Rede der Außenministerin in Churchill Aula der Universität
Zürich
Zürich (bmeia) - "Partnerschaft - dieses Prinzip hat Winston Churchill vor über 60
Jahren hier in Zürich an den Beginn seiner Vision für den Wiederaufbau der europäischen Familie
gestellt. Das Prinzip ist von ungebrochener Aktualität. Ja - es sollte über Europa hinaus "Leit-Stern"
und gleichzeitig "Leit-Technik" sein für ein vertrauensvolleres Miteinander im Weltdorf", so
Außenministerin Ursula Plassnik am 03.10. in Zürich. Auf Einladung der Kantonsregierung Zürich
hielt die Ministerin eine Rede zum Thema "Partnerschaft im Weltdorf" an der Universität Zürich,
in jener Aula, in der Winston Churchill am 19. September 1946 seinen bahnbrechenden Vortrag "The tragedy of
Europe" gehalten hat.
"Partnerschaft ist der Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts. Nur ein partnerschaftlicher Ansatz - beruhend
auf Gleichberechtigung und Augenhöhe - erlaubt ein lebendiges "Management der Vielfalt". Er eröffnet
Zugang zu Entscheidungsprozessen für alle. Und Zugang, access, das ist eine der neuen Leitwährungen im
21. Jahrhundert. Zugang macht bloße Teilnehmer im Weltgeschehen zu Teilhabern, zu mitverantwortenden Mitgestaltern",
so Plassnik, die fortfuhr: "Die Neugier auf diese neue Qualität im Umgang mit einer lebendigen, dynamischen
Vielfalt steigt. Und damit auch ganz konkret die Nachfrage nach dem europäischen Modell."
Besonders die kleineren und mittelgroßen Staaten (KMS) seien hier gefordert, betonte Plassnik. Als "starker,
solider Mittelstand der Weltgemeinschaft" haben sie auf dem Weg zu mehr Partnerschaftlichkeit ein besonderes
Gestaltungspotential. Dies setze aber voraus, dass sie ein klares Eigenprofil entwickeln und bewusst Funktionen
als Vertrauensarbeiter und Dialogförderer übernehmen, in denen sich größere Staaten schwerer
tun. "Hier sehe ich auch durchaus eine besondere Verantwortung der mittelgroßen Länder: Sich einbringen.
Sicherstellen, dass sie weder von der einen noch von der anderen Seite vereinnahmt werden. Einen eigenständigen
Kurs halten, ohne ängstlich auf Äquidistanz bedacht zu sein. Profil zeigen in der Sache, womöglich
ohne den oberlehrerhaft erhobenen Zeigefinger."
Dabei biete gerade auch die Europäische Union einem mittelgroßen Staat Möglichkeiten, sich als
aktiver Mitgestalter einzubringen: "Österreich gestaltet heute Europa mit. Von innen. Ohne Entscheidungen
"von außen" mittragen oder nachvollziehen zu müssen", so Plassnik. Die Ministerin erinnerte
dabei etwa an die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, bei denen Österreich mit seiner klaren Haltung
im Oktober 2005 "gegen alle Widerstände ein Konzept von wirklich ergebnisoffenen Verhandlungen durchgesetzt
hat, ohne Automatismen, mit Netzen und Notbremsen, wo es notwendig ist". Auch beispielsweise der Arbeitsplan
für die Vertragsreform und die konkrete Ausgestaltung der EU-Beitrittsperspektive für alle Balkanstaaten
trügen eine klare rot-weiß-rote Handschrift. "Oder das aktuelle Beispiel Tschad: Hier hat Österreich
maßgeblich dazu beigetragen, dass für eine EU-Mission ganz klare Parameter gelten, bis hin zur Dauer
der Mission".
Plassnik betonte in diesem Zusammenhang, dass die in der Debatte um die Reform der EU-Verträge von manchen
an die Wand gemalte Horrorvision eines europäischen Superstaats, oder zumindest Bundesstaats, aus der Luft
gegriffen sei. "Europa darf kein Vorwand sein, den Nationalstaat - groß oder klein - aus seiner Pflicht
und Verantwortung zu entlassen: Er hat vieles zu leisten und läuft keineswegs Gefahr, entbehrlich zu werden."
Die Gestaltungsmöglichkeit von kleineren und mittleren Staaten bringe aber auch einen klaren Gestaltungsauftrag
mit sich. Kleinere Staaten haben nicht den Ehrgeiz "Weltpolizisten" oder "Welt-Werkbänke"
zu sein. Sie sollten aber den Posten der "Welt-Kreativdirektoren" besetzen. "KMS bilden einen einzigartigen
Kreativpool. Sie sind mit ihrer größeren Wendigkeit Impulsgeber für neue Formen der Kooperation.
Auch als Vertrauensarbeiter können sie Vorreiter sein. Sie bereiten den Boden für Dinge, die noch nicht
reif sind, die erst wachsen müssen." Diese Kreativität werde auch durch den zunehmenden Trend zu
internationalem Benchmarking und Ranking sichtbar. So seien kleinere Staaten durchwegs führend, etwa bei internationalen
Vergleichen zur Qualität der Gesundheitssysteme, der pro Kopf gerechneten Patentanzahl oder der in Prozenten
des Bruttoinlandsprodukts gemessenen Forschungs- und Entwicklungsausgaben.
"Ihre Funktionen als Vertrauensarbeiter, Dialogförderer, Impulsgeber und Nützlichmacher können
die kleineren und mittelgroßen Staaten nur erfüllen, wenn sie weltweit jeden Tag aufs Neue als positive
Kraft wahrgenommen werden", so die Außenministerin, die schloss: "Europa weiß, was es an
seinen KMS hat. Ihre starke Stellung in Europa zeigt auch, wie Multilateralismus heute modern und effizient ausgestaltet
sein kann. Das ist ein Zeichen, das weit über Europa hinausweist. Denn die Wiederbelebung und Dynamisierung
eines effektiven Multilateralismus ist für die Außenpolitik das Gebot der Stunde." |