Sima und Schicker präsentieren Tempo 50-Studie  

erstellt am
05. 10. 07

Positiv für Luftqualität, Verkehrssicherheit und Lärm
Wien (rk) - Im Kampf gegen den Feinstaub und damit zur Sicherung der Gesundheit der Wienerinnen und Wiener hat die Stadt Wien bereits zwei umfassende Maßnahmenpakete verabschiedet. Die Schritte werden seit Jahren in allen relevanten Bereichen wie Baustellen, Industrie, im Winterdienst und im Verkehr umgesetzt. Als eine der vielen Maßnahmen wurde das Tempo- Limit für 50 km/h als lokaler Beitrag zur Feinstaubreduktion im Verkehrsbereich gesetzt.

Experten der Technischen Universität Graz und der Universität für Bodenkultur Wien haben seit Dezember 2006 die Wirksamkeit dieser Maßnahme untersucht. Die nun vorliegende Studie zeigt klar die positiven Auswirkungen auf die Luftqualität, zugleich aber auch auf die Verkehrssicherheit und die Lärmreduktion.

Die Feinstaub-Vorläufersubstanz N0x (Stickoxide) verringert sich bei einer Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 auf 50 km/h auf der in der Studie untersuchten Strecke um ganze 37 Prozent. Bei Feinstaub (PM10) kommt es zu einer Reduktion von 23 Prozent, so das Ergebnis der Analyse.

"Das Tempo-Limit ist nur eine der vielen Maßnahmen, die wir zur Verbesserung der Luftgüte gesetzt haben. Gemeinsam mit den zahlreichen anderen Maßnahmen trägt Tempo 50 zur Verbesserung der Luftqualität in unserer Stadt und damit zur Gesundheit der Menschen bei", so Umweltstadträtin Maga Ulli Sima und Verkehrs- und Planungsstadtrat DI Rudi Schicker. "Die Temporeduktion, die nahezu für alle Straßen Wiens mit Ausnahme der Autobahnen und Autostraßen gilt, trägt darüber hinaus zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Ein wichtiger Begleitfaktor ist auch weniger Lärm für die Anrainerinnen und Anrainer. Die Studie belegt bei Tempo 50 statt 70 eine Reduktion des Schallpegels um 1,2 Dezibel", ergänzt Schicker.

Sima und Schicker haben die Studie am Freitag mit Prof. Peter Sturm von der Technischen Universität Graz und Dr. Hans-Peter Hutter von den "ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt" in einem gemeinsamen Pressegespräch in Wien präsentiert.

Methode und Ergebnisse: 37 % weniger N0x, 23 % weniger Feinstaub
Die Untersuchung der Auswirkung von Tempo 50, die vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz und dem Institut für Verkehrswesen der BOKU Wien im Dezember 2006 durchgeführt wurde, gliedert sich in zwei Teilbereiche. "Zum einen in die Ermittlung der Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden an einem konkreten Straßenabschnitt auf der Brünner Straße. Im zweiten Teil wurde untersucht, welche Veränderungen der Emissionen die Maßnahme auf den in ganz Wien betroffenen Straßenabschnitten bewirkt", erläutert Prof. Sturm von der TU Graz.

Dabei wurden Emissionsfaktoren für den Feinstaubvorläufer NOx und Feinstaub für die Geschwindigkeiten 50 und 70 km/h nach Fahrzeugklassen getrennt ermittelt. "Eine Reduktion der maximal zulässigen Geschwindigkeit von 70 auf 50 km/h führte im untersuchten Streckenabschnitt der Brünner Straße zu einer Reduktion der Emissionen von 37 % bei NOx und 23 % bei PM10 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge", erläutert Studienautor Prof. Peter Sturm.

"Während der Untersuchungen wurde durch Aufstellung von Radarbox- Attrappen eine Geschwindigkeitsüberwachung simuliert, um optimale Verhältnisse für die Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu erzielen", so Sturm. In Detailanalysen zeigt sich auch ein großer Einfluss des Fahrverhaltens und der Flüssigkeit des Verkehrs auf die verursachten Emissionen.

