Der richtige Dreh im Elektronenmikroskop  

erstellt am
01. 10. 07

Am Institut für Festkörperphysik der TU Wien misst Peter Schattschneider gemeinsam mit Kollegen den Magnetismus von bestimmten chemischen Elementen fast punktgenau
Wien (tu) - "XMCD (X-ray magnetic circular dichroism) heißt die in den 80er Jahren entdeckte Methode, mit der magnetische Materialien mit zirkular polarisiertem Röntgenlicht (das ist Licht, das einen Schraubensinn oder "Spin" aufweist) untersucht werden", erklärt Peter Schattschneider. Im Rahmen des im Jahr 2004 begonnenen EU-Projektes "CHIRALTEM" gelang seinem Team ein Durchbruch auf diesem Gebiet. "Es wäre für solche Untersuchungen ausgesprochen attraktiv, das Synchrotron durch ein Elektronenmikroskop zu ersetzen, mit dem man ja wesentlich kleinere Strukturen sehen kann. Obendrein kostet es nur einen Bruchteil eines Synchrotrons. Leider haben die Elektronen im TEM keinen definierten Spin. Deshalb dachte man, diese Messungen grundsätzlich nicht mit dem Elektronenmikroskop machen zu können. Meiner Kollegin Cécile Hébert und mir fiel aber eines Tages auf, dass die Gleichungen für Elektronen denen für das Synchrotron verblüffend ähnlich sahen. Wir gingen der Sache mit Bleistift und Papier nach und fanden, dass XMCD entgegen aller Erwartung auch im Elektronenmikroskop möglich sein müßte."

Die richtigen Parameter zu finden, war nicht einfach. Der experimentelle Nachweis gelang im Sommer 2006. Vor wenigen Monaten erzielte das Wiener Team gemeinsam mit Kollegen vom USTEM der Technischen Universität (TU) Wien einen Rekord. "Begonnen haben wir bei 200 Nanometer, nach zwei Dritteln der Forschungsperiode ist es uns gelungen, auf 30 Nanometer zu kommen. Mit einen experimentellen Trick konnten wir die zehn Nanometer-Grenze unterschreiten", so Schattschneider. Das entspricht einer Länge von weniger als 40 aneinander gereihten Atomen. (Am Synchrotron werden routinemäßig 100 nm erreicht, der Rekord liegt dort bei 25 Nanometern.)

Die Forschungsergebnisse tragen zur Weiterentwicklung elektronischer Bauteile bei. "Seit man in der Halbleitertechnik den Elektronenspin einsetzt - Stichwort Spintronik-, ist es wichtig zu verstehen, wie die zum Teil nur wenige Atomlagen kleinen "Spinschalter" funktionieren", erläutert Schattschneider. "Viele Bereiche in der modernen Halbleitertechnik arbeiten bereits mit Strukturen um zehn Nanometer Ausdehnung. Es gibt enormen Bedarf, magnetische Eigenschaften mit so hoher Ortsauflösung zu untersuchen."

In der langen Geschichte der Elektronenmikroskopie haben diese Experimente einen völlig neuen Charakter. "Alle Methoden auf diesem Gerät sind seit einem halben Jahrhundert bekannt - zumindest im Prinzip. Mit dem von uns entdeckten Effekt, den wir in Anlehnung an XMCD als EMCD bezeichnen (das E steht für Elektron), haben wir gewissermaßen am Elektronenmikroskop eine Tür geöffnet, die 50 Jahre lang übersehen wurde."

In der Zwischenzeit wird EMCD in Labors in Toulouse, Stuttgart, Uppsala und Chicago getestet.
 
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