich auf die Meldungen nach dem Börsegesetz stützen, da eine eigene Überwachung der Eigentumsverhältnisse börsenotierter Gesellschaften durch die Kommission praktisch nicht möglich ist.

Bei der Überwachung der Hauptversammlungsprotokolle aller vom Übernahmerecht erfassten Unternehmen beobachte die Kommission immer wieder, dass eine Person Aktienpakete von mehr als 5 % in den Hauptversammlungen vertritt, die als Fremdbesitz angemeldet sind und keinem gemeldeten Rechtsträger zugeordnet werden können. In diesem Zusammenhang regt die Kommission an, Aktionäre zu verpflichten, die Eigentümer von Aktienpaketen in meldepflichtiger Höhe der Übernahmekommission zu nennen.

Da die Interessen von Aktien-Eigentümer häufig von Kreditinstituten vertreten werden, könne die Übernahmekommission notwendige Informationen oft deshalb nicht erhalten, da sich die jeweiligen Kreditinstitute auf das Bankgeheimnis berufen. Die Übernahmekommission regt daher an, für Kreditinstitute Auskunftspflicht – wie sie auch gegenüber der FMA besteht – zu normieren.

Schließlich schlägt die Übernahmekommission eine neue Definition für die Zusammenrechnung von Beteiligungen gemeinsam agierender Rechtsträger im Übernahmegesetz vor. Als "gemeinsam vorgehende Rechtsträger" gelten derzeit Personen, die "mit dem Bieter auf der Grundlage einer Absprache zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen oder auszuüben". Diese Definition sei aber ungeeignet, weil für die börserechtliche Meldeverpflichtung eine Zusammenrechnung nicht davon abhängig sein sollte, ob die betreffenden Rechtsträger tatsächlich die Kontrolle über die Gesellschaft erlangen oderausüben wollten. Ausschlaggebend sollte sein, ob eine gemeinsame Ausübung der Stimmrechte oder der gemeinsame Erwerb von Aktien beabsichtigt sei, meint die Übernahmekommission.
 
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