Im Rahmen der aktuellen Studie wurden auf der Brünner Straße Fahrzeuge mit einem Begleitfahrzeug "verfolgt", das Fahrverhalten dabei genau analysiert. Das reale Fahrverhalten und Fahrmuster auf der Teststrecke wurden in der Folge mit den Emissions-Daten aus der Datenbank "überlappt" und dadurch die tatsächlichen Emissionen an Feinstaub als auch Stickoxiden sowohl bei Tempo 50 als auch Tempo 70 ermittelt. Die Emissionsdaten basieren auf einer umfassenden Messreihe an unterschiedlichsten Fahrzeugtypen. Diese sind in einer Datenbank mit Emissionsdaten von über 500 verschiedenen Fahrzeugen aller Typen und Baujahre gespeichert, die Datenbank dient als Grundlage für eine Vielzahl von Untersuchungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. "Das Ergebnis ist durch diese aufwändige Methode viel genauer, als nur die Emissionen einzelner Fahrzeuge zu messen", so Studienautor Prof. Sturm. "Rechnet man die erzielten Emissionsreduktionen auf die von der Maßnahme betroffenen Straßenabschnitte in Wien hoch, so zeigt sich, dass bei verbrennungsbedingten Emissionen Reduktionen im Ausmaß von ca. 12 Prozent bei NOx und von rund 10 Prozent bei PM10 erreicht werden können", fasst Sturm die Ergebnisse zusammen.

Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit
"Der Vergleich des Unfallgeschehens bei der Untersuchung zeigt, dass Tempo 50 die Anzahl und Schwere von Unfällen reduziert," stellt Stadtrat Schicker fest. "Das ist ein wichtiger Schritt zu weniger Verkehrsunfällen und Verkehrstoten. Zumal uns auch die Exekutive unterstützt und Kontrollen zum Tempolimit durchführt."

Wie entscheidend die Fahrgeschwindigkeit sein kann, zeigt der Zusammenhang mit dem Bremsweg. Können sich FahrerInnen bei 50 km/h noch vor FußgängerInnen einbremsen, ist bei gleicher Bremslänge die Aufprallgeschwindigkeit 40 km/h, wenn die Ausgangsgeschwindigkeit 60 km/h war.

Tempo 50 - ein Beitrag zur Gesundheit der Wienerinnen und Wiener
Ergänzend zur Evaluierungsstudie und aufbauend auf diese erfolgte auch eine Bewertung der Maßnahme aus umweltmedizinischer Sicht durch Experten von "Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt": "Insgesamt zeigt die nun vorliegende Analyse, dass bei vollständiger Umsetzung der Geschwindigkeitsreduktion eine Reduktion der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung gegeben ist und damit auch beträchtliche positive Effekte auf die Gesundheit der Wiener Bevölkerung zu erwarten sind", erläutert Studienautor Dr. Hans-Peter Hutter. So können durch die Geschwindigkeitsreduktion rund 7 bis 17 vorzeitige Todesfälle pro Jahr vermieden werden. Dies entspricht Einsparungen an vermiedenen Schadenskosten bis zu annähernd 11 Millionen Euro pro Jahr.

Als Grundlage dienten hierbei Abschätzungen des Minderungspotenzials für Feinstaub und Stickstoffdioxid durch Tempo 50 und der Auswirkungen der Emissionsreduktion auf die Konzentration in der Atemluft. Der gewählte Ansatz stellt aus mehreren Gründen sogar eine konservative Schätzung des tatsächlichen Effektes dar, die Beiträge durch die gleichzeitige Senkung anderer Luftschadstoffe etwa wurden nicht berücksichtigt. Ebenso gingen weitere positive Effekte der getroffenen Maßnahme wie die bereits erwähnte Reduktion von Lärm nicht in die Analyse ein. Auch nicht berücksichtigt wurden die Erhöhung der Verkehrssicherheit, positive Effekte auf die Morbidität wie etwa die Verringerung von Asthmaanfällen sowie Auswirkungen auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden. "Aus ärztlicher Sicht stellt die getroffene Maßnahme daher einen wichtigen vorsorgemedizinischen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit der Wiener Bevölkerung dar", resümiert Dr. Hutter.

