Ulm (idw) - In 520 Millionen Jahre alten Gesteinen des Unterkambriums in der chinesischen Provinz Yunnan
wurden fossile Überreste einer neuen Tierart gefunden, die den bislang ältesten Repräsentanten der
modernen Krebse, Crustacea darstellt.
Zu dieser fast 100.000 Arten zählenden Gliedertiergruppe zählen u. a. Garnelen, Hummer, Krabben, Seepocken
und Wasserflöhe. Die Fossilien sind außergewöhnlich gut erhalten. Man kann außer dem dreidimensional
überlieferten Körper auch Augen, Beinanhänge und sogar die Borsten an den Beinen erkennen. Die neue
Art, die durch mehrere Wachstumsstadien vertreten ist, war sehr kleinwüchsig, die Überreste deuten auf
eine Größe von wenigen Millimetern. Crustacea sind erdgeschichtlich seit knapp 480 Millionen Jahren
nachgewiesen, also bis ins frühe Ordovizium, einige seltene Funde sind sogar dem ausgehenden Kambrium, also
einer Zeit vor rund 505 Millionen Jahren zugeordnet. Der neue Fund aus dem unteren Kambrium stellt damit den ersten
unzweifelhaften modernen Krebs dar. Dies lässt sich insbesondere an der Beinmorphologie, aber auch vielen
anderen Übereinstimmungen mit bestimmten Formen innerhalb der heutigen Krebse, wie den Kiemenfüßern,
Ruderfußkrebsen oder den winzigen, blinden Cephalocarida begründen.
Die neue Art wurde nach der ethnischen Minderheit der 'Yi' Yicaris dianensis benannt, die im südlichen China
in historischer Zeit im Königreich Dian lebten, in dessen Region die Fundstellen der Fossilien liegen. Das
hohe Alter von Yicaris und seine verwandtschaftliche Nähe zu den heutigen Vertretern der Krebse ist ein neuerlicher
Hinweis darauf, dass die Wurzeln der Gliederfüßer insgesamt weit vor dem Kambrium lagen, also in einer
Zeit, aus der immer noch keine körperlichen Tierfossilien vorliegen. Ein bedeutendes Detail des neuen Fundes
sind kleine blattartige Auswüchse außen an den Körperbeinen. Nach Ansicht einiger Autoren sollen
die Flügel der Fluginsekten aus derartigen Strukturen hervorgegangen sein. Der kambrische Nachweis solcher
extrem weicher und bisher nicht an Fossilien gefundenen Anhängen ist daher ein wichtiger Beitrag in der Debatte
um die Evolution der geflügelten Gliederfüßer, die heute die Mehrzahl aller tierlichen Lebewesen
darstellen.
Die Studie der Wissenschaftler aus Kunming, Leicester und Ulm ist unter dem Titel "An epipodite-bearing crown-group
crustacean from the Lower Cambrian" Xi-guang Zhang, David J. Siveter, Dieter Waloszek & Andreas Maas in
der Zeitschrift Nature veröffentlicht (Nr.449 vom 4.Oktober 2007) .
Prof. Waloszek von der AG Biosystematische Dokumentation an der Universität Ulm meint dazu: "Dieser außergewöhnliche
paläontologische Fund aus einer neuen Fundstelle in sogenannter 'Orsten'-Erhaltung (das sind dreidimensional
erhaltene Fossilien) verlängert den Nachweis von Krebsen um mehr als 10 Millionen Jahre an die Grenze zum
Kambrium. Dies ist für die Evolution der größten Tiergruppen, der Gliederfüßer und der
Tiere insgesamt von großer Bedeutung und ein weiterer Beleg gegen die Hypothese von einer "kambrischen
Explosion". |