Darstellung der vermiedenen vorzeitigen Todesfälle nach Einführung von Tempo 50 durch die Reduktion von PM10-und NO2-Immissionen sowie der ver- miedenen Schadenskosten.

* Vermiedene Todesfälle pro Jahr (PM10): 0,8 – 1,8
* Eingesparte Kosten (Euro pro Jahr): 569.000 bis 1,28
* Vermiedene Todesfälle pro Jahr (NO2): 5,8 – 16
* Eingesparte Kosten (Euro pro Jahr): 4 – 11,2 Mio.
* Vermiedene Todesfälle pro Jahr (Gesamt): rund 6,6 – 16,9

Deutlich weniger Feinstaubbelastung im 1. Quartal 07
Wie eine Analyse der Wintermonate Jänner, Februar und März 2007 zeigt, war die Feinstaubbelastung um ein Vielfaches geringer als im Vergleichszeitraum 2006.

Zeitraum    A1 A2   A3 M1 M2      T
01-04/2006 62 55 (RINN) 48 43 57(RINN) 17
01-04/2007 29 25(LIES) 17 28 33(RINN) 0

* Erläuterungen:
A1: Anzahl an Tagen mit Tagesmittelwert > 50 µg/m³ insgesamt
A2: Anzahl an Tagen mit Tagesmittelwert > 50 µg/m³ an der höchstbelasteten
             Station (Kürzel in Klammer)
A3: Anzahl an Tagen mit Tagesmittelwert > 50 µg/m³ an mindestens
       3 Stationen
M1: Mittelwert über ganz Wien in µg/m³
M2: Mittelwert an der höchstbelasteten Station in µg/m³ (Kürzel
        in Klammer)
T: Anzahl an Tagen mit Überschreitungen > 100 µg/m³ (doppelter
     Grenzwert)
     (Anm: RINN-Rinnböckstraße, LIES-Liesing)

Da Feinstaub ein Winter- und Wetterphänomen ist, war im sehr milden Winter 07 die Belastung europaweit geringer, zudem haben auch die vielen Feinstaubmaßnahmen der Stadt Wien zur Verbesserung der Luftgüte beigetragen.

Faktum ist, dass Feinstaub ein überregionales Problem ist und Luftmassen vor Stadt- und Landesgrenzen nicht Halt machen. "Daher braucht es auch überregionale Anstrengungen, Länder und Bund müssen gemeinsam an einem Strang ziehen", so Umweltstadträtin Sima und fordert eine Novellierung des IG-L auf Bundesebene.

Wien mach sich Luft - die nächsten Schritte
Natürlich setzt die Stadt Wien auch künftig weitere energische Schritte auf lokaler Ebene im Kampf gegen den Feinstaub. 2008 tritt das Transitverbot für EURO 0-LKWs, also für "alte Stinker" in Kraft. Diese emittieren rund acht mal so viel wie moderne LKWs.

Ebenso tritt 2008 die Partikelfilterpflicht für Offroad-Dieselmotoren zwischen 18 kW bis 37 kW in Kraft. Dies betrifft v. a. Bagger, Maschinen, mobile Aggregate, Hubstapler etc. Diese sind im Hinblick auf die lange Le- bensdauer und den oft schlechten Wartungszustand eine große Emittenten- gruppe. Weiters wird seit September 2007 die Verwendung von "Heizöl leicht" in Be- triebsanlagen verboten. Ortsfeste Einrichtungen, die bisher mit "Heizöl leicht" betrieben wurden, müssen dann mit einem emissionsärmeren Brennstoff betrieben werden.

Informationen: http://www.feinstaubistdeinstaub.at/
 
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